Landeskriminalamt übernimmt Fall Wunschinski

Gegen den Bürgermeister von Teutschenthal häufen sich immer mehr Verfahren auf, die den Rathauschef eigentlich an der Ausübung seiner Amtsgeschäfte hindern müssten. Doch vor allem die Kommunalaufsicht des Saalekreises liefert keine Ergebnisse. Das könnte an einer schützenden Partei-Hand liegen, befürchtet der Gemeinderatsvorsitzende.

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Ralf Wunschinski muss sich mehreren Dienstaufsichtsbeschwerden und zwei Strafanzeigen stellen. (Fotos: Schellhorn/xkn/Montage StäZ)
Ralf Wunschinski muss sich mehreren Dienstaufsichtsbeschwerden und zwei Strafanzeigen stellen. (Fotos: Steffen Schellhorn/xkn/Montage Jan Möbius)

Halle/Teutschenthal/StäZ – Dienstaufsichtsbeschwerden, Disziplinarverfahren, Strafanzeigen – der Behördendruck auf den Bürgermeister von Teutschenthal Ralf Wunschinski (CDU) wächst. Gegen den Ex-Landtagsabgeordneten sind im Laufe des vergangenen Jahres eine Reihe an Verfahren wegen mutmaßlicher Dienstvergehen in Gang gesetzt worden. Zuletzt erreichten Ende Dezember zwei Anzeigen gegen ihn die Staatsanwaltschaft in Halle. Darin wird Wunschinski bezichtigt, den mutmaßlichen Arbeitszeitbetrug einer Kita-Leiterin der Gemeinde zu vertuschen, weil er mit ihr ein Verhältnis haben soll. Wegen der Fülle an Verfahren gegen den Rathauschef nehmen jetzt im Gemeinderat Zweifel überhand, ob er seinen Aufgaben noch gewachsen ist und ob Wunschinski bedenken- und vorbehaltlos Entscheidungen im Rathaus treffen kann.

Unterdessen scheint ein auf Bitten des Gemeinderates von der Kommunalaufsicht im Sommer vergangenen Jahres eingeleitetes Disziplinarverfahren gegen den Bürgermeister nicht voranzukommen. In Teutschenthal befürchtet man, die Ermittlungen könnten im Sande verlaufen. „Man möchte lieber nicht den Eindruck gewinnen, dass hier etwas parteipolitisch bereinigt werden soll“, sagt der Gemeinderatsvorsitzende Günther Scholz gegenüber der Städtischen Zeitung. Dabei spielt er auf die CDU-Parteibücher von Wunschinski und Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht als Chef der obersten Kommunalaufsicht im Land an. Auch der Staatsanwaltschaft geht die Aufklärung zu langsam voran. Sie hat deswegen nun das Landeskriminalamt eingeschaltet. [ds_preview]

Auch Feuerwehrleute und Grubensanierer GTS schalten Landkreis ein

Verfahren und Untersuchungen gegen Wunschinski sind in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe zusammengekommen. So haben Eltern einer Kindertagesstätte nach einem Streit mit der Gemeinde Dienstaufsichtsbeschwerden bei der Kommunalaufsicht des Saalekreises eingereicht, Erzieherinnen anderer Einrichtungen in Trägerschaft Teutschenthals monieren gegenüber dem Landratsamt per Beschwerde das Vorgehen des Bürgermeisters im Fall einer Kita-Leiterin, die innerhalb der letzten anderthalb Jahre nur 35 Stunden auf Arbeit gewesen sein, den Rest der Zeit aber unentschuldigt gefehlt haben soll. Der Fall beschäftigt inzwischen nach Anzeigen gegen Wunschinski und die Pädagogin auch die Staatsanwaltschaft, wie deren Leiterin in Halle Heike Geyer der Städtischen Zeitung bestätigte. Mittlerweile gehen auch Feuerwehrleute der Gemeinde per Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Suspendierungen durch ihren Chef Wunschinski vor, die er im Zusammenhang mit einer handfesten Auseinandersetzung während einer Feier im vergangenen Jahr ausgesprochen hatte.

GTS in Teutschenthal bereitet schon jetzt eine ganze Reihe von Stoffen für den unterirdischen Versatz auf. Ob bald auch Bauschutt aus Atomkraftwerken dazugehört, dazu schweigt das Unternehmen. (Foto: Jan Möbius)
Zwischen Grubensanierer GTS und Bürgermeister Wunschinski in Teutschenthal ist das Tischtuch zerrissen. (Foto: Jan Möbius/Archiv)

Auch einer der größten Steuerzahler und Arbeitgeber in der Gemeinde sieht sich inzwischen genötigt, den Landkreis einzuschalten. Die Kommunalaufsicht muss sich mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde der Grubengesellschaft GTS befassen. Die wirft Wunschinski vor, ein Antragsverfahren des Unternehmens willkürlich in die Länge gezogen zu haben. Das Verhältnis zwischen der GTS und dem Bürgermeister gilt seit der öffentlichen Debatte um starke, aus der Grube austretende Gerüche als zerüttet. Wohl auch deshalb hat Wunschinski inzwischen zwei Mal die Einladung zum von der GTS gegründeten Runden Tisch ausgeschlagen, der Lösungen zur dauerhaften Geruchsbelästigung erarbeiten und für Transparenz sorgen soll. „Der Bürgermeister gehört aber zwingend zu diesem Gremien, denn es geht hier um seine Gemeinde“, so Rats-Chef Scholz, der selbst zum Runden Tisch gehört. Bereits im Sommer 2018 hatte Scholz im Auftrag des Gemeinderats von Teutschenthal in seiner Dienstherrenfunktion ein Disziplinarverfahren bei der Kommunalaufsicht gegen den Rathauschef in Gang gebracht und Wunschinski bei der Staatsanwaltschaft in Halle wegen Untreue-Verdachts im Zusammenhang mit den Vorgängen um den Neubau einer Kindertagesstätte in Angersdorf angezeigt.

Kein Verfahren bisher zu Ende geführt: Rat verlangt vom Kreis Bericht

Gemeinderat von Teutschenthal. (Foto: Jan Möbius/Archiv)

Soweit die Bestandsaufnahme der mutmaßlichen Verfehlungen Wunschinskis, die bis jetzt zu Untersuchungen geführt haben. Keines der Verfahren ist bis jetzt zu Ende geführt worden. „Das ist völlig unbefriedigend“, findet der Gemeinderatsvorsitzende. Allein das von seinem Gremium initiierte Disziplinarverfahren gegen Wunschinski ziehe sich seit Juli vergangenen Jahres in die Länge. „Über diesen Zeitraum bis heute haben wir als Gemeinderat nichts vom Stand der Dinge gehört, außer, dass das Verfahren gegen den Bürgermeister eröffnet wurde“, moniert Scholz, der selbst keiner Partei, sonder der Unabhängigen Wählervereinigung (UBV) angehört. Die Kommunalaufsicht des Saalekreises gebe bisher keinerlei Informationen heraus. „Das ist kein Zustand, wir wollen jetzt wissen, was hier los ist.“ Aus diesem Grund habe er sich jetzt schriftlich an den Landkreis gewandt und die zuständige Behörde zur Berichterstattung aufgefordert. „Das Verfahren muss doch irgendwann zum Abschluss kommen.“ Er merke selbst, dass sich immer mehr Fragen und Probleme um Wunschinskis Aktivitäten häufen. „Da kommt ständig etwas dazu. Wir vermissen konsequentes Handeln, egal in welche Richtung“, so Scholz. Dabei spreche er auch im Sinne des unter Druck stehenden Wunschinski: „Auch der Bürgermeister als Betroffener muss irgendwann wissen, was auf ihn zukommt.“

Die Planungen für die neue Kita in Angersdorf sind derart konkret, dass nach Meinung von außenstehenden Ingenieuren damit ein Bauantrag gestellt werden könnte. (Quelle: Gemeinde Teutschenthal)
So war die neue Kita in Angersdorf geplant. Wunschinski hatte Planungsleistungen bezahlen lassen, die vom Gemeinderat nicht beschlossen waren. Das Geld, mehr als 200.000 Euro, war zudem im Haushalt nicht vorgesehen. (Quelle: Gemeinde Teutschenthal)

An normales Arbeiten sei derweil in Teutschenthal nicht mehr zu denken. „Hier dreht sich irgendwie alles im Kreis“, findet Scholz. Der Gemeinderatsvorsitzende ist in seiner Tätigkeit inzwischen selbst und direkt von den Verfahren gegen Wunschinski betroffen. Scholz muss bei Beschlüssen und Diskussionen beachten, wann der Rathauschef dabei sein darf und wann nicht. Denn bei Vorgängen, in denen gegen Wunschinski eine Untersuchung läuft, ist dieser befangen. Mehrfach musste Wunschinski deshalb im Lauf des vergangenen Jahres den Sitzungssaal verlassen. Nicht selten sagte der Bürgermeister im öffentlichen Teil gleich selbst, dass er sich zu Themen wie etwa dem Bau einer 24-Stunden-Kita in Angersdorf nicht äußern kann, wegen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Kommunalaufsicht zu diesem Projekt. Wunschinski soll Planungsleistungen für die „Kita 24“ in Auftrag gegeben und bezahlen lassen haben, obwohl er dazu keinen Auftrag hatte und das Geld nicht im Haushalt der Gemeinde vorgesehen war. Der Schaden für Teutschenthal soll sich auf weit mehr als 200.000 Euro belaufen.

Obwohl sich Wunschinski also aus vielen Angelegenheiten seiner Verwaltung wegen der laufenden Verfahren inzwischen heraushält oder aus Gründen der Befangenheit eigentlich heraushalten müsste, bescheinigt ihm seine Stellvertreterin und Hauptamtsleiterin Teresa Kübler auf StäZ-Nachfrage volle Arbeitsfähigkeit. „Die Dienstaufsichtsbeschwerden werden grundsätzlich durch die Verwaltung bearbeitet“, schreibt sie in einer Antwort-E-Mail. Konkreter wird Kübler nicht. Nach StäZ-Informationen ist es aber eben sie als Rathaus-Vize, die viele Aufgaben zusätzlich übernehmen muss und inzwischen an der Kapazitätsgrenze arbeitet. Das bleibt neben dem Ratsvorsitzenden Scholz auch anderen Gemeinderäten nicht verborgen: „Nach meiner Einschätzung ist derzeit die Arbeitsfähigkeit der Gemeinde stark eingeschränkt. Die Verwaltung muss sich offenbar mehr mit sich selbst beschäftigen als mit den echten Problemen“, sagt FDP-Mann Frank Witte. Er beobachte die Vorgänge seit mehr als einem Jahr und schätzt nun ein: „Für uns Bürger ist das eine Katastrophe.“

Derweil zieht Ratsvorsitzender Scholz Parallelen zu anderen, ähnlichen Fällen, bei denen von den zuständigen Behörden wegen augenscheinlich geringerer Vergehen wesentlich energischer vorgegangen worden sei. Olaf Heinrich in Landsberg nennt er als Beispiel: Der ehemalige Bürgermeister der Stadt wurde 2015 vom Landesverwaltungsamt, der obersten Kommunalaufsicht, vom Dienst suspendiert, nachdem gegen ihn ein Disziplinarverfahren wegen Untreueverdachts eingeleitet wurde. Heinrich musste von jetzt auf gleich alle Schlüssel abgeben und erhielt das Verbot, öffentliche Gebäude wie das Rathaus oder sogar eine Feuerwehr ohne ausdrückliche Erlaubnis zu betreten. So sollte verhindert werden, dass während der Untersuchungen Akten manipuliert werden oder gar verschwinden. Heinrich klagte sich durch alle Verwaltungsinstanzen – und scheiterte. Das Amtsenthebungsverfahren läuft noch immer. Die Strafermittlungen gegen ihn zogen sich über Jahre. Erst im August 2018 wurde Heinrich zu einer Bewährungsstrafe von anderthalb Jahren verurteilt – weil er der Stadt Landsberg im Rahmen eines Grundstücksverkaufs 2011 einen Schaden von rund 47.000 Euro zugefügt haben soll.

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