Kleine Geschichte der Städtischen Zeitung

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Halle/StäZ – Die Geschichte der Städtischen Zeitung Halle beginnt am 3. Juni 2017. Felix Knothe, ehemaliger Journalist der MZ, startet auf der Plattform Startnext das Crowfunding, die Schwarmfinanzierung für ein ehrgeiziges Projekt. „Halle braucht eine neue Zeitung“, heißt es in der Ankündigung. „Viele Hallenser sind unzufrieden mit dem, was ihnen an Informationen geboten wird. Deshalb möchte ich als Journalist, der seit Jahren in Halle aktiv ist, den Neuanfang wagen“, schreibt Knothe. Innerhalb von sechs Wochen kommen 14.000 Euro zusammen, ein Startkapital, das reicht, um anzufangen.

Am 20. Oktober 2017 ist es soweit: Im Mitteldeutschen Multimediazentrum, in dem die StäZ ihr Büro hat, wird in einem kleinen Festakt die StäZ-Startseite freigeschaltet. Erste Geschichten sind ein Bericht über den Rücktritt des Landespolitikers Swen Knöchel vom Linken-Fraktionsvorsitz und ein Artikel zur Frage, ob sich Halle für die Einführung der Internetendung „.halle“ einsetzen sollte. Der Beitrag hat den sinnigen Titel „Halles neue Adresse im Netz“, und schon im ersten Beitrag findet statt, was sich durch zweieinhalb Jahre StäZ-Arbeit wie ein roter Faden zieht: „Oberbürgermeister Bernd Wiegand ließ eine Anfrage der StäZ unbeantwortet.“ Wiegand wird gegenüber der StäZ nur sehr wenige Worte finden, was nicht daran liegt, dass er nicht gefragt worden ist.

StäZ-Gründer Felix Knothe beim Launch der StäZ am 20. Oktober 2017 im MMZ. (Foto: jr)

Der erste journalistische Meilenstein folgt Ende Januar 2018: Die StäZ thematisiert in einer gemeinsamen Recherche mit dem MDR die undurchsichtigen Verstrickungen zwischen Stadtverwaltung und dem Wirtschaftsberater Jens Rauschenbach, ein Thema, das in Halle seit Jahren virulent, aber nur wenig beleuchtet war. Aber auch der normale kommunalpolitische Alltag wird von der StäZ begleitet, in zahlreichen Berichten aus Ausschüssen oder dem beliebten Stadtratsticker in jedem Monat. Hinzu kommen Wirtschaftsthemen, Kulturfragen, das hallesche Stadtgeschehen, Karikaturen, Kolumnen oder die beliebten Haikus der Woche.

Die Redaktion wird bald verstärkt durch den früheren MZ-Journalisten Jan Möbius, der zahlreiche Beiträge beisteuert. Darunter ist auch, rund ein Jahr nach der Rauschenbach-Story, eine Artikelserie über die politischen Zustände in Teutschenthal. Dessen Bürgermeister Ralf Wunschinski (CDU) war jahrelang unter dem publizistischen Radar gelaufen. Teutschenthal war praktisch ein weißer Fleck. Im Gemeinderat war seit Jahren kein Reporter gewesen. Die StäZ wagt, weil es ernste Debatten und auch Ermittlungen über Misstände gibt, den Schritt über die Stadtgrenze und berichtet. Wunschinski wird im Frühjahr 2019 aus seinem Amt gewählt.

Die StäZ begleitet auch die Kommunalwahlkämpfe mit neuen Ideen. Die StäZ-Wahlplattform 2019, auf der sich vor der Stadtratswahl die vielen Kandidatinnen und Kandidaten auf einer gemeinsamen Überblicksseite präsentieren und profilieren können, ist ein bis dahin in Halle nie dagewesenes Projekt. Viel Arbeit für die StäZ, aber der Überblick, der so entsteht, hilft vielen Hallenserinnen und Hallensern bei ihrer Wahlentscheidung.

Hunderte Menschen schützen am Freitag, dem 11. Oktober 2019, symbolisch die Synagoge von Halle. (Foto: jr)

Die StäZ hatte stets aufgrund ihrer geringen Größe mit großen Herausforderungen zu kämpfen, auch mit ökonomischen, technischen oder juristischen. Die eindeutig größte ist der 9. Oktober 2019. Der Anschlag eines Rechtsextremen auf die Synagoge und einen Imbiss findet für StäZ-Reporter Felix Knothe quasi nebenan statt. Schnell ist er an den Orten des Geschehens und berichtet, später gemeinsam mit einem Heer nationaler und internationaler Korrespondenten. Als kleine Lokalzeitung findet sich die StäZ plötzlich im journalistischen Weltgeschehen wieder. Sogar die BBC interviewt den StäZ-Reporter. Viel wichtiger und bedeutender ist aber, wie Halle reagiert. Die Stadt steckt mitten im Wahlkampf. Gesellschaft und Politik rücken nun zusammen und setzen zumeist klare Zeichen des demokratischen Zusammenhalts. Die dunkelste Stunde der neueren halleschen Geschichte führt danach zu einigen der herzenswärmsten, leuchtendsten Tage.

Das Ende der StäZ kommt am 2. März 2020. Es ist eine Opernrezension von Roberto Becker über „Don Giovanni“.

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U. Geiß
4 Jahre her

Danke für die immer gut recherchierten Berichte!