Weltoffene Hochschulen und tolerante Schokolinsen

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StäZ-Kolumnistin Laura Lütt (Foto: privat)

In einem großen deutschen Lebensmittelmarkt gibt es seit Kurzem bunte Schokolinsen zu kaufen, die allerdings nicht einfach als gewöhnliche „Schokolinsen“ beworben werden. Auf ihrer Verpackung ist stattdessen als erstes groß und breit zu lesen: „Ja! Zu Vielfalt und Toleranz.“ Nun eine weitere Begebenheit: Vor ein paar Tagen war ich in unserer sächsischen Nachbarstadt Leipzig unterwegs. Dort fiel mir an einem Hochschulgebäude ein prominent platziertes Banner auf: „Weltoffene Hochschulen, weltoffenes Sachsen.“ Nun, was möchten uns die Künstler damit sagen?

Der mündige Bürger braucht weder den bemutternden Staat, noch Unternehmen, die erzieherisch tätig werden.

Ich bin so frei, und übernehme hier mal die Interpretation: Sowohl die Firma Rewe, als auch die Uni Leipzig halten ihre Kunden und Mitarbeiter bzw. Studenten für unwissend und beeinflussbar. Man kümmert sich deshalb aufopferungsvoll um die armen verlorenen Schäfchen, die sonst, ach Gott, nicht wüssten, wonach sie sich politisch ausrichten sollten.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch – Toleranz, Vielfalt und Weltoffenheit halte ich für grundlegende Werte unseres Staates und verstehe ich auch als sich aus unserem Grundgesetz ergebend.

Dazu steht auch der durchschnittliche, mündige Bürger – obwohl die Mitte-Studie der Uni Leipzig mittlerweile ja einem Drittel der Bevölkerung rechtes Gedankengut attestiert. Der mündige Bürger braucht weder den immer mehr bemutternden Staat, noch Unternehmen, die erzieherisch tätig werden. Man springt nur allzu gern auf den „Be good, feel good-Zug“ auf, indem man sich für ach so tolerant und #unteilbar erklärt. Das mag denen gefallen, die sowieso einer Open-Border-Politik anhängen und eine bedingungslose Zuwanderung befürworten.

Für jeden anderen Menschen, der die Thematik etwas differenzierter sieht – und damit meine ich jeden, der denkt, dass Integration nicht allein durch das Ausrufen von Feelgood-Schlagwörtern wie „Vielfalt“ geregelt werden kann – ist das zu oberflächlich, wenn nicht sogar naiv.

Man kann als denkender Mensch durch diese Schokolinsen tatsächlich nur beleidigt sein: Was denkt sich derjenige, der diese Süßigkeit anbietet, von mir? Hält man mich für so einfältig? Deshalb dann vom Kauf Abstand zu nehmen, scheint dann doch etwas übertrieben. Doch das Schoko-Statement im Rewe unwidersprochen stehenlassen zu müssen – vermutlich sind die Kassierer nicht gerade empfänglich für meine Kritik – das nervt.

Um nur das Image aufzupolieren, sind Schokolinsen und sächsische Unis zu schade.

Ähnliches gilt bezüglich der mahnenden Worte zur Weltoffenheit der Uni Leipzig. Es ist einer Hochschule nicht angemessen, ein so komplexes Thema derart zu verkürzen. Der Großteil der Uni-Angehörigen wird nichts gegen Weltoffenheit einzuwenden haben – insbesondere im universitären Zusammenhang ist internationaler Austausch elementar. Doch jedem Betrachter des Plakates ist klar, dass mehr damit gemeint ist. Das zeigt allein die raumnehmende Diskussion um den Jura-Professor Rauscher, der sich kritisch zur Migrationspolitik auf Twitter geäußert hatte und dafür von der Hochschul-Präsidentin und der Uni-Öffentlichkeit hart angegangen wurde.

Doch denkt die Uni wirklich, durch ein solches Plakat einen Kritiker der aktuellen Flüchtlingspolitik oder gar einen AfD-Sympathisanten bekehren zu können? Ich behaupte, der Angesprochene wird vielmehr Unmut darüber verspüren, dass eine weitere staatliche Institution versucht, ihm zu erzählen, dass das mit der Migration alles gar nicht so dramatisch und er bloß überbesorgt sei. Dies wird ihn erst recht nach rechts treiben. Warum nimmt die Uni, oder auch Rewe, diese voraussehbare Folge in Kauf?

Am Ende geht es vielleicht nur darum, sich selbst möglichst moralisch darzustellen und das Image aufzupolieren.

Und dafür finde ich sowohl Schokolinsen als auch die sächsischen Unis zu schade.

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Juliane Uhl
5 Jahre her

Mutiger Text, Laura. Ich bin gespannt auf die Reaktionen.

siggivonderheide@me.com
5 Jahre her

Es ist schon erstaunlich mit welch absurden Gedankenwüstchen Frau Lütt ihre rechtsreaktionäre, fremdenfeindliche Gesinnung kaschieren will. Ein Unternehmen und eine Universität haben das Recht zu gesellschaftlichem Engagement und zu Meinungsäußerung. Das Frau Lütt sich davon nicht beeinflussen lässt ist klar. Als Parteigängerin des Herrn Bernstiel kann sie sich ja auch durchaus vorstellen durch AfD Stimmen Mehrheiten zu erreichen. Die moderne CDU nach Angela Merkel ist eine rechrsreaktionäre CDU die zurück in die 90er Jahre will. Frau Lütt war damals gerade geboren und wird sich wohl kaum daran erinnern das die Kohl-CDU in dieser Zeit das Asylrecht bereits ausgehölt und z.… mehr lesen »