Die geile Litfaßsäule

1
StäZ-Kolumnistin Juliane Uhl (Foto: Knut Mueller)

Ein hallescher Energiedienstleister wirbt derzeit mit dem Größten der Stadt. Gemeint ist ein Energiespeicher. Plakatiert sind Litfaßsäulen.

Und natürlich springt da gleich wieder die Minderheitenbeschützergarde auf und schreit: „Sexismus. Sexismus. Hilfe, Hilfe.“ Der Hashtag #metoo ist auch gleich in den Kommentaren zu finden. Doch ich frage mich, ob das Fass immer gleich so groß sein muss, das man öffnet. Geht´s nicht auch eine Nummer kleiner? Scheinbar verlernen die Menschen der westlichen Gesellschaften, die wohl keine anderen Probleme als phalluskonnotierte Litfaßsäulen haben, Ironie zu erkennen. Der Spruch „Halle hat den Größten“ ist ein Witz, eine Anspielung. Wen soll diese denn bitte verletzten? Frauen, weil die Anspielung auf sich an Größe messende Männlichkeit abzielt und deswegen als Verweis auf die Herrschaft des Mannes an sich gewertet werden kann? Oder verletzt die Kampagne vielleicht Männer mit einem kleinen Genital? Oder Menschen, die keinen Penis haben und deshalb nicht mit ihm angeben können?

Das corpus delicti. (Foto: anon.)

Ich weiß nicht, ob es an meiner emotionalen Unterkühltheit liegt, aber ich bin irgendwie gar nicht verletzt durch diese Werbung. Auch nicht durch nackte Frauen, auf denen Pizza liegt. Sind wir doch mal ehrlich: In einer Zeit, in der unsere Kinder Pornos auf dem Smartphone schauen, sind das doch allenfalls Schauprozesse. Und die führen dazu, dass Menschen wie ich zusehends genervt sind von dem ständigen Alarmgebimmel der Sittenwächter. Die Diskussionen darum bieten aber auch eine Darstellungsfläche,  für Leute, die sich auf diesen medialen Empörungsinseln als die Anständigen und Tugendwächter darstellen.

Aber schützt der Schutz vor Säulenangriffen tatsächlich Frauen und andere Menschen vor Diskriminierung? Ich frage mich seit langem schon, was diese Art der Weltbetrachtung den Frauen tatsächlich gebracht hat: Neulich traf ich im Fahrstuhl eine junge Frau, deren einjähriger Sohn sich das Bein gebrochen hatte. Sie hatte alle Krankheitstage schon aufgebraucht und war unheimlich verzweifelt, weil sie nicht wusste, wie sie ihr Kind betreuen sollte. Die Tochter einer Bekannten musste ein Jahr in der Schule aussetzen, weil sie Krebs hatte. Das hieß, dass das Kind ständig ins Krankenhaus zur Behandlung musste. Der Mutter stand dafür keine arbeitsfreie Zeit zur Verfügung, so dass sie sich krank schreiben ließ, obwohl sie es nicht war. Verdammt, hätte ich doch zu diesen beiden Frauen schon sagen können: „Das ist echt schlimm, was ihr da durchmacht und wie sehr ihr auf euch allein gestellt seid. Aber hey, seid froh, dass euch keine geilen Litfaßsäulen anbaggern.“

Ich möchte diesen Beitrag mit einem Rat, einem Wunsch abschließen: Politiker und Politikerinnen, kümmert euch bitte um handfeste Probleme, deren Lösung Menschen wirklich hilft. Und liebe Werbetreibende: Versucht´s doch nächstes Mal mit ein bisschen mehr Stil.

5 1 vote
Article Rating
Subscribe
Benachrichtigen Sie mich zu:
1 Kommentar
älteste
neuste beste Bewertung
Inline Feedbacks
View all comments
Dirk Dirot
5 Jahre her

Ich sehe das genau so. Derzeit scheinen die Debatten geführt zu werden, weil sie so einfach lösbar scheinen. Für mich ist Frauenfeindlichkeit eine soziale Debatte, „#metoo“ eine zunehmende Marketingmaschine in der Kulturszene – eine Raumpflegerin steht in ganz anderen Abhängigkeiten als eine selbstbewusste Schauspielerin mit Millionengage.