Vertragsverlängerung für Intendanten: Entscheidung im Aufsichtsrat

Am Freitag entscheidet der Aufsichtsrat der Bühnen Halle über die Zukunft dreier Intendanten. Es ist vor allem auch eine Entscheidung über den künftigen Kurs der Oper.

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Verwaltungsgebäude der Bühnen Halle (TOO) am Universitätsring. (Foto: jr/Archiv)

Halle/StäZ – „Babylon“ heißt die zweite Generation der Opern-Raumbühne, mit der Intendant Florian Lutz und sein Team in dieser Spielzeit in mehreren Etappen das Publikum in die Oper locken. Babylonisch ist indes seit Wochen vor allem das kulturpolitische Durcheinandersprechen und vor allem ‑raunen, das bereits die ganze Spielzeit prägt. Just als die materiellen Sorgen der Bühnen Halle durch den neuen Theatervertrag mit dem Land und der aufgestockten Förderung durch die Stadt halbwegs erledigt zu sein schienen, brach der bis dahin subkutan weitergeschwelte „Hallesche Theaterstreit“ wieder auf (StäZ berichtete). Offene Briefe, halboffene Briefe, Resolutionen von Teilen der Belegschaft: Die Intensität der halböffentlichen Auseinandersetzungen hat in den letzten Tagen noch einmal dramatisch zugenommen. Kulminationspunkt ist nun die Aufsichtsratssitzung der Theater, Oper und Orchester GmbH (TOO), der Trägergesellschaft der Bühnen Halle.[ds_preview]

Christoph Werner, Intendant des Puppentheaters Halle (Foto: Yvonne Most/TOO)

Worum geht es: Drei Intendanten stehen am Freitag ab 14 Uhr zur Disposition. Die Verträge von Christoph Werner (Puppentheater), Matthias Brenner (nt) und Florian Lutz (Oper) laufen zwar erst 2021 aus, doch ist in Intendantenverträgen üblicherweise eine sogenannte Sprechklausel enthalten. Diese soll den Künstlerischen Leitern der Sparten spätestens zwei Jahre vor Ablauf der fünfjährigen Amtszeit, also spätestens im Sommer, Klarheit geben, ob es eine vertragliche Verlängerung gibt. Bleibt das Signal aus, worüber am Freitag für jeden einzelnen der drei Intendanten entschieden werden soll, dann gibt es auch keine Vertragsverlängerung. Der Aufsichtsrat besteht aus Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle), fünf Vertretern des Stadtrats und drei Vertretern der TOO-Belegschaft.

Opernintendant Florian Lutz (Foto: xkn/Archiv)
Matthias Brenner, Intendant des neuen theaters (Foto: xkn/Archiv)

Puppentheaterchef Werner ist unumstritten. Die Bühne brummt wie eh und je, hat eine hervorragende Auslastung und spielt mit in der ersten Puppenbühnenliga. Matthias Brenner wäre eigentlich auch gesetzt: beliebt beim Publikum und beim Ensemble und ebenfalls mit ordentlichen Zahlen ausgestattet. Nach der Gründungsära Peter Sodann hat er die zweite nt-Ära geprägt. Doch Brenner hat sich mit seinem gemeinsamen Vorstoß mit Opernchef Florian Lutz wenig Freunde unter den Entscheidern gemacht. Beide hatten ihren Verbleib in Halle davon abhängig gemacht, dass TOO-Geschäftsführer Rosinski geht. Sie werfen ihm Spaltung und Übergriffe in ihre Arbeit vor. In der kommunalen Kulturpolitik werteten manche den Vorstoß dennoch als Erpressung – bis hinein in die eigentlich Brennertreue Linke. CDU-Aufsichtsrätin Ulrike Wünscher fordert laut Bild-Zeitung gar die sofortige Abberufung der beiden, wozu es nach StäZ-Informationen aber wahrscheinlich nicht kommen wird. Aber ausschließen will vor dem Freitag niemand mehr irgendetwas.

Und dann ist da Opernchef Florian Lutz. Die Oper ist nicht nur das Flaggschiff der Bühnen Halle, sie ist seit Jahren auch das größte Sorgenkind, nicht erst seit dem Antritt Florian Lutz‘. Oper hat es generell schwer im 21. Jahrhundert. Zu komplex, zu verstaubt, zu hohe Zugangshürden, zumindest für die Generationen unter 40. Die Auslastung der Oper ist auch unter Lutz nicht prickelnd, auch wenn die aktuellen Zahlen, die der Städtischen Zeitung vorliegen, die manchmal zu hörende Rede vom dramatischen Einbruch nicht rechtfertigen. 1,14 Millionen Euro spielte die Sparte mit Ballett 2018 ein und liegt damit rund 80.000 Euro über dem zu Jahresbeginn festgelegten Soll. Die Höchstmarke von Intendant Axel Köhler lag seinerzeit bei rund 1,4 Millionen. Das Soll wurde nach Lutz‘ Amtsantritt allerdings nach unten korrigiert.

Mancher sucht trotzdem zuallererst Schuld bei Lutz und seinem neuen Ansatz, der das Opernhaus dem Operngenre selbst, den musikalischen und sängerischen Aspekten, entfremdet habe. Es sind Geschmacks‑, Stil- und Konzeptfragen, die die Operndiskussion seit Monaten prägen und die allzu oft ins Scharz-Weiß-Schema verfallen. Auch 2018/19 ist die Oper wieder Spielstätte für sehr gut besuchte Stücke wie das Musical „Annie“ oder die „Dreigroschenoper“. Einerseits. Beide Stücke sind in unterschiedlichem Maß in Zusammenarbeit mit Brenners nt realisiert worden. Aber es sind eben auch Opernstücke. Andererseits findet auch in dieser Spielzeit wieder ambitionierte Regieoper statt: Die preisgekrönte Raumbühne ging in die zweite Spielzeit. Just am Freitagabend hat „Ariadne auf Naxos“ in einer Inszenierung von Paul-Georg-Dittrich (Jahrgang 1983) Premiere. Im März folgt Part III des ambitionierten und von der Bundeskulturstiftung geförderten Projekts, die Meyerbeer-Oper „L’Africaine“ interkulturell neu zu interpretieren und zu überformen. Ein internationaler Brückenschlag bis nach Afrika und zurück, der aus Halle kommend, eigentlich Grund für breiteste Beachtung und aufmerksame Auseinandersetzung böte. Man darf gespannt sein. Ein Flop beim halleschen Publikum war dagegen die Aufführung des Doppelstücks „Bastien und Bastienne/Eine Florentinische Tragödie“. Das Regiestück von Tobias Kratzer (Jahrgang 1980), einem Shootingstar der jungen Opernregie, der 2019 auch den „Tannhäuser“ in Bayreuth inszeniert, wollten im Schnitt nur 195 Zuschauer sehen. Halle tickt eben doch eigen und nicht immer wie die großen Opernszenen.

Die Raumbühne Heterotopia an der Oper Halle, hier bei einer Aufführung des Fliegenden Holländers, hat den Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ erhalten. (Foto: Falk Wenzel/TOOH)

Andererseits: Beispiele wie all diese sichern der Oper seit 2016, als Lutz übernahm, immer wieder auch überregionale Aufmerksamkeit. Halle wird wahrgenommen. Die Oper vernetzt sich zudem mit anderen halleschen Institutionen wie der Burg. Die Ansprache an das bisherige Publikum in Halle, das geprägt von den Opernprogrammen von Lutz‘ Vorgängern Klaus Froboese und Axel Köhler ist, ist dagegen seltener gelungen. Unterstützer des neuen Kurses, wie die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat Inés Brock, weisen aber auch auf die neuen Zuschauerschichten hin, die nun in die Oper gingen. Und dass das traditionelle Erbe – Händel! – mitnichten zu kurz komme.

Von der Ambivalenz der Meinungen zeugte nicht zuletzt die von Brenner und Lutz initiierte und bei vielen TOO-Entscheidern umstrittene Podiumsdiskussion in der Oper am 21. Januar. OB Bernd Wiegand diskutierte da mit dem Präsidenten des Deutschen Bühnenvereins Ulrich Khuon und Ludwig von Otting, früherer kaufmännischer Leiter des Thalia Theaters Hamburg über die Konstruktions- und Kommunikationsprobleme an der halleschen Bühnen-Gesellschaft TOO. Während das hallesche Publikum sich in der Diskussion sehr gespalten zur neuen halleschen Oper präsentierte, Ablehnung und Begeisterung wechselseitig artikulierte, mahnten die Podiumsgäste Klarheit in der Machtkonstellation an: Wenn die TOO künstlerisch autonome Spartenintendanten vorsehe (was sie tut), müsse sich die kaufmännische Seite auf die rein dienende Rolle zurückziehen. Eine Forderung, die in der halleschen GmbH-Konstruktion jedoch nicht ohne gravierende Änderungen am Grundgerüst möglich sein wird. Der Geschäftsführer Stefan Rosinski hat viel Macht und letztlich die alleinige geschäftliche Prokura und Verantwortung, auch aufgrund der Vorgaben des GmbH-Gesetzes.

Allerdings fällt die nach dem Abend erwartete Diskussion über die Rollenverteilung innerhalb der TOO, also die Stellung der Intendanten zum Geschäftsführer und umgedreht, oder gar über eine organisatorische Neukonstruktion der Bühnen Halle vorerst aus. Zwar hatte Bernd Wiegand noch auf jener Podiumsdiskussion davon gesprochen, erst über die Strukturen und dann über die Personen sprechen zu wollen. Auch eine Verschiebung der Intendantenbeschlüsse bis Sommer stand im Raum. Doch davon ist nun – wohl auch auf Drängen der Intendanten selbst – keine Rede mehr. Nach StäZ-Informationen sollen am Freitag einzig die Personalfragen geklärt werden, damit sie möglichst schnell und vor der Kommunalwahl im Mai vom Tisch sind. Bei Brenner und erst recht bei Lutz wird es, so prophezeien es verschiedene Auguren, knapp.

Bleibt zu hoffen, dass die TOO nach der Sitzung am Freitag nicht ähnlich endet, wie die in der Raumbühne Babylon dargestellte Stadt: als Ruine. Zwingender Grund dazu bestünde eigentlich bei keinem der vorstellbaren Ausgänge. Doch Schadenspotenzial besteht durchaus.

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