„Halle will Kontinuität an den Bühnen“

TOO-Aufsichtsratsmitglied Inés Brock tritt vor der Entscheidung über die Verlängerung dreier Intendantenverträge im StäZ-Interview für die Fortsetzung der Arbeit von Florian Lutz, Matthias Brenner und Christoph Werner ein.

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Inés Brock, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat und Aufsichtsratsmitglied der Bühnen Halle (Foto: privat)

Halle/StäZ – Vor der entscheidenden Sitzung im Aufsichtsrat der Theater, Oper und Orchester GmbH (TOO), der Trägergesellschaft der Bühnen Halle, ist offen, ob die Intendantenverträge mit nt-Intendant Matthias Brenner und Opernintendant Florian Lutz im Sommer verlängert werden. Die Vorentscheidung darüber fällt wohl am Freitag. StäZ-Redakteur Felix Knothe sprach darüber mit Inés Brock, der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat. Brock ist eines von neun Mitgliedern im TOO-Aufsichtsrat.[ds_preview]

Frau Brock, am Freitag wird über die Vertragsverlängerung von drei Intendanten beraten. Christoph Werner vom Puppentheater ist wohl unumstritten, Florian Lutz (Oper) und Matthias Brenner (nt) schon umstrittener, auch wegen interner Querelen. Was ist Ihre Hoffnung, und was ist Ihre Prognose für Freitag?
Inés Brock: Ich finde es natürlich unsäglich, dass viele der Dinge, die wir intern zu besprechen hatten, in der Öffentlichkeit debattiert worden sind. Öffentlich wünsche ich mir eine Diskussion über kulturelle Inhalte, über Rezeptionsformen von Kunst, eine Auseinandersetzung um Modernität und Traditionalität von darstellender Kunst. Aber all das ist leider in den Hintergrund getreten, und ich hoffe sehr, dass wir diese Diskussion in der Stadtgesellschaft wieder führen können.

Nun ist aber am Freitag die Sitzung. Werden die Themen, die Sie ansprechen, da eine Rolle spielen?
Brock: Ich werde jetzt keine Prognosen abgeben. Ich denke, dass jedes Aufsichtsratsmitglied aufgrund seiner Vorinformationen und seiner Haltungen verantwortungsvoll abstimmen wird. Ich würde mir wünschen, dass in dieses Abstimmungsverhalten auch der kulturpolitischer Aspekt Eingang findet, den Ruf unserer Stadt und die Funktion von Kunst und Kultur in unserer „Kulturhauptstadt“ zu unterstützen. Aus meiner Sicht sollten wir die Schmuckstücke, die wir in der TOO in Halle haben, das Puppentheater, das neue theater, die Oper, die Staatskapelle und das Ballett, eher vergolden oder versilbern, als dass wir da jetzt Schaden hinterlassen.

Ich höre heraus, dass Sie mit der Arbeit aller drei Intendanten sehr zufrieden sind.
Brock: Ich bin sehr stolz darauf, dass wir mit dem Puppentheater seit vielen Jahren einen international hervorragenden Ruf haben. Ich bin immer wieder fasziniert, wie Matthias Brenner mit seinem nt-Ensemble ein Theater gestaltet, das modern ist und eingreift in die zeitgenössischen Debatten. Und ich glaube, dass es verfrüht ist, nach der halben dritten Spielzeit, den Mut, den wir seinerzeit hatten, nämlich einen Opernintendanten in die Stadt zu holen, der Schwung und Kontroverse in die Opernrezeption bringt, jetzt angstvoll für erledigt zu erklären. Wir brauchen die öffentliche Auseinandersetzung über diese Arten von Kunst, und wir brauchen sicherlich auch den einen oder anderen Nachsteuerungseffekt, was die Publikumsakzeptanz betrifft. Aber insgesamt würde ich uns allen den Mut wünschen, auf dem Weg, den wir alle gemeinsam eingeschlagen haben, gemeinschaftlich weiterzugehen. 

Die Publikumsakzeptanz ist in der Debatte um die Oper eines der Stichwörter, das immer wieder fällt. Die einen sagen, es gebe dramatische Entwicklungen, die anderen preisen, dass völlig neue Publikumsschichten erschlossen worden sind. Wo sehen Sie denn die besonderen Verdienste der Opernintendanz?
Brock: Ich glaube fest daran, dass die Oper, die oft als verstaubtes Genre wahrgenommen wird, die Aufgabe hat, sich innovativ in gesamtgesellschaftliche Debatten einzumischen und Entwicklungen abzubilden. Welche künstlerischen Mittel man dafür verwendet, darüber kann man durchaus kontroverser Meinung sein. Ich glaube, dass es uns als Stadtgesellschaft guttut, uns genau diesen Dingen zu widmen, statt uns kleinteilig im Konfliktmanagement zu verfangen. Es geht um die Kooperationen zwischen den Sparten und die Planung der anstehenden Spielzeiten und Themenjahre. Darüber sollten wir in dieser Stadt miteinander reden.

Auch wenn dabei ein nicht kleiner Teil des bisherigen Publikums auf der Strecke bleibt?
Brock: Das eine tun, ohne das andere zu lassen: Selbstverständlich ist es wichtig, auch Menschen, die seit Jahren oder Jahrzehnten die Oper als Teil ihres Lebens betrachten, mitzunehmen. Auf der anderen Seite ist es aber auch viel zu einfach zu sagen, alle bisherigen Opernzuschauer wollten das neue nicht. Es gibt natürlich Stimmen, die verstört sind, aber es gibt auch viele Menschen, die vorher noch nie in der Oper waren, und die jetzt sagen, das schauen wir uns an, auch weil die Arbeit von Florian Lutz und seinem Team enorme überregionalen Ausstrahlung und Aufmerksamkeit bekommen hat. Um neues Publikum dauerhaft zu binden, braucht es Zeit, und diese Zeit würde ich gerne der Opernintendanz auch zugestehen. Bei Fehlern muss sie auch nachsteuern können. Man darf auch nicht vergessen: Das Ballett gehört zum Opernbereich und arbeitet sehr erfolgreich, der Kinder- und Jugendchor ist überregional ein Alleinstellungsmerkmal für die Oper. Insofern gibt es viele Dinge, die wir weiterentwickeln können.

Wird der Oper mit der oft harschen Kritik aus Halle also unrecht getan, oder muss sie sich dieser Kritik auch stellen?
Brock: Das tut sie ja permanent. Man kann der Opernleitung jedenfalls nicht vorwerfen, dass sie nicht ständig die Debatte gesucht und über Publikumsgespräche und viele andere Wege in die Stadtgesellschaft hinein kommuniziert hätte. Ich möchte aber den Blick weniger zurückwenden, sondern eher in die Zukunft schauen: Wie kann die begonnene Kooperation mit dem nt ausgebaut werden, wie kann die zukünftige Zusammenarbeit mit der neuen Generalmusikdirektorin Ariane Matiakh, auf die wir uns alle freuen, fruchtbar gemacht werden? Das sind die Dinge, die wir in Zukunft anpacken müssen und wollen. Stattdessen stellen sich Leute wie Herr Silbersack hin, reiten auf den Konflikten herum und fordern eine Mediation. Das ist doch Schnee von gestern. Darüber haben wir schon 2017 ausführlich beraten. Wir brauchen jetzt den Blick in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit.

Die Konflikte sind doch aber nicht aus der Welt.
Brock: Das alles lässt sich aber besser lösen, wenn wir eine Kontinuität haben und eine feste Perspektive für alle Sparten. Halle ruft nicht nach dem Wechsel. Halle ruft nach Kontinuität und Weiterentwicklung.

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siggivonderheide@me.com
5 Jahre her

Tja, Ines, ich wollte ja auch das Florian Lutz weitermacht, um zu lernen was die Aufgaben eines Intendanten auch sind, zum Beispiel die Berücksichtigung der nicht künstlerischen Mitarbeiter*innen in Planung und Terminsetzung genause wie die Verantwortung für ein Publikum das berechtigerweise nicht dauernd mit zeitgemäß-kritischen Dekonstruktionen von Werken unterhalten werden will. Die berühmte Mischung zu erlernen die es interessant macht in die Oper zu gehen.