Verabredung im Gemeinderat: Abwahlverfahren gegen Bürgermeister von Teutschenthal

Die Fraktionschefs sind sich offenbar einig über den in ihren Augen notwendigen Schritt. Der Rathauschef könnte nach dem Beschluss darauf verzichten, die Bürger abstimmen zu lassen.

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Mehr als 800 Unterschriften sind in Teutschenthal bereits für die Abwahl von Bürgermeister Ralf Wunschinski gesammelt worden. (Foto: Jan Möbius)
Mehr als 800 Unterschriften sind in Teutschenthal bereits für die Abwahl von Bürgermeister Ralf Wunschinski gesammelt worden. (Foto: StäZ)

Halle/Teutschenthal/StäZ – Teutschenthal steht vor einer der größten kommunalpolitischen Herausforderungen der vergangenen Jahre: Am 26. Mai wählen die Einwohner der Gemeinde westlich von Halle nicht nur eine neue Kommunalvertretung. Sie werden an diesem Tag wohl auch über die Zukunft von Rathauschef Ralf Wunschinski (CDU) entscheiden. Nach Informationen der Städtischen Zeitung haben sich die Vorsitzenden der vier Fraktionen im Gemeinderat am Dienstag darauf verständigt, ein Abwahlverfahren gegen den Bürgermeister in Gang zu setzen.[ds_preview]

So berichtete die StäZ am 30. Januar 2018.
So berichtete die StäZ am 30. Januar 2018.

Damit reagieren die Gemeinderäte offenbar einerseits auf den wachsenden Druck der Einwohner, die inzwischen von Haus zu Haus Unterschriften für die Abwahl Wunschinskis sammeln und eine Online-Petition im Internet gestartet haben. Anderseits ziehen die Kommunalpolitiker wohl auch die Reißleine wegen der Häufung von dienst- und strafrechtlichen Verfahren, die gegen den Bürgermeister seit Monaten laufen und die nach Ansicht vieler Gemeinderäte die Arbeit in der Verwaltung zum Stillstand gebracht haben. Versuche des Rathausschefs, sich vor diesem Hintergrund gegen das drohende Abwahlverfahren zu stemmen, blieben für ihn offenbar ohne spürbaren Erfolg. Wunschinski hatte am Dienstag nach StäZ-Informationen in einer durch ihn eilig einberufenen Sitzung mit den Fraktionschefs vor deren eigentlicher Zusammenkunft zum Abwahlverfahren ein Schreiben der Kommunalaufsicht mit aus seiner Sicht entlastenden Punkten vorgelegt.

Disziplinarverfahren: Brief aus Merseburg entlastet Bürgermeister nicht

Doch das der Städtischen Zeitung vorliegende Papier hat mit dem vom Saalekreis auf Bitten des Gemeinderates geführten Disziplinarverfahren nichts zu tun. Kreissprecherin Kerstin Küpperbusch bestätigte zwar, dass das Schreiben am 27. Dezember vergangenen Jahres an Wunschinski verschickt wurde. Darin sei es aber lediglich um elf Sachverhalte und Fragen gegangen, über die die Kommunalaufsicht die Verwaltung unterrichten wollte und musste. „Dabei handelte es nicht um disziplinarrelevante Dinge“, so Küpperbusch. Die finden sich jedoch in einem weiteren Schreiben, das am gleichen Tag die Kreisverwaltung in Merseburg verlassen hat. Und das an Wunschinskis Stellvertreterin Teresa Kübler adressiert war. Darin wurden Teutschenthals Hauptamtsleiterin laut Kreissprecherin Küpperbusch 13 weitere Sachverhalte erörtert und entsprechende Fragen auch zu disziplinarrechtlich relevanten Themen gestellt. Die Kommunalaufsicht wolle damit unabhängig vom eigentlichen Disziplinarverfahren die aus ihrer Sicht fraglichen 13 Punkte aufklären. Nicht nur das: Nun sollen auch Fragen der Haftung und des Schadenersatzes geklärt werden.

So läuft ein Abwahlverfahren

Ralf Wunschinski ist als Bürgermeister der Gemeinde Teutschenthal Hauptverwaltungsbeamter auf Zeit und Leiter der Verwaltung. Gewählt ist er für die Dauer von sieben Jahren. Seine Amtsgeschäfte dürfte er nicht führen, wenn gegen ihn Anklage wegen eines Verbrechens erhoben oder er vorläufig seine Amtes enthoben würde.

Ein Hauptverwaltungsbeamter kann von den Bürgern seiner Kommune aber auch vorzeitig abgewählt werden. Zur Einleitung dieses Verfahrens bedarf es eines von mindestens zwei Dritteln der Gemeinderatsmitglieder gestellten Antrages und eines mit einer Mehrheit von drei Vierteln ihrer Stimmen zu fassenden Beschlusses. Der Beschluss darf aber erst frühestens drei Tage nach Antragstellung gefasst werden.

Das letzte Wort haben dann die Einwohner. Sie müssen per Stimmzettel über die Abwahl entscheiden. Den für viele sicherlich unangenehmen Gang zur Urne könnte der Hauptverwaltungs-beamte, sprich Wunschinski, seinen Bürgern ersparen. Denn er gilt auch als abgewählt, wenn er innerhalb einer Woche nach dem Beschluss des Gemeinderats, das Abwahlverfahren einzuleiten, auf die Durchführung verzichtet. Das müsste er dann schriftlich gegenüber dem Rats-Vorsitzenden erklären. (jam)

Bürgermeister Ralf Wunschinski (Foto: Schellhorn)
Bürgermeister Ralf Wunschinski (Foto: Schellhorn)

Im Zuge der Planungen zu einem Kita-Neubau in Teutschenthals Ortsteil Angersdorf war gegen Rathauschef Wunschinski der Verdacht der Untreue aufgekommen. Der ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete soll als Bürgermeister Zahlungen an ein Planungsbüro angewiesen haben, für die es im Haushalt der Gemeinde kein Geld gab. Zudem hatte er die Planungen vorangetrieben, ohne dafür vom Gemeinderat einen Auftrag gehabt zu haben. Der hatte Wunschinski lediglich erlaubt, ein passendes Grundstück zu finden. Den düpierten Räten legte der Bürgermeister aber fertige Pläne vor, die von Experten als so ausgereift eingestuft wurden, dass sie durchaus einem Bauantrag hätten beigefügt werden können. Wegen des im Raum stehenden Schadens für die Gemeinde von rund 200.000 Euro hatte der Gemeinderat ein Disziplinarverfahren eingeleitet und Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft in Halle erstattet. Die hatte jüngst das Landeskriminalamt mit der Beschaffung nötiger Akten und Informationen beauftragt, wie Behördenchefin Heike Geyer der StäZ sagte.

Nach unangenehmen Fragen an Innenminister wird Kommunalaufsicht aktiv

Unterdessen wird auch die vom Teutschenthaler Gemeinderat scharf kritisierte Kommunalaufsicht des Saalekreises in Merseburg aktiv. Die Behörde musste sich unter anderem von Ratschef Günther Scholz unterschwellig vorwerfen lassen, im CDU-geführten Saalekreis Ermittlungen im Disziplinarverfahren gegen Wunschinski auf höhere Weisung hin verschleppt zu haben. Doch nur wenige Tage nach einer Anfrage der Städtischen Zeitung zu einer möglichen Einflussnahme durch den CDU-Landesvorsitzenden und Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht, der nicht nur oberster Chef der Kommunalaufsicht ist, sondern auch als Freund Wunschinskis gilt, reagierte die Merseburger Behörde prompt. Nach StäZ-Informationen wurde am Dienstag die Personalakte von Ralf Wunschinski angefordert. Zudem will die Kommunalaufsicht Einsicht in ein Schreiben nehmen, mit dem der Bürgermeister aktiv die fristlose Kündigung einer Kita-Leiterin verhindert haben soll, der monatelanger Arbeitszeitbetrug vorgeworfen wird. Wunschinski soll seine Stellvertreterin schriftlich angewiesen haben, die Kündigung nicht auszusprechen. Gemeinderäte in Teutschenthal deuten die Anforderung der Personalakte im Sinne einer bevorstehenden Suspendierung Wunschinsksi im Zuge des Disziplinarverfahrens. Ob die Kommunalaufsicht tatsächlich derartiges plant, blieb zunächst offen.

Innenausschuss befasst sich mit Kita-Leiterin und Bürgermeister

Die nach der StäZ-Berichterstattung der vergangenen Wochen von vielen in Teutschenthal aufgeworfene Frage nach einer möglichen Einflussnahme durch das Innenministerium auf die Ermittlungen im Fall Wunschinski hat auch dazu geführt, das der Fall auf der politischen Landesebene mit Interesse verfolgt wird. Am Donnerstag muss sich erstmals auch der Innenausschuss des Landtages mit den Sachverhalten befassen. Eltern aus Kindergärten der Gemeinde haben sich schriftlich über die Vorgänge in den Einrichtungen und über die offenen Fragen zur unter Betrugsverdacht stehenden Kita-Leiterin beschwert. Landtagssprecherin Ursula Lüdkemeier bestätigte gegenüber der StäZ den Eingang des Schreibens und die Thematisierung im Ausschuss. Dort müsse aber erst über die eigentliche Zuständigkeit gesprochen werden.

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