Nach fünf Monaten: Matiakh-Abschied stürzt Staatskapelle ins Führungschaos

Die Bühnen Halle geben die Vertragsauflösung mit der Generalmusikdirektorin bekannt. In zwei dürren Sätzen.

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Ein Bild aus besseren Tagen. Bei der Vorstellung der neuen GMD Ariane Matiakh (2.v.l.) im September 2018 sind Oberbürgermeister Bernd Wiegand (l.), TOO-Geschäftsführer Stefan Rosinski (2.v.r.) und Orchestervorstand Fabian Borggrefe (r.) voller Lob und Vorfreude. (Foto: xkn/Archiv)

Halle/StäZ – Seit Tagen pfiffen es die Spatzen schon von den Dächern, aber es waren bisher nur unbestätigte Spekulationen, eigentlich für faktenbasiert arbeitende Medien zu dünn, um etwas zu veröffentlichen. Am Dienstag folgte sie nun, die Bestätigung in zwei ebenfalls dürren Sätzen aus der Theater Oper und Orchester GmbH (TOO): „Die Theater, Oper und Orchester GmbH Halle und Frau Ariane Matiakh sind übereingekommen, den Dienstvertrag der Generalmusikdirektorin der Staatskapelle Halle zum 31.01.2020 auf Wunsch von Frau Matiakh einvernehmlich aufzuheben“, lautet der erste Satz. Die bei ihrer Nominierung im September 2018 und noch einmal bei ihrem Amtsantritt im September 2019 gefeierte und bei ihren wenigen Auftritten in Halle vom Publikum frenetisch bejubelte Orchesterchefin wirft hin. Nach der erst jüngst verkündeten Neubesetzung der Opernintendanz tut sich damit abrupt die nächste Großbaustelle für Geschäftsführung und Aufsichtsrat der Bühnen Halle auf. [ds_preview]

Am Ende war es offenkundig nicht gelungen, die tiefen Risse, die seit Matiakhs Antritt in ihrem Verhältnis vor allem zur Opernsparte existiert haben, zu kitten. Matiakh hatte sich zu standhaft geweigert, in Halle Opern zu dirigieren, obwohl das ausdrücklich zu ihren vertraglich vereinbarten Tätigkeiten gehört hätte. Die Chemie zwischen ihr und Opernintendant Florian Lutz soll nicht gestimmt haben. Matiakh hatte sich zudem im Dauerstreit rund um die Oper zu einer wohl zu eindeutigen Parteinahme hinreißen lassen – kontra Lutz. Der diesbezügliche Brief, den sie dem Aufsichtsrat geschrieben hatte, war öffentlich geworden. Dass allerdings aus den fünf Vertragsjahren nur fünf Vertragsmonate wurden, lässt sich durch dieses Zerwürfnis allein nicht erklären. Lutz ist in Halle auf dem Abspung. Matiakh hätte ihn um mindestens drei Jahre überdauern können.

So kursiert im Aufsichtsrat eben auch die Lesart, dass Matiakh das Kapitel Halle lediglich als Sprungbrett für höhere Ambitionen genutzt habe. Halle als reines Karrierekatapult? Möglich auch, dass die komplizierte Konstruktion der TOO mit ihren verschränkten Kompetenzen und Zuständigkeiten für eine aufstrebende internationale Dirigentin am Ende vor allem Zumutung als Entfaltungsraum war. Halle als Schleudersitz?

Matiakh selbst trat am Abend Spekulationen über mangelnde Präsenz entgegen. Auf ihrer Facebook-Seite erklärte sie, dass weder dieses Thema noch ihre anderen internationalen Engagements Grund für die Vertragsauflösung gewesen seien. Vielsagend unangesprochen bleibt in dem Statement dabei das Thema Oper. Ebenso wie im zweiten Satz der offiziellen TOO-Verlautbarung: „Frau Matiakh wird dennoch dem Hallenser Publikum erhalten bleiben, da sie alle mit ihr als Dirigentin angekündigten und geplanten Sinfoniekonzerte in der laufenden und kommenden Spielzeit dirigieren wird“, heißt es dort. Matiakh wird als Dirigentin also noch anderthalb Jahre lang in Halle ein und aus gehen. Als Generalmusikdirektorin nicht mehr.

Die Staatskapelle, die sich nach Abschluss der Theaterverträge mit dem Land gerade systemisch konsolidiert hatte und mit Matiakh künstlerisch vorankommen wollte, trifft die Demission an einer empfindlichen Stelle und stürzt sie bis auf weiteres ins Führungschaos. Die Vakanz auf dem GMD-Posten wird nun in den nächsten Monaten die hallesche Kulturpolitik mitbestimmen. Die TOO wird eine neue Ausschreibung vorbereiten, eine Findungskommission gründen und noch genauer darauf achten müssen, wie sich die Besetzung des Postens ins TOO-Gefüge einpassen lässt. Vor 2021 dürfte der nicht besetzt werden. Denn was passierte, wenn es vorher eine oder einen neuen GMD gäbe, Matiakh aber noch, wie angekündigt, bis 2021 in Halle weiterdirigierte, wäre der nächste Stoff für spannungsgeladenes hallesches Musiktheater. Aber auch für die Bühnen Halle als Gesamtheit ist die Causa Matiakh ein Ansehensverlust. Von einer im Vorjahr diskutierten Restrukturierung der TOO ist zudem schon lange keine Rede mehr. An zu vielen Stellen, vor allem aber im Rathaus, fehlt dazu die Inspiration. Hinzu kommt, dass auch die Zukunft von Geschäftsführer Stefan Rosinski offen ist. Über seine Vertragsverlängerung muss bis Sommer entschieden werden. Das hallesche Metatheater geht also in die nächste Runde.

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siggivonderheide@me.com
4 Jahre her

Die musikalische Arbeit wurde doch auch im letzten halben Jahr von anderen Dirigenten gemacht. Warum fragt man nicht mal direkt und ohne Umwege in der Nähe anstatt in Panik zu verfallen…