Die PopArt, die aus dem Osten kam

Die Zeitkunstgalerie präsentiert unter dem Titel „Farbencircus“ in einer Gemeinschaftsausstellung auch Neues von Wasja Götze und Hans Ticha

0
Eröffnung der Ausstellung in der Zeitkunstgalerie: Wasja Götze und Hans Ticha (v. l.), Jutta Wittenbecher (m.), und Moritz Götze fotographiert. (Foto: privat)

Halle/StäZ – „Die ganze Welt kennt Klaus Mann, den Sohn von Thomas Mann. Wer ist übrigens Thomas Mann?“ – so lästerte Bert Brecht einst gegen den ihm herzlich unsympathischen deutschen Großdichter. Wörtlich genommen stimmte das damals natürlich nicht. Leicht abgewandelt kommt einem da in den Sinn: Alle Welt kennt Moritz Götze, den Sohn von Wasja Götze. Wer übrigens ist Wasja Götze?[ds_preview]

Wasja Götze, „Jede schwarze Wolke fängt mal grau an“ (Die Schande von Schwaan), Jan/April 2017, 80 x 100 cm. (Foto: Wittenbecher)

Auch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Zumindest in Halle kennt man beide Maler Götze. Rüdiger Giebler, der Künstler beziehungsweise Kunstexperte, der schon bei vielen Ausstellungseröffnungen das, was man an den Galeriewänden sieht, mit Schwung auf den Pointenpunkt brachte, beschrieb den Vater Wasja in dem Katalog zur großen Ausstellung zum 50. Geburtstag seines Sohnes Moritz als einen der wenigen Popart-Maler Ostdeutschlands. Er nannte ihn „eine echte Rarität, erfüllt von sächsischem Patriotismus und durchdrungen von der Missachtung des Bestehenden.“ Im Osten war er „der personifizierte Querulant, immer hart an der Grenze zwischen Subversion und Selbstzerstörung.“ Freilich spricht Giebler auch vom nachwirkenden Schaden, den das Ausstellungsverbot, das sich Götze kurz nach seinem Start ins freiberufliche Malerleben 1968 einfing und das sich bis 1989 hielt. Von den selbstbewusst erstrittenen Lockerungen in Sachen Vielfalt der bildenden Künste in den letzten DDR-Jahren profitierte der Hallenser kaum.

Dass er – wie auch Hans Ticha – ab Mitte der 1970er Jahre zu dem international wahrgenommenen Image der bildenden Kunst aus der DDR beitrug, wie es Bernd Lindner in seinem äußerst anregenden Überblick der Bildenden Kunst in der DDR unter dem Titel „Nähe und Distanz“ (Hrsg: Landeszentrale für politische Bildung Thüringen) schrieb, war dann doch mehr die Perspektive der Fachleute und intimen Kenner.

Hans Ticha, „Clown mit Papagei“, Öl auf Leinwand, 1985, 80 x 62 cm. (Foto: Wittenbecher)

Die Hallenser Galeristin Jutta Wittenbecher hat jetzt (wie sie sagt als ein Geburtstagsgeschenk an sich selbst) in ihrer Zeitkunstgalerie Wasja Götze und Hans Ticha zusammengebracht. Persönlich begegnet waren die beiden sich tatsächlich erst vor kurzem in Leipzig aus Anlass der Ausstellungseröffnung „Point of no return“.

Ticha ist 1940 in Tetschen-Bodenbach, heute Děčín (Tschechien), geboren, studierte nach einigen Umwegen an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee u.a. bei Arno Mohr, Klaus Wittkugel und Werner Klemke, lebte ab 1970 als freiberuflicher Maler und Grafiker in Ostberlin, von 1990–93 in Mainz und seit 1993 in Maintal.

Götze ist 1941 in Altmügeln bei Oschatz geboren, hat an der Burg in Halle in der Fachrichtung Innenarchitektur und Gebrauchsgrafik u.a. bei Lothar Zitzmann und Walter Funkat studiert und blieb von da an der Saalestadt immer verbunden. Er arbeitete von 1970–76 als Bühnen- und Kostümbildner für die Volksbühne in Berlin und das Landestheater in Halle. Die Parteinahme gegen die Biermann-Ausbürgerung erschwerte die öffentliche Wahrnehmung des Malers. Auch sonst geriet er immer wieder in offenen Konflikt mit der Staatsmacht. Mit Phantasie, vor allem aber mit einer ganzen Portion Courage wurde er ein lebensbejahender Protagonist der Gegenkultur in Halle.

Wasja Götze, „Giebichenstein & Kröllwitz“, Öl auf Leinwand, März ’13 – Feb ‘ 14, 100 x 70 cm. ( Wasja Götze
„Giebichenstein & Kröllwitz„
Öl auf Leinwand
März ’13 – Feb ‘ 14
100 x 70 cm
(Foto: Wittenbecher)

Erst in den letzten Jahren wird er seiner Bedeutung als Maler entsprechend wahrgenommen. Mittlerweile ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Wasja Götze mit Schlüsselwerken in der nur noch bis zum 3. November 2019 laufenden Ausstellung zu „Wende und Umbruch in der Ostdeutschen Kunst“ im Bildermuseum in Leipzig vertreten ist. Ebenso, dass er zu den exemplarischen „Gegenstimmen“ gehörte, die im Berliner Gropiusbau vor drei Jahren viele von denen in einer Ausstellung zusammenführte, die ihre Malerei nicht nur sich selbst, sondern vor allem widrigen Verhältnissen abgerungen haben.

Aber die Sammler und der wache Blick von Kuratoren allein reichen eben auch nicht. Als Akteure des Marktes müssen Galeristen mit Instinkt hinzukommen und Einsatz für die Künstler zeigen. Jutta Wittenbecher und ihre Zeitkunstgalerie gehören zu denen, die dafür sorgen, dass Kunst auch ihren Preis bekommt. Nicht als Lorbeer und Anerkennung, sondern ganz schnöde: als Eurobetrag auf dem Schildchen. Sich offensiv den Mechanismen des Kunstmarktes zu stellen, das stand bei Wasja Götze nie ganz oben auf der Prioritätenliste. Da steht: Kunst machen, Bilder malen.

Hans Ticha, „Friseur“, Farblithografie von 3 Steinen, 1969, 40 x 30,5 cm. (Foto: Wittenbcher)

Als das Literaturhaus Halle noch die Kunsthalle der Sparkasse war, gab es dort 2016 eine große Wasja-Götze-Ausstellung. Der Hallenser Hasenverlag machte dazu einen Katalog. Und selbst alteingesessene Hallenser staunten über die Vielfalt der gezeigten Bilder. In ihrer lebendigen Farbigkeit suggerieren sie eine Unbekümmertheit, die die Bedingungen unter denen sie entstanden, nie hatten.

Die aktuelle Verkaufsausstellung bietet vor allem neu entstandene Werke mit Titeln wie „Ach könnte das schön sein…“, „Wie weit noch?“ oder „Die Schande von Schwaan“. Bei Götze wird jedes Bild zu einem opulenten Feuerwerk von Anspielungen und assoziativen Wegweisern. Bei Ticha geht’s in die andere Richtung – er bringt seine Bilder auf den Punkt einer Figur oder eines Konstruktes. Beide lohnen einen Besuch. Mindestens.

Wasja Götze/Hans Ticha: „Farbencircus“, Zeitkunstgalerie Halle, Kleine Marktstr. 4, noch bis 28.11.2019; Öffnungszeiten:  Di-Fr 11–13.30 und 14–18.30, Sa 11–15 Uhr

[bws_pdfprint display=„pdf,print“]
0 0 votes
Article Rating
Subscribe
Benachrichtigen Sie mich zu:
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments