Briefdienstauftrag zur OB-Wahl: Billig statt zuverlässig?

Die Auftragsvergabe an den Briefdienst für die OB-Wahl war umstritten. Nun werden erste Probleme bekannt.

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In diesem jahr werden die Wahlbenachrichtigungen zur OB-Wahl das erste Mal mit dem MZZ-briefdienst verschickt. (Foto: xkn)

Halle/StäZ – Wenn in Halle OB-Wahl ist, dann werden stets zehntausende Briefe verschickt. Allein 191.000 Wahlbenachrichtigungen mussten in diesem Jahr an die Wahlberechtigten zugestellt werden. Zwischen 20.000 und 30.000 Briefwahlunterlagen kommen dazu, pro Wahlgang. Den öffentlichen Auftrag dazu hat sich nach StäZ-Informationen in diesem Jahr erstmals komplett der MZZ-Briefdienst gesichert. Doch der Zuschlag der Stadt war nicht unumstritten. Das Briefunternehmen, das zur Mediengruppe der Mitteldeutschen Zeitung gehört, hat nicht den besten Ruf, was die Zuverlässigkeit angeht. Der Stadtrat opponierte deshalb auch zunächst gegen die Vergabe des Auftrags, doch am Ende waren ihm die Hände gebunden. Denn im Vergaberecht bestimmt allein der Preis. Ob der Zuschlag Auswirkungen auf die Wahl hat, etwa, weil in Größenordnungen Wahlbenachrichtigungen oder Briefwahlunterlagen nicht zugestellt wurden, ist bisher ungewiss. Belastbare Zahlen fehlen noch. Die Stadt weist darauf hin, dass Wähler auch wählen können, wenn sie die Wahlbenachrichtigungen nicht erhalten haben.[ds_preview]

Ein Beispielfall aus Halle-Tornau zeigt indes, wie anfällig vor allem der Briefwahlprozess für Unzuverlässigkeiten sein kann. StäZ-Leser Sascha Paulick konnte nach eigener Aussage im ersten Wahlgang der OB-Wahl nicht wählen, weil seine Briefwahlunterlagen nicht bei ihm angekommen waren, wie er der StäZ berichtet. „Ich mache immer, wenn Wahlen sind, Briefwahl, weil ich beruflich viel unterwegs bin“, so Paulick. „Wahlen sind aber für mich wichtig, weil ich mitbestimmen will.“ Er habe gleich nach Erhalt seiner Wahlbenachrichtigung online den Briefwahlantrag ausgefüllt, die Bestätigung auf dem Bildschirm erhalten und dann auf seinen Brief mit dem Stimmzettel gewartet. Bis zum Wahltag selbst ist der aber bei ihm nicht angekommen. Als seine Frau am Wahlsonntag im Wahllokal in Tornau nachhakte, sagte ihr eine Wahlhelferin, dass ihr Mann als Briefwähler im Wählerregister eingetragen sei und er die Wahlunterlagen hätte bekommen müssen, berichtet Paulick. „Dort hat man meiner Frau auch gesagt, dass das gleiche wie mir auch mehreren anderen Wählern passiert ist und dass das möglicherweise am neuen Briefdienst liegt.“ Eine ähnliche Auskunft erhält Paulick – gepaart mit großem Bedauern –, als er nach der Wahl im Briefwahlbüro der Stadt anruft und seinem Ärger Luft machte. „Ich fühle mich um mein Wahlrecht betrogen“, so Paulick. „Für mein Rechtsverständnis ist die Wahl ungültig, wenn nicht nur ich, sondern viele Wähler das Problem hatten.“ Bisher habe die Briefwahl immer geklappt. „Und es wird ja auch dafür geworben. Die Möglichkeit, Briefwahl zu machen, ist für mich ideal. Aber es muss halt auch klappen“, so Paulick.

Den umstrittenen Zuschlag an den MZZ-Briefdienst hat der Vergabeausschuss des Stadtrats erteilt. Allerdings musste sich das Gremium zweimal mit dem Thema befassen. Auf der ersten Sitzung am 15. August kamen auch den Stadträten Bedenken, ob man einen so wichtigen, für den Ablauf einer Wahl entscheidenden Auftrag ausschließlich an den günstigsten Bewerber vergeben sollte. Auch die ohnehion schon enge Geschäftsbeziehung zwischen der Stadt und der Mediengruppe der MZ, deren Kerngeschäft eigentlich die Herausgabe einer unabhängigen Regionalzeitung ist, bereitete einigen Stadträten Kopfschmerzen. Die MZ-Mediengruppe druckt und verteilt für die Stadt bereits seit Jahren das Amtsblatt und verteilt seit 2017 auch die behördliche Post der Stadtverwaltung.

Für die OB-Wahl hatte der MZZ-Briefdienst der Stadt ein Angebot von knapp 72.000 Euro unterbreitet, die Deutsche Post lag mit 92.000 Euro um 28,5 Prozent darüber. Geforderte Leistung war die Zustellung von 193.000 Wahlbenachrichtigungen und rund 30.000 Briefwahlunterlagen. Die Preise entsprechen einem Briefporto von 29,7 Cent (MZZ) beziehungsweise 47,6 Cent (Deutsche Post). Beide Angebote hätten locker in das im Stadthaushalt zur Verfügung stehende Budget von 157.000 Euro gepasst.

Mehrere Räte führten nach StäZ-Recherchen in der Sitzung Zweifel an der Zuverlässigkeit des MZZ-Briefdienstes an, das Thema wurde daraufhin vertagt. Man traf sich zwei Wochen später erneut, am 28. August, eine halbe Stunde vor der Stadtratssitzung. Auf dieser Sitzung präsentierte die Beigeordnete Judith Marquardt nun Zahlen, wonach die Stadt zwischen 2017 bis 2019 1,5 Millionen Sendungen mit dem MZZ-Briefdienst verschickt habe. In dieser Zeit sei es zu 271 gemeldeten Zustellproblemen gekommen, von denen 211 als berechtigt anzusehen seien. „Das entspricht einer Reklamationsquote von weniger als 1%.“ Eine zu geringfügige Menge, so der Tenor, um vom Prinzip „Der Billigste bekommt den Zuschlag“ abweichen zu können. Der Vergabeausschuss stimmte also der Vergabe an MZZ zu, unter Murren, wie Teilnehmer der Sitzung der StäZ berichteten. Die Mitglieder sind bei ihrer Abstimmung an die Vergabegesetze gebunden.

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U. Geiß
4 Jahre her

Interessant, um wie viel günstiger der lokale Briefdienst die Leistung erbringen kann. Die nicht beantwortete Frage nach der Kostendeckung ist mehr als berechtigt.

TNi
4 Jahre her

Ich mag kaum glauben, dass es bislang erst so wenige Beschwerden gab! Immerhin gab es zuletzt im Rahmen der Platzvergabe für die Weiterführenden Schulen dermassen Probleme, dass der Versand mit MZZ Thema im Bildungsausschuss (?) war. Sollte in den Protokollen zu den letzten Sitzungen vor der Sommerpause zu finden sein.
Ich hätte gedacht, dass die Stadt spätestens da die Unzuverlässigkeit eingesehen hätte.

J. GL
4 Jahre her

Unglaublich, dass so etwas sein kann. Meine Unterlagen für die Stichwahl waren auf den 17.10. datiert und laut Umschlag von der MZZ am 18.10. abgestempelt. Am 22.10. abends lagen die Unterlagen bei uns im Briefkasten. Abgabenfrist für die Briefwahl ist aber bereits der 24.10.. Da stellt sich berechtigterweise die Frage, ob die Wahl damit manipulierbar ist. Es darf einfach nicht sein, dass die Billigheimer von der MZZ den Wahlausgang beeinflussen können durch ihre Unzuverlässigkeit. Wer Fristsachen sehenden Auges mit der MZZ verschickt, handelt zumindest grob fahrlässig. Und es müsste anhand dieses Beispiels mal an der Zeit sein, die Vergaberichtlinien hinsichtlich… mehr lesen »