Briefdienstauftrag zur OB-Wahl: Billig statt zuverlässig?

Die Auftragsvergabe an den Briefdienst für die OB-Wahl war umstritten. Nun werden erste Probleme bekannt.

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Ein Fahrzeug des MZZ-Briefdienstes in Halle. (Foto: xkn)

Eine solide Datenbasis für die gefühlte Unzuverlässigkeit des Briefdienstes gibt es nicht. Zwar kursieren im Netz auf diversen Bewertungsportalen einschlägig negative Bewertungen. Von ausbleibenden Sendungen und sehr langen Laufzeiten ist da die Rede. Nach StäZ-Informationen ist auch die in vielen Fällen fehlerhafte Zustellung des Amtsblattes, die ebenfalls vom MZZ-Briefdienst übernommen wird, und eigentlich alle Haushalte erreichen soll, Dauerthema im Rathaus. Bürgerbeschwerden gibt es immer wieder. Ärzte, die beispielsweise bei der Zustellung von Rechnungen an Privatpatienten auf den MZZ-Briefdienst zurückgreifen, müssen manches Mal mahnen, ohne dass Patienten die Originalpost überhaupt erhalten haben. Und auch beim Finanzamt Halle gibt es Fälle, in denen per MZZ-Briefdienst versandte Steuerbescheide ihre Adressaten nicht erreicht haben.

Der Fall eines anderen StäZ-Lesers, der anonym bleiben möchte: Wie der Mann schildert, hatte er seine Steuererklärung online über den Elster-Dienst der Finanzämter abgewickelt. Dort hatte er auch eine Online-Nachricht über seinen Steuerbescheid erhalten und erwartete nun noch das entsprechende Schriftstück, denn nur der Papierbescheid des Finanzamts ist rechtsgültig. Als aber kein MZZ-Brief dazu in seinem Briefkasten landete, hakte er nach. Seine Einspruchsfrist drohte zu verstreichen, ohne dass er einen Bescheid bekommen hatte. Der Weg in so einem Fall ist bürokratisch und kompliziert, und das nur wegen eines nicht zugestellten Briefes. Der Steuerbürger muss in so einem Fall einen „Antrag auf Nichtigkeitserklärung“ des Steuerbescheides stellen. Nur so können die Einspruchsfristen zurückgesetzt werden. Das Finanzamt stellt dann einen neuen Bescheid aus, der hoffentlich zugestellt wird. Eine Beschwerde des Mannes beim MZZ-Briefdienst verlief im Sande. Die verlorene Sendung konnte nicht mehr ausfindig gemacht werden.

So gibt es eine Vielzahl von Einzelfällen. Allein: Die Schwelle zu einem offiziellen Ärgernis scheinen diese Fälle nicht zu überwinden. Die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde für die Briefdienste teilte auf StäZ-Anfrage mit, bei ihr habe es im laufenden Jahr lediglich zwei Beschwerden gegeben, 2018 sei es sogar nur eine gewesen. „Aufgrund der geringen Anzahl gab es keinen Anlass für behördliche Maßnahmen gegenüber dem MZZ-Briefdienst“, so die Behörde.

Die Stadt argumentierte im Vergabeausschuss, wie oben berichtet, mit der Unter-1-Prozent-Fehlerquote. Das Finanzministerium in Madgeburg antwortet auf eine StäZ-Anfrage zur Situation beim Finanzamt Halle, dass es lediglich vereinzelte Fälle mit Problemen bei der Postzustellung gebe. Demzufolge gebe es keine statistische Erfassung von Beschwerden der Steuerbürger. „Die bisher reklamierten Fälle geben keinen Anlass dazu, an der vertraglich vereinbarten Erfüllungsquote von 98 Prozent zu zweifeln“, so Ministeriumssprecherin Rotraud Schulze.

Rechnet man das hypothetische eine Prozent Fehlerquote, das die Stadt als lässlich erachtet, in tatsächliche Briefsendungen um, so würden bei der OB-Wahl in Halle – bei 191.000 Wahlberechtigten und rund 26.000 Briefwählern (Zahl der Kommunalwahl vom Mai 2019; ohne Stichwahl) – potenziell 2.170 Briefe verloren gehen oder zu spät zugestellt, ohne dass die Stadt an der Zuverlässigkeit des Briefdienstes zweifeln würde. Legte man die Zwei-Prozent-Marke des Finanzamts zugrunde, wären es sogar 4.340.

Stadtwahlleiter Egbert Geier wollte auf StäZ-Anfrage keine Bewertung dazu abgeben, ob der Zuschlag für den MZZ-Briefdienst Auswirkungen auf den ordnungsgemäßen Ablauf der OB-Wahl hat. Er verwies auf die gesetzlichen Vergaberegeln, wonach das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag habe bekommen müssen. „Sollten Wahlberechtigte im Einzelfall keine Wahlbenachrichtigungskarte erhalten haben, können sich diese an das Wahlamt wenden“, so Geier. „Das Wahlrecht ist dadurch nicht beeinträchtigt und kann auch ohne Wahlbenachrichtigungskarte ausgeübt werden. Für die Ausübung des Wahlrechts ist die Eintragung in das Wählerverzeichnis maßgeblich. Der Wahlberechtigte kann deshalb auch ohne Vorlage der Wahlbenachrichtigungskarte sein Stimmrecht im Wege der Briefwahl oder aber im Wahllokal ausüben, wenn er sich persönlich ausweist.“

Der MZZ-Briefdienst betonte auf eine StäZ-Anfrage hin seine Zuverlässigkeit. „Durch unsere Mitarbeiter werden täglich über 175.000 Brief- und Paketsendungen in sehr hoher Qualität verarbeitet und über uns sowie unser nationales Partnernetzwerk zugestellt“, so MZZ-Geschäftsführer Lars Preuß. „Wir können nicht ausschließen, dass es während des Produktionsablaufes in Einzelfällen zu einer Laufzeitverzögerung einer Briefsendung kommen kann. Für diesen Fall stehen unsere Mitarbeiter im Kundenservice sowie im Qualitätsmanagement-Bereich unseren Kunden gern als Ansprechpartner zur Verfügung.“ Welche Qualitäts- und Zuverlässigkeitszusagen der MZZ-Briefdienst konkret bei der Zustellung der Wahlbenachrichtigungen zur OB-Wahl gemacht hat, ließ Preuß offen. Auch die StäZ-Frage, ob das MZZ-Angebot kostendeckend sei, beantwortete Preuß nicht.

Letzter Zustelltermin für die Wahlbenachrichtigungen war übrigens der 22. September. Nach Zählung der Stadt kurz vor dem ersten OB-Wahlgang waren bis zum 1. Oktober insgesamt 30 Reklamationen mit Bezug zur Zustellung der Wahlbenachrichtigung oder der Briefwahl eingegangen. Ob es eine erhöhte Diskrepanz zwischen beantragten Briefwahlunterlagen und tatsächlichen Briefwählern gibt, ob sich durch die Beauftragung des MZZ-Briefdienstes also die Rücklaufquote bei Briefwählern verringert hat – was ein Indiz für gestiegene Unzuverlässigkeit wäre – ist bislang offen. Eine nach dem ersten Wahlgang hierzu am späten Montagabend gestellte zusätzliche Anfrage der StäZ will die Stadt noch „schnellstmöglich“ beantworten.

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U. Geiß
4 Jahre her

Interessant, um wie viel günstiger der lokale Briefdienst die Leistung erbringen kann. Die nicht beantwortete Frage nach der Kostendeckung ist mehr als berechtigt.

TNi
4 Jahre her

Ich mag kaum glauben, dass es bislang erst so wenige Beschwerden gab! Immerhin gab es zuletzt im Rahmen der Platzvergabe für die Weiterführenden Schulen dermassen Probleme, dass der Versand mit MZZ Thema im Bildungsausschuss (?) war. Sollte in den Protokollen zu den letzten Sitzungen vor der Sommerpause zu finden sein.
Ich hätte gedacht, dass die Stadt spätestens da die Unzuverlässigkeit eingesehen hätte.

J. GL
4 Jahre her

Unglaublich, dass so etwas sein kann. Meine Unterlagen für die Stichwahl waren auf den 17.10. datiert und laut Umschlag von der MZZ am 18.10. abgestempelt. Am 22.10. abends lagen die Unterlagen bei uns im Briefkasten. Abgabenfrist für die Briefwahl ist aber bereits der 24.10.. Da stellt sich berechtigterweise die Frage, ob die Wahl damit manipulierbar ist. Es darf einfach nicht sein, dass die Billigheimer von der MZZ den Wahlausgang beeinflussen können durch ihre Unzuverlässigkeit. Wer Fristsachen sehenden Auges mit der MZZ verschickt, handelt zumindest grob fahrlässig. Und es müsste anhand dieses Beispiels mal an der Zeit sein, die Vergaberichtlinien hinsichtlich… mehr lesen »