Kraftwerksbauschutt darf schwach strahlen

GTS und Landesrgierung schweigen zu den Plänen, möglicherweise sehr schwach strahlendes Material in Teutschenthal unter Tage zu lagern. Zwischenzeitlich machte sogar schon die vermeintliche Nachricht von einem potenziellen Atommüll-Endlager die Runde.

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GTS in Teutschenthal bereitet schon jetzt eine ganze Reihe von Stoffen für den unterirdischen Versatz auf. Ob bald auch Bauschutt aus Atomkraftwerken dazugehört, dazu schweigt das Unternehmen. (Foto: Jan Möbius)
GTS in Teutschenthal bereitet schon jetzt eine ganze Reihe von Stoffen für den unterirdischen Versatz auf. Ob bald auch Bauschutt aus Atomkraftwerken dazugehört, dazu schweigt das Unternehmen. (Foto: Jan Möbius)

Halle/StäZ – Die Grubensicherungsgesellschaft GTS aus Teutschenthal hat sich als einziges von 22 Versatzbergwerken in Deutschland beim Bundesumweltministerium (BMU) dafür eingesetzt, mit Bauschutt aus dem Abriss von Atomkraftwerken Hohlräume unter Tage verfüllen zu können. Das geht aus einer Antwort des BMU auf eine Anfrage der Städtischen Zeitung hervor. Inzwischen wird dabei auch deutlich, in welchem Maß GTS Lobbyarbeit für Versatzbergwerke als Lagerort von Stoffen, die eine Regelung durch die Strahlenschutzverordnung erfordern, geleistet hat. Eine von dem Unternehmen beauftragte Anwaltskanzlei aus Berlin hat Anfang August ein Schreiben mit direkten Formulierungsvorschlägen an das BMU geschickt, das der StäZ vorliegt. Bereits zuvor hatte GTS versucht, Einfluss auf die Verordnungsnovelle zu nehmen. Auch wenn die Formulierungsvorschläge offenbar verspätet beim BMU ankamen und nicht mehr direkt in die Verordnung einflossen, hatten die GTS-Bemühungen insgesamt durchaus Erfolg. Ab Januar ist es möglich, Bauschutt abgerissener kerntechnischer Anlagen mit einer Strahlung im Mikrosievertbereich unter bestimmten Voraussetzungen in Gruben wie Teutschenthal zu lagern. Oder wie es heißt, für den Versatz zu nutzen. Auch die Landesregierung Sachsen-Anhalts hat dem im Bundesrat zugestimmt.[ds_preview]

Maximal zehn Mikrosievert: Einzelfallprüfungen bleiben vorgeschrieben

Für den AKW-Bauschutt, der in Versatzbergwerke soll, wird in der neuen Strahlenschutzverordnung eine Einzelfallprüfung vorgeschrieben. Sogar die wollte die GTS dem neu aufgetauchten Schreiben ihrer Anwälte zufolge durch den Vorschlag eigener Formulierungen aushebeln. Die Einzelfallprüfungen seien sehr aufwendig, heißt es in dem Papier vom 3. August. Doch sie bleiben in der Strahlenschutzverordnung verankert, eine pauschale Freigabe von AKW-Bauschutt ist weiter nicht möglich. BMU-Sprecherin Maren Klein auf StäZ-Nachfrage: „Voraussetzung für die Freigabe ist die radiologische Unbedenklichkeit, also der Nachweis, dass durch die Stoffe nur eine effektive Dosis im Bereich von zehn Mikrosievert im Kalenderjahr auftreten kann.“ Das entspricht zum Beispiel der Strahlendosis einer Röntgenaufnahme des Brustkorbs. Erfüllt der in Frage kommende Bauschutt aus Atomkraftwerken, an dem auch Erde hängen darf, das Dosiskriterium, kann er aus der Überwachung nach den Vorgaben der Strahlenschutzverordnung entlassen werden. Entspricht er dann noch den Regelungen des Abfall- und des Bergrechts, also ist er stabil genug, um mit dem Schutt unterirdische Hohlräume verfüllen zu können, dürften etwa die Betonhüllen von Atomkraftwerken, aber auch andere feste Stoffe in Versatzbergwerken genutzt werden.

Bauschutt aus Kernkraftwerken gilt nicht als Atommüll

Aus Sicht des Landeswirtschaftsministeriums sind Stoffe, die die vom Bundesumweltministerium vorgegebene Maximaldosis von zehn Mikrosievert pro Jahr einhalten, nicht radioaktiven Stoffen gleichgestellt. Es ist also Definitionsfrage, ob diese Stoffe als nicht radioaktiv oder, wie in der StäZ-Berichterstattung, als schwach radioaktiv bezeichnet werden. Für die Einlagerung könnten Bergwerksbetreiber einen Antrag beim Wirtschaftsministerium in Magdeburg stellen, so Sprecher Robin Baake. Möglich mache das die überarbeitete Strahlenschutzverordnung ab Januar 2019. GTS habe aber bisher einen solchen Antrag nicht gestellt, so Baake. Ob das zur Geiger-Gruppe gehörende Unternehmen das nach seinem Engagement für eine Verankerung von Versatzbergwerken in der Strahlenschutzverordnung tatsächlich vorhat, ist offen. GTS hat die Anfragen der Städtischen Zeitung bislang unbeantwortet gelassen.

GTS-Chef spricht in Magdeburg hinter verschlossenen Türen über Pläne

Die Landesregierung weiß zu den Plänen der Grubensicherungsgesellschaft offenbar mehr. In der Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Landtages von Sachsen-Anhalt am 1. November dieses Jahres habe Sprecher Baake zufolge das Thema auf der Tagesordnung gestanden. GTS-Geschäftsführer Hans-Dieter Schmidt sei die Möglichkeit gegeben worden, sich dazu zu äußern. Details dürfe Baake dazu jedoch nicht nennen. „Da die Ausschusssitzung nichtöffentlich ist, darf daraus nicht zitiert werden.“

Sollte die GTS im Januar einen Antrag stellen, AKW-Bauschutt, in Teutschenthal unter Tage einlagern zu dürfen, wäre die Masse laut der ab Januar geltenden Verordnung auf „1.000 Megagramm“, also 1.000 Tonnen pro Jahr beschränkt. Zwischenzeitlich sorgte in der Gemeinde sogar die vermeintliche Nachricht von einem potenziellen Endlager für Atommüll für Aufregung. Doch auf die Lagerung etwa von hoch radioaktiven Brennstäben zielte der GTS-Vorstoß nicht ab. Auf schwach radioaktive Stoffe, die bis zu zehn Mikrosievert pro Jahr strahlen können, aber schon.

Entscheidung über Einlagerungsstopp im Januar

In vier Jahren sollen die letzten deutschen Kernkraftwerke vom Netz gehen und dann nach und nach abgerissen werden. Tausende Tonnen Bauschutt müssen entsorgt werden. Ein lukratives Geschäft, dass sich Unternehmen wie GTS offenbar nicht entgehen lassen wollen. Die Teutschenthaler Firma nutzt zur Sicherung der ehemaligen Kaligrube in rund 700 Metern Tiefe schon jetzt teilweise Stoffe mit Gefährdungspotenzial. Seit Monaten laufen Anwohner Sturm gegen dabei immer wieder auftretenden Gestank. Inzwischen prüft die Landesregierung einen Einlagerungsstopp in Teutschenthal. Im Januar soll darüber entschieden werden. Kommt es so, dürfte vorerst auch die Frage nach der Lagerung von AKW-Bauschutt – zumindest vorerst – vom Tisch sein.

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