Grube Teutschenthal setzt sich für Freigabe als Endlager für ausgediente Atomkraftwerke ein

Bisher durften in der Grube Teutschenthal keine radioaktiv kontaminierten Materialien eingelagert werden. Eine Neuerung der Strahlenschutzverordnung macht das jetzt möglich -- nicht zuletzt auf Betreiben der GTS.

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Die Grube Teutschenthal könnte auf der Zielgeraden der Verfüllung von unterirdischen Hohlräumen zum Endlager von radioaktiv verstrahltem Bauschutt werden. (Foto/Montage: Jan Möbius)
Die Grube Teutschenthal könnte auf der Zielgeraden der Verfüllung von unterirdischen Hohlräumen zum Endlager von möglicherweise schwach radioaktiv verstrahltem Bauschutt werden. (Foto/Montage: Jan Möbius; Symbolbild: Coloures-Pic/AdobeStock)

Halle/Teutschenthal/StäZ – Die Grube Teutschenthal könnte zum Endlager für möglicherweise schwach radioaktiv belasteten Bauschutt und andere feste Stoffe werden, die beim Rückbau von Atomkraftwerken übrig bleiben. Der Betreiber des stillgelegten Bergwerks, die Bergwerks-Sicherungsgesellschaft GTS, hat sich nach Informationen der Städtischen Zeitung deutlich und letztlich wohl erfolgreich dafür eingesetzt, dass diese Stoffe künftig auch in Versatzbergwerken wie Teutschenthal gelagert werden können. Derzeit ist das nicht erlaubt. Die bisher öffentlich nicht bekannt gewordenen Bemühungen der GTS um die generelle Erlaubnis zur Einlagerung eventuell radioaktiv kontaminierter Stoffe unter Tage gehen aus einem Brief des Teutschenthaler Gruben-Geschäftsführers Hans-Jürgen Schmidt an das Bundesumweltministerium im Zuge einer Anhörung zur Novelle der Strahlenschutzverordnung hervor. GTS dürfte es dabei aber nicht nur um die theoretische Möglichkeit gehen, in Teutschenthal die Überreste von Atomkraftwerken einlagern zu können.[ds_preview]

GTS hat schon Ende Juni Kontakt zum Umweltministerium aufgenommen

In Schmidts Schreiben, das der Städtischen Zeitung vorliegt, wirbt der GTS-Geschäftsführer beim Bundesumweltministerium deutlich darum, dass Gruben wie die in Teutschenthal, in denen schon jetzt unter anderem giftige Abfälle als Versatzmaterial zum Auffüllen alter Stollen und Schächte genutzt werden und die dem Bergrecht unterliegen, künftig auch für freigegebene „feste Stoffe aus dem Rückbau von kerntechnischen Anlagen“ in Frage kommen sollten. Das dreiseitige Schreiben ist vom 28. Juni dieses Jahres und an eine Referatsleiterin im Bonner Umweltministerium gerichtet. Das führte im Sommer eine sogenannte Verbändeanhörung zur Novelle der Strahlenschutzverordnung durch. Interessierte Gruppen und Institutionen können in solchen Anhörungen ihre Sichtweisen in ein Gesetzgebungs- oder, wie in diesem Fall, Verordnungsverfahren einbringen.

In der Strahlenschutzverordnung wird unter anderem der Umgang mit radioaktiven oder radioaktiv kontaminierten Stoffen geregelt. Die Stoffe, um die es Schmidt offenbar geht, gehören unter Umständen zu letzterer Kategorie. Schmidt nennt explizit Bauschutt, der beim Rückbau von Kernkraftwerken anfällt, spricht aber auch von anderen „festen Stoffen“. Diese können von den Behörden freigegeben werden, wenn die Strahlung, die sie an die Umgebung abgeben unter 10 Mikrosievert pro Jahr liegt. Dann gelten sie laut Verordnung als nicht radioaktiv. Bisher kämen für die Entsorgung dafür laut alter Fassung der Verordnung nur überirdische Deponien oder Verbrennungsanlagen in Frage, so Schmidt in seinem Schreiben. Das wollte GTS im Sommer geändert wissen. Denn aus seiner Sicht, so Schmidt, seien Versatzbergwerke viel besser geeignet, die AKW-Abfälle „langzeitsicher“ vor der Außenwelt abzuschließen. Schmidt schreibt:

Damit verfügt nach unserer Auffassung ausschließlich das Versatzbergwerk über die Endlagereigenschaft einer langzeitsicheren Beseitigung der eigentlich zur überirdischen Deponierung freigegebenen festen Stoffe bzw. des Bauschutts aus dem Rückbau kerntechnischer Anlagen…“

Gibt es Alternativen zum Einsatz giftiger Abfälle?

Bei der Auswahl der Versatzmaterialien zur Sicherung der Grube Teutschenthal sind  gesetzliche und genehmigungsrechtliche Rahmen sowie fachlich begründete Anforderungen einzuhalten. Dazu zählen unter anderem die „Festigkeitseigenschaften“. Die Stoffe müssen eventuell auftretendem Bergdruck standhalten, denn der Versatz soll in erster Linie ja dafür sorgen, dass die Grube, in der es 1996 einen Gebirgsschlag gegeben hatte, auf Dauer stabil bleibt.

Nach den behördlichen Vorgaben entscheidet die GTS selbst, welche Materialien zum Einsatz kommen. Eine Steuerung von Abfallströmen erfolgt durch den  Abfallwirtschaftsplan des Landes Sachsen-Anhalt.

Theoretisch besteht aber auch die Möglichkeit, das markante Materieal der markanten Teutschenthaler Halden zu verwenden. Dies wäre jedoch nur möglich nach Entwicklung einer speziellen Abbau- und Aufbereitungstechnologie etwa zur Trockung des Materials sowie eines Verfahrens zur Verbringung des Materials über den Schacht in die Grubenhohlräume.

Die Teutschenthaler Halden fallen aber nicht in die bergrechtliche Verantwortung der GTS. Deshalb geht das Wirtschaftsministerium in Magdeburg davon aus, dass wegen des hohen Aufwandes für die Aufbereitung des Haldenmaterials und des laufenden notwendigen Unterhaltungs- und Investitionsbedarfs für den Betrieb des Bergwerkes kein Unternehmen die Rückführung des Haldenmaterials mit wirtschaftlichem Erfolg durchführen könnte. In diesem Fall müsste das Land die Gesamtkosten für die aus Steuereinnahmen tragen. (jam)

Im Jahr 2022 sollen die letzten deutschen Kernkraftwerke vom Netz gehen, dann nach und nach zurückgebaut werden. Ein potenziell profitträchtiger Zukunftsmarkt für die GTS. Denn neben dem hochradioaktiven Müll fallen bei jedem Atomkraftwerk auch tausende Tonnen Bauschutt und andere Stoffe an, die entsorgt werden müssen. Diese Stoffe strahlen zwar nicht selbst, können zum Teil aber radioaktiv oder anderweitig kontaminiert sein, weshalb auch für sie die behördliche Freigabe erfolgen muss. Die GTS wirbt in ihrem Schreiben also darum, diese freigegebenen Stoffe in Versatzbergwerken wie Teutschenthal endlagern zu dürfen. Die Firma ist laut dem Schreiben überzeugt, dass durch den Einschluss unter Tage auch das Dosiskriterium von 10 Mikrosievert pro Jahr eingehalten wird.

Versatzbergwerke tauchen plötzlich in Strahlenschutzverordnung auf

Offenbar hatte die GTS mit ihrer Stellungnahme Erfolg: In der novellierten Verordnung, die am 5. Dezember dieses Jahres im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden ist und bereits am 31. Dezember 2018 in Kraft treten soll, findet sich in Paragraph 37 tatsächlich der Hinweis auf Versatzbergwerke wie Teutschenthal. Demnach könne eine Freigabe von radioaktiven oder kontaminierten Stoffen im Einzelfall erfolgen, wenn der Antragsteller nachweist, „dass das Dosiskriterium für die Freigabe eingehalten ist“. Das gelte auch, „soweit die Freigabe zum Einsatz in einem Grubenbau“ entsprechend der Versatzverordnung des Bundes erfolge, heißt es in der Verordnung. Damit sind Versatzbergwerke gemeint.

Bahn frei also für die Reste von Atomkraftwerken in der Grube Teutschenthal? Die sachsen-anhaltische Aufsichtsbehörde reagiert skeptisch. Ein Sprecher des für Bergwerke zuständigen Wirtschaftsministeriums sagte auf StäZ-Anfrage, dass man zwar die Bemühungen der GTS beim Bundesumweltministerium in Bonn zur Kenntnis genommen und den Prozess zur Novellierung der Strahlenschutzverordnung sehr genau beobachtet habe. Eine Einlagerung der in Frage kommenden Stoffe unter Tage müsse aber auch von der Bundesversatzverordnung gedeckt sein, also der Vorschrift, die die Einlagerung von Materialien in Gruben wie der Teutschenthaler regelt. Und das ist laut dem Magdeburger Wirtschaftsressort „mehr als fraglich“. Auch gebe es bislang weder Antrag noch Genehmigung auf eine Einlagerung radioaktiven Mülls in Teutschenthal. Das Bundesumweltministerium ließ eine StäZ-Anfrage am Freitag unbeantwortet.

Abfallentsorgung wird zum Millionengeschäft

Für den Bergbausicherer GTS wäre eine Erlaubnis zur Einlagerung von AKW-Müll in Teutschenthal freilich ein lukratives Geschäft. Schon setzt das Unternehmen Millionen mit dem Versatz teilweise gefährlicher Stoffe unter Tage um. Der Betrieb läuft auf eigene Rechnung. Öffentliche Zuschüsse etwa von Bund und Land erhält GTS für die Sicherung des Kalibergwerks nicht. Bis auf eine Härtefallregelung nach dem Gebirgsschlag 1996. In der Folge stellte das Land damals Geld aus dem Sondervermögen für Altlasten zur Verfügung. Damit wurde unter anderem der Aufbau eines neuen Wetter- und Fluchtweges zwischen dem Schacht Teutschenthal und dem Schacht Halle bei Angerdorf finanziert. Insgesamt, so das Wirtschaftsministerium, würden für die Sicherung der Grube Teutschenthal 40 Millionen Euro bis zum geplanten Ende der Versatzarbeiten im Jahr 2030 zur Verfügung gestellt.

Abfall kommt in riesigen Mülltüten unter Tage

Vertraglich vereinbart zwischen dem Land und GTS sind zudem die Art, wie die unterirdischen Hohlräume in rund 700 Meter Tiefe gesichert werden müssen und welches Material dazu eingesetzt werden darf. Bisher sind das Stäube aus der Rauchgasreinigung von Verbrennungsanlagen, Schlacken und Aschen, kontaminierte Bauabfälle wie Boden und  Bauschutt, Produktionsabfälle aus der Industrie in flüssiger und fester Form sowie Schlämme aus der Reinigung von Industrieabwässern. Die Stoffe werde in Teutschenthal auf Lastern angeliefert und dort in riesige Tüten, sogenannte Big-Bags, verpackt. Diese werden in einem nächsten Schritt unter Tage gebracht und dort in die durch den Salzabbau entstandenden Hohlräume gepresst. Die Kammern werden später verschlossen. Mit diesem Verfahren sollen die Hohlräume vor Einstürzen gesichert, also stabilisiert werden. Wie im Fall einer Genehmigung möglicherweise radioaktiv kontaminierte Stoffe unter Tage gelagert werden sollen, dazu gibt es offenbar noch keine konkreten Regelungen.

Rathauschef Wunschinski kündigt Widerstand an

Fraglich, wie es das Landeswirtschaftsministerium formuliert, ist die Einlagerung dieser neuen Stoffklasse in Teutschenthal sicherlich nicht zuletzt auch deshalb, weil über der Grube Teutschenthal noch immer das Damoklesschwert „Einlagerungsstopp“ schwebt. Den fordern Einwohner, Bürgermeister und Landtagsabgeordnete inzwischen unisono wegen der anhaltenden Geruchsbelästigungen aus dem Schacht. Offen ist, welche juristische Handhabe GTS dagegen hätte und ob, käme ein Einlagerungsverbot nicht zustande, nicht doch AKW-Müll nach Teutschenthal kommen könnte, auch wenn die Landesregierung dagegen wäre.  Strahlenschutz- wie Versatzverordnung sind Bundesrecht.

Teutschenthals Rathauschef Ralf Wunschinski (CDU) kündigte gegenüber der Städtischen Zeitung an, er werde alles daran setzen, die Einlagerung von radioaktiven Stoffen oder atomarem Restmüll in der Grube Teutschenthal zu verhindern. Er selbst wisse bereits seit Anfang November von dem GTS-Vorstoß. Bekannt geworden sei ihm dieser erstmals während einer Landtagsanhörung, die sich mit der Grube und zahlreicher Proteste gegen deren Betrieb in jüngster Zeit beschäftigt hatte.

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U. Geiß
5 Jahre her

Die natürliche Strahlenbelastung in Deutschland beträgt durchschnittlich 2 Millisievert (mSv) pro Jahr. (Quelle: http://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/natuerliche-strahlenbelastung/natuerliche-strahlenbelastung_node.html)
Das ist das 500fache des für den Bauschutt zulässigen Grenzwertes!
Die durchschnittliche Strahlendosis durch medizinische Röntgenstrahlen beträgt 1,6 mSv/Jahr. (http://www.bfs.de/DE/themen/ion/anwendung-medizin/diagnostik/roentgen/haeufigkeit-exposition.html)
Daher halte ich ein Einlagerung von solchem Schutt für unproblematisch.

U. Geiß
5 Jahre her
Reply to  U. Geiß

Korrektur: Der Faktor beträgt 200, nicht 500. An meiner Schlussfolgerung ändert das nichts.