Teutschenthal: Die unangenehmen Fragen der Kommunalaufsicht

Die Kommunalaufsicht will mit einem detaillierten 15-Punkte-Papier möglichen Dienstvergehen von Bürgermeister Wunschinski nachgehen. Der wehrt sich.

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Teutschenthal ist nun auch im Fokus der Kommunalaufsicht des Saalekreises. In einem 15-Punkte-Papier listet die Kommunalaufsicht verschiedene mögliche Verstöße von Bürgermeister Ralf Wunschinski (CDU) auf. (Foto: xkn)

Halle/Teutschenthal/StäZ – Der Gemeinderat in Teutschenthal wird in seiner Sondersitzung zur Kita-Affäre in der kommenden Woche mit einem Mammutprogramm konfrontiert. Mitten in der Sommerpause müssen sich die Abgeordneten mit einem brisanten Papier befassen, das womöglich über die berufliche Zukunft von Bürgermeister Ralf Wunschinski (CDU) entscheidet. Die Kommunalaufsicht des Saalekreises hat einen 15 Punkte umfassenden Bericht über die möglichen Verfehlungen im Teutschenthaler Rathaus für das Innenministerium angefertigt, auf dessen Wunsch hin. Und der Gemeinderat soll sich nun dazu positionieren.

Wunschinski verwundert über kurzfristigen Vorstoß der Kommunalaufsicht

Neue Rechtslage

Seit 1. Juli 2018 kommt für ein Disziplinarverfahren gegen einen (Gemeinde-) Bürgermeister (Hauptverwaltungsbeamten) nur noch die Kommunalaufsicht des Landkreises, bei Oberbürgermeistern von kreisfreien Städten das Landesverwaltungsamt, in Frage und nicht mehr der Gemeinde- oder Stadtrat als Dienstvorgesetzter. Der Landtag hat erst im Juni eine entsprechende Passage in das Disziplinargesetz des Landes eingefügt. Hintergrund dürften auch die jahrelangen Zuständigkeitsquerelen in der Stadt Halle um das immer noch laufende Disziplinarverfahren gegen Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) sein.

Nach der neuen Fassung hat die Kommunalaufsicht des Landkreises ein Disziplinarverfahren einzuleiten und zu führen, wenn gegen einen Gemeindebürgermeister zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Übergeordnete Kommunalaufsichtsbehörden, also das Landesverwaltungsamt und, weiter oben in der Hierarchieebene, das Landesinnenministerium sind dann ebenfalls zu informieren, können aber auch das Disziplinarverfahren ganz an sich ziehen.

Im Disziplinarverfahren werden die Vorwürfe und Verdachtsmomente dann rechtlich geprüft. Wenn sie sich bestätigen, drohen einem Bürgermeister verschiedene Disziplinarmaßnahmen, je nach Schwere der geahndeten Dienstvergehen. Sie reichen von der milden Form eines Verweises über Geldbuße, Kürzung der Dienstbezüge und Zurückstufung bis hin zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Bei einem Bürgermeister ist letzteres gleichbedeutend mit dem Amtsverlust.

Dienstvergehen oder schwere dienstliche Versäumnisse können aber unter Umständen auch zu Strafverfahren führen. Diese werden nicht, wie Disziplinarverfahren, behördenintern sondern durch Staatsanwaltschaften als Ermittlungsbehörde geführt und vor einem ordentlichen Gericht verhandelt. Wird ein Beamter in einem Strafverfahren schuldig gesprochen und wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Strafe von über einem Jahr verurteilt (bei Bestechlichkeit sechs Monate), verliert er den Beamtenstatus und damit sein Amt. Das gleiche passiert, wenn einem Beamten durch Urteil die Befähigung zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt wird.

Bürgermeister können aber auch durch die Wähler, die sie ja auch ins Amt gewählt haben, vorzeitig abberufen werden. Hierzu wäre ein Beschluss des Gemeinde- oder Stadtrates nötig, der von mindestens zwei Dritteln der Ratsmitglieder gestellt wird und dem drei Viertel der Ratsmitglieder zustimmen. Dann würde eine Abwahl unter allen Bürgern stattfinden, bei der eine Mehrheit für die Abwahl sein müsste; und diese Mehrheit müsste eine Stimmenzahl von mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten haben. (xkn)

Der Bericht liegt der Städtischen Zeitung vor. Er listet aus Sicht der Aufsichtsbehörde vielfältige mögliche Dienstvergehen Wunschinskis, erhebliche Unstimmigkeiten in seinen Stellungnahmen und weitere offene Fragen auf. Rathauschef Wunschinski meint dagegen, alle Zuarbeiten zu den umfangreichen Fragen der Aufseher geleistet zu haben. Er hat sich aus dem Urlaub gegenüber der StäZ auf Nachfrage mit Verwunderung zu den Vorgängen in seiner Gemeinde und zu dem aus seiner Sicht kurzfristigen Vorstoß der Kommunalaufsicht geäußert.

Weder Wunschinski noch eine seiner beiden Stellvertreterinnen seien demnach zu der Sitzung am kommenden Dienstag eingeladen. Wunschinski sieht darin einen durch einzelne Gemeinderäte angezettelten Affront und kontert mit einer Verschwörungstheorie. „Die gegen mich eingegangene Dienstaufsichtsbeschwerde wurde durch jemanden bei der Kommunalaufsicht eingereicht, der angibt, in Teutschenthal zu wohnen. Das habe ich vom Einwohnermeldeamt überprüfen lassen. Den Namen gibt es bei uns nicht“, sagt der Bürgermeister. Wunschinski vermutet konkret einen bestimmten Gemeinderat hinter jenem Pseudonym, unter dem die Beschwerde in der Merseburger Kreisverwaltung eingereicht worden war. Zugleich betont er aber, die bei der Kommunalaufsicht das Saalekreises eingegangene Dienstaufsichtsbeschwerde persönlich gar nicht zu kennen. „Sie liegt mir nicht vor.“

Wunschinski weilt derzeit im Urlaub. Auch seine Stellvertreterin und Hauptamtsleiterin Teresa Kübler befindet sich parallel dazu in den Ferien. Wegen dieser bekannten Überschneidung wurde im Juni dieses Jahres Ordnungsamtschefin Silke Moser bis Ende 2018 zur zweiten Stellvertreterin gewählt. Sie müsste nun eigentlich die Verwaltungsspitze in der Ratssitzung am Dienstag vertreten. Doch auch Moser hat nach StäZ-Informationen keine Einladung bekommen -- erbost habe sie das in den Teutschenthaler Amtsstuben kundgetan, war zu erfahren. Warum die Verwaltungsspitze erst gar nicht zur Gemeinderatssitzung eingeladen wurde, dazu gibt es bisher keine Erklärung. Zwischen dem Ratsvorsitzenden Günter Scholz, selbst einst Bürgermeister in Teutschenthal, und der Kommunalaufsicht ist Vertraulichkeit vereinbart worden.

Wunschinski zeigt sich über das Vorgehen und über das Tempo der Kreisverwaltung verwundert: „Ich habe keine Ahnung, warum hier so energisch gegen mich gearbeitet wird.“ Immerhin verlangt die Kommunalaufsicht nach den der StäZ vorliegenden Informationen vom Gemeinderatsvorsitzenden Scholz eine konkrete Stellungnahme bis Ende Juli. Der Rechtsanwalt hatte noch vor wenigen Wochen eine Sondersitzung des Gemeinderates für nicht notwendig erachtet.

In der Sitzung am kommenden Dienstag soll der Gemeinderat laut Einladung über die vorliegende Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Bürgermeister Wunschinski beraten und einen Beschluss zu möglichen Disziplinarmaßnahmen fassen. Doch dafür ist nach der neuen Fassung des Disziplinargesetzes seit 1. Juli 2018 ausschließlich die Kommunalaufsicht zuständig (siehe „Neue Rechtslage“). Einige Gemeinderäte in Teutschenthal nehmen daher an, dass die Kreisverwaltung dem Teutschenthaler Plenum die Chance geben will, mit einer entsprechenden Stellungnahme das Gesicht zu wahren. Immerhin mahnt die Kommunalverwaltung den Ratsvorsitzenden Scholz an, die im Bericht an das Innenministerium genannten Sachverhalte auf „mögliche Pflichtverletzungen des Bürgermeisters“ zu prüfen. Dem Gemeinderat wird von der Kreisverwaltung in dem der StäZ vorliegenden Schreiben geraten „sich mit allen dargestellten 15 Sachverhalten ausführlich zu beschäftigen und insbesondere disziplinarrechtlich zu werten“.

Kita-Projekt: Kommunalaufsicht zweifelt schon länger an Machbarkeit

Im 15-Punkte-Papier der Kommunalverwaltung geht es nicht mehr ausschließlich um mögliche Verfehlungen Wunschinskis im Zusammenhang mit dem Bau einer neuen Kita im Ortsteil Angersdorf. Dafür gab es zwar einen Grundsatzbeschluss des Gemeinderates, also eine Entscheidung, in absehbarer Zeit eine neue Kita bauen zu wollen. Doch Wunschinski machte Nägel mit Köpfen: Den Auftrag des Gemeinderates, sich nach einem geeigneten Grundstück umzuschauen, nutzte der Rathauschef gleich auch für konkrete Planungen und beauftragte dafür ohne Ausschreibung und ohne Erlaubnis des Rates ein Ingenieurbüro. Noch dazu ließ er vor wenigen Wochen 200.000 Euro als Abschlag, also erste Rate, an das Unternehmen überweisen, obwohl das Geld nicht im Haushalt 2018 eingestellt war.

Was Wunschinski offenbar gegenüber den Gemeinderäten in Teutschenthal bisher nicht erklärte: Die Kommunalaufsicht scheint schon länger an der Machbarkeit des Projekts „Kita 24“ zu zweifeln. Denn in dem Schreiben an das Innenministerium stellt die Kreisverwaltung dar, dass sie in den vergangenen Monaten bereits zwei negative Stellungnahmen hinsichtlich der Beantragung von Fördermitteln abgegeben hat. Der Grund dafür findet sich wiederum im Haushalt 2018. Dort ist weder Geld für das Kita-Projekt und dessen Vorbereitungen eingestellt noch eine Verpflichtungsermächtigung zu finden, mit  der die Verwaltung auch ohne Haushaltsposten planen und arbeiten könnte. Ohne Fördermittel kann das den Planunterlagen zufolge 3,8 Millionen Euro teure Vorhaben laut Wunschinski von der Gemeinde aber nicht realisiert werden.

Kommunalaufsicht will Finanzierung der Feuerwehren erklärt haben

Die Kommunalaufsicht hat darüber hinaus auch gezielt Fragen gestellt, bei denen es um die Finanzierung der Feuerwehren in der Gemeinde geht. Der Gemeinderat hatte in seiner letzten Sitzung die Beschaffung von fünf neuen Löschfahrzeugen beschlossen, die nicht gekauft, sondern geleast werden sollen. Erste Zweifel daran, dass die Kommunalaufsicht diesem Finanzierungsweg in Zeiten der Haushaltskonsolidierung zustimmt, kamen bei Gemeinderäten noch in der Sitzung auf. Doch Bürgermeister Wunschinski erklärte gegenüber dem Landkreis auf dessen Anfrage, dass Teutschenthal ohnehin 300.000 Euro jährlich für technische Aufrüstung seiner Feuerwehren im Haushalt einstelle. Das wiederum führte zu Staunen in der Kreisstadt Merseburg. Denn die im Landratsamt zuständige Behörde für den Katastrophenschutz kenne diesen Haushaltsposten nicht, heißt im Papier an das Innenministerium. Wurde bisher also Geld für die Feuerwehren ausgegeben, das es, wie im Kita-Fall, gar nicht offiziell gab? Das will nun die Kommunalaufsicht erneut von Wunschinski erklärt haben. Zudem moniert sie, dass der Beschluss zu Beschaffung der neuen Löschfahrzeuge noch gar nicht in der Kreisverwaltung vorliege.

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