„Es gibt Schulen, die stecken die Probleme einfach weg.“

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Themawechsel, Herr Tullner: Wie halten Sie es mit der AfD? Sie haben die Partei letzte Woche sehr harsch kritisiert, als sie Umfrageflyer zu vermeintlicher Ausländergewalt vor Schulen in Halle-Neustadt verteilt hat. Ein paar Stunden später sagten Sie, eine Statistik zu Gewalt auf Schulhöfen sei eigentlich ganz gut. Was ist das für eine Gratwanderung, die sie da gerade machen?

Bildungsminister Marco Tullner (CDU) im StäZ-Gespräch (Foto: Jan Möbius)

Ich habe gesagt, dass ich bereit bin, im Landtag darüber nachzudenken, ob diese Statistik Sinn macht, weil wir sie bisher schlichtweg nicht erhoben haben, auch weil es bisher nicht viele Kinder mit Migrationshintergrund gab. Aber wenn wir jetzt gemeinsam zu der Auffassung kommen, dass wir eine solche Statistik erheben sollen, dann bin ich der letzte, der sich dagegen wehrt. Ich habe aber auch nicht gesagt, dass ich sie morgen einführen will. Zum Verhältnis zur AfD nur so viel: Wer 24 Prozent der Stimmen geholt hat, hat erstmal eine Legitimation durch das Wahlergebnis an sich. Ich kann nicht einfach sagen, diese Partei gibt es für mich nicht. Nun tun wir uns alle erkennbar schwer mit der AfD-Mischung aus Provokation und Aufmerksamkeitshascherei, zu der die Aktion letzte Woche zweifelsohne gehört hat. Aber da brechen sich auch Themen Bahn, die die Leute umtreiben. Der erste Reflex ist da immer Tabuisierung und Ausgrenzung. Das finde ich vom Ansatz her in einer Demokratie ohnehin schlecht. Bei einer Vier- oder Fünf-Prozent-Partei kann man sich das vielleicht noch erlauben. Bei 24 Prozent müssen sich die etablierten Parteien selbst mal ein paar Fragen stellen, was da passiert ist. Meine Partei, die CDU, und die Schwesterpartei CSU haben immer gesagt, rechts von uns darf sich keine demokratische Partei etablieren. Also muss man schon schauen, wie man mit diesen Themen umgeht, ohne sich mit der AfD gemein zu machen. Abgrenzen ja, aber nicht ausgrenzen, das ist die Linie der CDU. Bei der Frage einer speziellen Statistik zur Gewalt an Schulen will ich bewusst in den Diskurs gehen und habe mir bewusst noch keine abschließende Meinung gebildet. Denn das Thema treibt Leute um, da kann ich nicht einfach sagen: Das Thema will ich nicht behandeln.

„Im Moment spielt die AfD in Halle ja gar keine Rolle.“

Um Terrain von der AfD zurückzuerobern provozieren aber auch Sie, wie zum Beispiel mit dem Tweet über die Integrationsbeauftragte Susi Möbbeck, die mit einem Kopftuch in einer Moschee war.
Mir ist dabei oft vorgehalten worden, ich würde die Religion nicht achten. Dabei ist die Diskussion um das Kopftuch keine Religionsdebatte, und darauf wollte ich hinweisen. Mir ging es um die Werte, wie wir sie bei uns leben, und um die Frage, wie wir diese Werte im interkulturellen Dialog rüberbringen. Wenn ich allein in den Iran schaue, wo eine große Frauenbewegung die Kopftücher kritisch hinterfragt, würde ich auf vieles kommen, aber nicht auf die Idee, mich ungefragt als Integrationsbeauftragte des Landes mit Kopftuch in eine Moschee zu begeben. Selbst der Imam war überrascht, weil es wohl nicht üblich ist in dieser Moschee. Das gibt ein Bild von diesem Amt ab, das für mich nicht akzeptabel war.

Wenn Sie in die Moschee gehen, ziehen Sie dann die Schuhe aus oder nicht?
Das Ausziehen der Schuhe gehört ja wohl zweifelsfrei zu den religiösen Bräuchen. Dieser Respekt ist selbstverständlich. Das Kopftuch ist nicht religiös. Und wenn es die Integrationsbeauftragte des Landes trägt, ist schon die Frage, wer sich wohin integriert; Frau Möbbeck in den islamischen Kontext oder islamische Menschen in unsere Wertegemeinschaft.

Zurück zur AfD: Sie sind Stadtvorsitzender der CDU und haben noch keinen Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl. Ist eine Zusammenarbeit mit der AFD bei den anstehenden Wahlen für sie denkbar?
Im Moment spielt die AfD in Halle ja gar keine Rolle, so dass sich für mich die Frage nach der Zusammenarbeit überhaupt nicht stellt. Zusammenarbeit ist in der Kommunalpolitik ohnehin schwer zu definieren.

Wenn Rot-Rot-Grün ein Bündnis schmiedet, bleiben für Sie ja nicht viele Kandidaten übrig.
Aber schon mangels Masse könnte ich ja mit niemandem zusammenarbeiten.

Sie schließen es also nicht aus. Angenommen, die CDU findet noch einen Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl…
Davon können Sie fest ausgehen! Es könnte sogar eine Kandidatin sein!

…und die AfD fände die Kandidatin sympathisch…
Das ist eine sehr fiktive Frage. Wenn diese Situation einträte, dann kann ich das nicht verhindern. Aber ich würde in keine Absprachen eintreten oder mit unserer Kandidatin oder unserem Kandidaten – spielen wir das Spiel ruhig mal zu Ende – auf keinen AfD-Parteitag gehen und rufen: Unterstützt uns! Wir sind die einzige Volkspartei, die es in Sachsen-Anhalt gibt. Da sind wir selbstbewusst genug, einen Kandidaten nach unserer eigenen Überlegung zu finden. Und wer uns dann folgt oder nicht, das werden wir mit Gelassenheit sehen.

Wer wird Ihre Kandidatin?
Das wird zu gegebener Zeit entschieden. Ein Jahr vor der Wahl werden die Weichen gestellt sein.

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