Kommentar: Der Niedergang

Der Niedergang der MZ ist auch ein Niedergang der Bedeutung Halles in Sachsen-Anhalt, kommentiert StäZ-Redakteur Felix Knothe.

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Cat-Content, Randale, Verkauf, Panorama: Screenshot des Internetauftritts der Mitteldeutschen Zeitung vom Mittwoch. (Screenshot: StäZ)
Es kommentiert StäZ-Redakteur Felix Knothe (Foto: StäZ)

Mit dem Verkauf der Mitteldeutschen Zeitung an den Bauer-Verlag geht in Halle eine Ära zu Ende. Die MZ erscheint nun unter einem Dach mit der Magdeburger Volksstimme. So sehr man sich auch als Hallenser an ihr gerieben hat – „Blaue Bild“, „Mittelmäßige Zeitung“: der Volksmund hatte viele Namen für die MZ – das Blatt, das knapp 30 Jahre lang im traditionsreichen Kölner DuMont-Verlag erschienen war, das Nachfolgeblatt der SED-Bezirkszeitung „Freiheit“, war seit der Wende die eigenständige publizistische Stimme aus dem Süden Sachsen-Anhalts gewesen. Ein Spruch in den Redaktionsfluren der MZ lautete lange: „Wo wir sind, ist vorne.“ Die MZ war das Blatt mit der größten Auflage im Land und zumeist auch mit der journalistischen Deutungshoheit über die Landespolitik. Auch dass es die MZ gab, trug im halleschen Selbstverständnis dazu bei, dass man sich im Süden halbwegs arrangieren konnte mit diesem von Magdeburg aus regierten Bundesland. Wenigstens Kulturhauptstadt und mit einer halleschen Perspektive journalistisch vorne dran zu sein, das ging jahrelang Hand in Hand.

Dieses Mosaik der halleschen Bedeutsamkeit ist nun zerbröckelt. Die MZ geht als waidwunde Trophäe an die Elbe. Der Niedergang der MZ ist damit auch ein Niedergang der Bedeutung Halles in Sachsen-Anhalt. Früher oder später wird es sich publizistisch niederschlagen, dass die MZ nun von Magdeburg respektive Hamburg aus mitverlegt wird. Zu erwarten ist eine weitere Ausdünnung der Redaktionen. Synergieeffekte werden wohl auch im sogenannten „Mantel“, also der überregionalen und landesweiten Berichterstattung, gehoben werden. MZ und Volksstimme würden dann sein wie Saturn und Media Markt: zwei Marken eines Konzerns, die beide das ewig gleiche anbieten. Dass sich so der – nun gemeinsame – Niedergang aufhalten lässt, ist mehr als fraglich. Denn eine überzeugende Antwort auf die Krise der Printmedien haben weder Volksstimme noch MZ. Digitalisierung bedeutet seit Jahren hier wie dort: redaktionelle Ausdünnung, Klicks statt Inhalt, Kanibalisierung zwischen Online und Print.

Wer den Niedergang speziell der MZ inhaltlich erfühlen wollte, der brauchte sich nur an einem beliebigen Tag mit wachem Geist die Überschriften der Internetseite des Blattes  vorzulesen, laut von oben nach unten. Eine intellektuell oft erschütternde Lektüre. Auf der gierigen Suche nach Klicks, der weichen Währung des Internets, war dort schon lange journalistischer Kompass und publizistische Ernsthaftigkeit abhanden gekommen. Das Regionale, das Lokale, die originäre Story von nebenan, seriös recherchiert und präsentiert, rangierte zumeist unter „ferner liefen“.

Den Blattredakteuren war diese Art der digitalen Transformation oft selbst ein Graus. Aber was sollten sie machen? Dass mit „onlinetauglicher“ Überschrift kostenlos im Netz landete, wofür sie recherchiert und gearbeitet hatten, war Teil einer kopflosen ökonomischen Strategie der Führungsetagen. Widerspruch zwecklos. Journalismus ist aber nicht zum Nulltarif zu haben. Und Zeitung nicht ohne Journalismus, der recherchiert, der Zeit hat und Ressourcen.

Ihren Leserinnen und Lesern nun schon über viele Jahre das Gegenteil suggeriert zu haben, nämlich dass online gleich kostenlos ist, ist die große Fehlleistung der Mitteldeutschen Zeitung. Die zweite war es, dem journalistischen Exodus, der seit Jahren gestandene Redakteure in Scharen von dannen ziehen ließ, tatenlos zugeschaut zu haben. Und die dritte war es zu glauben, dass sich eine Zeitung halten würde, wenn nur Druckerei und Briefdienst genug Profit abwerfen würden. Eine Mediengruppe, bei der es am Ende beinahe ohne Bedeutung ist, was in der Zeitung steht – Hauptsache, es erscheinen keine weißen Flecken neben den Todesanzeigen – ist ein hohler Torso.

Was die MZ bräuchte, wäre ein kompletter Relaunch: ökonomisch und redaktionell. Doch der ist mit der Volksstimme wohl nicht zu machen. Kaum zu glauben, dass der Bauer-Verlag, der außer der Volksstimme bisher im Tageszeitungsgeschäft nichts zu bieten hat, die visionäre Kraft aufbringt, in Sachsen-Anhalt eine neue Ära des Zeitungsjournalismus einzuleiten. Stattdessen wird man versuchen, mit der Hebung von Synergien die Stürme der Medienkrise irgendwie zu überstehen. Es wird nicht gut ausgehen.

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