Probleme im Ernstfall: Polizisten mussten bei Halle-Attentat ihre Pistolen erst aus Magdeburg holen

In Halle hätte schon längst eine neue Hundertschaft der Bereitschaftspolizei stationiert sein können. Doch im Hintergrund wird zäh um den Standort gerungen. In die Diskussion hat sich auch OB Wiegand eingemischt.

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Für die betroffenen Polizisten und ihre Gewerkschaft ist die ehemalige Kaserne in Trotha der beste Standort der neuen Hundertschaft. Dort könnte man sofort einziehen. (Foto: Jan Möbius)
Für die betroffenen Polizisten und ihre Gewerkschaft ist die ehemalige Kaserne in Trotha der beste Standort der neuen Hundertschaft. Dort könnte man sofort einziehen. (Foto: Jan Möbius)

Halle/StäZ – Die Debatte um den Polizeieinsatz nach dem Attentat mit zwei Toten am vergangenen Mittwoch in Halle bekommt durch ein neues Detail weitere Nahrung. Nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hätten deutlich schneller wesentlich mehr für diesen sehr speziellen Einsatz ausgerüstete Polizisten im Paulusviertel sein können, als tatsächlich zu Beginn vor Ort waren. Weil es eine für den Süden Sachsen-Anhalts zuständige Hundertschaft der Landesbereitschaftspolizei noch immer nicht gibt, mussten in ihrer Freizeit alarmierte Beamte mit ihren Privatfahrzeugen erst nach Magdeburg fahren, sich dort ausrüsten und ihre Dienstpistolen holen, um dann damit zurück nach Halle zum Einsatzort zu fahren. Laut Sachsen-Anhalts GdP-Chef Uwe Bachmann verzögere das Finanzministerium die Entscheidung zwischen zwei in Frage kommenden Standorten in Halle – und so die Bildung der neuen Einsatzhundertschaft. In die Diskussion habe sich im Sommer auch Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) eingemischt und Bachmann zufolge die Hinweise der GdP in den Wind geschlagen. [ds_preview]

Im Kern geht es in der Debatte um zwei mögliche Standorte. Das Finanzministerium in Magdeburg liebäugelt offenbar mit leerstehenden Gebäuden auf dem Gelände der alten Fliederwegkaserne. Dort untergebracht ist schon das Polizeirevier Halle. Grundstück und Häuser gehören dem Land Sachsen-Anhalt, müssen also weder gekauft noch gemietet werden. Doch müsse man in das Areal in Halles südlicher Innenstadt viel Geld investieren, um den Standort für die Anforderungen an eine Hundertschaft mit 120 Einsatzkräften und der dazugehörigen Technik fit zu machen, so GdP-Chef Bachmann. Summen nannte er nicht. Wohl aber, dass er mit einem weiteren Zeitverlust von mindestens einem Jahr bis zur Bildung und Stationierung der neuen Einheit für den Landessüden rechne, wenn sich das Finanzministerium für die Fliederwegkaserne entscheidet.

Auf dem Gelände der alten Fliederwegkaserne müsste mit großem Aufwand saniert werden. (Foto: Jan Möbius)
Auf dem Gelände der alten Fliederwegkaserne müsste mit großem Aufwand saniert werden. (Foto: Jan Möbius)

Käme die Hundertschaft in den Süden der Stadt, würde man in Magdeburg dann auch den Wünschen von OB Wiegand folgen, der schon im August gegenüber der MZ die zentrale Lage der Landesimmobilie lobte und ankündigte, für den Standort mitten in der Stadt werben zu wollen. Nicht zuletzt sehe Halles Rathauschef einen weiteren Vorteil in der Nähe zum Stadion des HFC. Die Polizei könnte dort nach Wiegands Auffassung schneller eingreifen. Allerdings stehen die Fahrzeuge etwa der eingesetzten Hundertschaften in der Regel ohnehin direkt an der Fußballarena oder zumindest im unmittelbarer Umfeld.

Für den GdP-Landesvorsitzenden Bachmann und, wie er gegenüber der StäZ sagte, auch viele seiner Kollegen ist indes ein Standort am Stadtrand von Halle wesentlich attraktiver. Dabei handelt es sich um die ehemalige Kaserne Trotha an der Magdeburger Chaussee, die im Besitz des Transportunternehmens Finsterwalder ist. Wegen der Eigentumsverhältnisse werde zwar eine Miete fällig. „Von hier können die Kollegen schnell in alle Richtungen abrücken, und es werden auch keine Anwohner gestört. Außerdem ist die Liegenschaft sofort bezugsfertig“, so Bachmann. Das habe er auch versucht, OB Wiegand in einem Gespräch so zu erklären. „Vor allem wollte ich ihm deutlich machen, dass die neue Hundertschaft nicht seine und nicht ausschließlich die Halles ist. Die Einheit soll eine Funktion für den gesamten Landessüden haben und muss deshalb logistisch günstig stationiert werden.“ Deshalb sei die Nähe zur Autobahn 14 für Bachmann kaum zu toppen.

Bachmann geht davon aus, dass es ohne die Diskussionen um den Standort die dann vierte Hundertschaft der Landesbereitschaftspolizei zum Zeitpunkt des Attentats von Halle bereits hätte geben können. „Das Innenministerium hat seine Hausaufgaben gemacht, das Personal und deren Material sind eingeplant“, so Bachmann. Doch Ressortchef Holger Stahlknecht (CDU) gab sich, wie er im August laut einem MZ-Bericht sagte, in der Standortfrage dennoch leidenschaftslos. Er akzeptiere jede Entscheidung, so Stahlknecht damals. Ihm gehe es um Wirtschaftlichkeit und eine gute Unterbringung „seiner Leute“, wie das Blatt ihn zitierte. Das Finanzministerium müsse vorrechnen, was die wirtschaftlichste Lösung ist.

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siggivonderheide@me.com
4 Jahre her

Lasst ihr euch jetzt auch auf das übliche Konzert nach einem derartig entsetzlichen Anschlag ein? Schade, regelmäßiges beschweren über Missstände bei der Polizei spielt den Hütern von „Recht und Ordnung“ in die Hände.

U. Geiß
4 Jahre her

Sicherheit und vor allem das Gefühl von Sicherheit braucht sichtbare polizeiliche Präsenz. Und die ist ohne ein Mehr an Personal nicht zu haben. Um so schneller das ins südliche Sachsen-Anhalt kommt, um so besser!