Lange reagiert auf Wiegand: „Offene Gesellschaft hat nicht versagt, sie hat triumphiert.“

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OB-Kandidat Hendrik Lange (Linke) am Donnerstag an der halleschen Synagoge. (Foto: xkn/Archiv)

Halle/StäZ – Oberbürgermeister-Kandidat Hendrik Lange (Linke) hat die Aussagen von Amtsinhaber Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) zum „Versagen der offenen Gesellschaft“ im Zusammenhang mit dem 9. Oktober scharf kritisiert. Lange sagte in einer Pressemitteilung vom Mittwoch: „Die offene Gesellschaft hat nicht versagt, sie hat in den Stunden nach der Tat triumphiert über die zerstörerischen Absichten des Täters.“ Lange bezog sich damit auf Aussagen Wiegands vom Vortag. Der OB hatte am Dienstag auf einer Pressekonferenz erklärt, er halte nichts von der nachträglichen Fahndung nach Verantwortlichen. „Niemand von den Einsatzkräften hat versagt. Versagt hat unser System der offenen Gesellschaft. Uns allen ist es nicht gelungen, einen mutmaßlichen Täter im Vorfeld zu identifizieren und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten“, so Wiegand.[ds_preview]

Wiegands Satz komme einem Eingeständnis gleich, so Lange. Er stelle, indem er die offene Gesellschaft der Stadt und ihre Anstrengungen in Misskredit bringe, „ein friedliches Miteinander aller Mitglieder unserer Gesellschaft in Frage“ und erschüttere so „unsere demokratischen Werte in ihren Grundfesten“, so Lange. „Das kann und werde ich nicht akzeptieren.“ Halle habe in den vergangenen Tagen gezeigt, was Zusammenhalt und Solidarität bedeuteten, so Lange. Und weiter: „[Halle] stand in schwierigen Stunden zusammen, hat den Angehörigen der Opfer und allen, die von der feigen Tat betroffen sind, Mitgefühl ausgesprochen und Mut gemacht. Tausende Hallenserinnen und Hallenser sind Tag für Tag gegen Hass und für eine offene Gesellschaft auf die Straße gegangen und haben bewiesen, dass unsere demokratische Stadtgesellschaft keine Mitschuld an den Geschehnissen vom 09. Oktober trägt.“

Kritik an Wiegands Aussagen kam am Mittwoch unter anderem auch vom Grünen-Landtagsabgeordneten Sebastian Striegel. Striegel erklärte auf Facebook: „Gesellschaft sind wir alle. Den Staat legitimieren wir. Die Demokratie werden wir nur erfolgreich verteidigen, wenn es den Anstand der Zuständigen und den Aufstand der Anständigen in Zusammenarbeit gibt.“ Es müsse gefragt werden dürfen, ob die Gefahr rechtsextremer Terrortaten im Vorhinein korrekt eingeschätzt worden sei. „Ich fürchte, da gab es Fehlanalysen. Über die muss man sprechen“, so Striegel.

Das hallesche Bündnis gegen Rechts hatte in Reaktion auf den Terroranschlag am Montag sieben Forderungen aufgestellt. So sollten unter anderem jüdische Einrichtungen konsequent geschützt und rechtsextreme Gewalttaten konsequent verfolgt werden. Das Bündnis forderte auch ein „Ende des Misstrauens gegen die Zivilgesellschaft“ sowie eine „dauerhafte Förderung von zivilgesellschaftlichem Engagement für Demokratie und gegen die extreme Rechte“. Gleichzeitig forderte das Bündnis den Rücktritt von Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). In seinen Zuständigkeitsbereich falle der fehlende Schutz der Synagoge in Halle. Ihm sei zudem grundsätzlich vorzuwerfen, in der Arbeit gegen die extreme Rechte versagt zu haben. Auch der Zentralrat der Juden hatte nach dem Anschlag von Halle den fehlenden Schutz der halleschen Synagoge an Jom Kippur kritisiert. Das Innenministerium hat laut Medienberichten der Darstellung widersprochen, wonach es mehrfache Forderungen der jüdischen Gemeinde nach Polizeischutz gegeben habe. Am Donnerstag soll es ein klärendes Gespräch zwischen Stahlknecht und Vertretern der jüdischen Gemeinschaft geben.

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siggivonderheide@me.com
4 Jahre her

Fehlanalysen ist eine passendere Formulierung und vermeidet Schuldzuweisung und somit das allseits beliebte Sündenbock jagen um der eigenen Verantwortung auszuweichen. Das „System der offenen Gesellschaft“ habe versagt, Herr Donald T. Wiegand gewegt sich sehenden Auges direkt auf die AfD zu. Er scheint
perspektivlos, kraftlos und verzweifelt zu sein, keine Empfehlung für eine zweite Amtsperiode.