30 Messerstiche: Entfesselte Gewalt gegen die eigene Braut

Der 30 Jahre alte Rami D. sitzt in U-Haft, weil er seine Verlobte ermordet haben soll. Mehr als 30 Stiche wurden in ihrem Körper gefunden. Ermittler stellen mögliches Tatmesser sicher.

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Spurensuche mit Hund: Die Polizei hat am Mittwoch in der Voßstraße umfangreiche Ermittlungen aufgenommen. Dazu gehörte auch die Spurensicherung im Umfeld des Tatorts. (Foto: Jan Möbius)
Spurensuche mit Hund: Die Polizei hat am Mittwoch in Halles Voßstraße umfangreiche Ermittlungen aufgenommen. Dazu gehörte auch die Spurensicherung im Umfeld des Tatorts. (Foto: Jan Möbius)

Halle/StäZ – Der unsanierte Plattenbau in Halles Voßstraße wirkt trist, nahezu verlassen. Würden an den Fenstern keine Gardinen hängen, könnte man glauben, hier wohne niemand. Die Gardinen bewegen sich aber sogar bei geschlossenen Fenstern. Die Neugier scheint groß bei den Bewohnern des Elfgeschossers, von dessen höchster Etage man einen grandiosen Blick über die Stadt haben dürfte. Doch dafür interessieren sich die Leute hier am Mittwochvormittag nicht. Sie haben entweder mit sich selbst zu tun. Oder sie beobachten hinter leicht vorgezogener Gardine, was gerade vor ihren Fenstern vorgeht. Die Polizei läuft mit einem Spürhund vor dem Haus auf und ab, drinnen sichern Kriminaltechniker Spuren. Ein Auftrag der Beamten: Ein Tatwerkzeug finden – konkret ein Messer. Ein Messer, mit dem möglicherweise tags zuvor eine junge, gerade einmal 18 Jahre alte Frau aus Afghanistan in einer Wohnung des Hochhauses so schwer verletzt wurde, dass sie wenig später starb. Als mutmaßlichen Täter hat die Polizei nach kurzer Flucht den Verlobten des Opfers festgenommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den 30 Jahre alten Afghanen wegen Mordes. Der bestreitet bisher die Tat.[ds_preview]

In diesem Gebäude wurde die schwerstverletzte Frau am Dienstag gefunden. (Foto: Jan Möbius)
In diesem Gebäude wurde die schwerstverletzte Frau am Dienstag gefunden. (Foto: Jan Möbius)

Die Polizei muss am Mittwoch ganze Arbeit leisten. Zwei Beamte der Kriminaltechnik untersuchen die Wohnung, in der die lebensgefährlich verletzte Nasi A. von ihren Familienangehörigen am Dienstag gegen 13 Uhr gefunden wurde, bis ins letzte Detail und sichern Spuren, die sie jetzt auswerten. Es sei, so die Staatsanwaltschaft in Halle, die Wohnung ihrer Mutter, in der das Opfer blutend und von mehreren Stichen verletzt lag. Notarzt und Rettungsdienst ringen dort nur Minuten nach dem Notruf um das Leben der 18-jährigen. Noch im Rettungswagen muss sie Augenzeugen zufolge wiederbelebt werden. Schnellstmöglich wird sie ins nächste Krankenhaus eingeliefert. Dort verliert Nasi A. wenig später den Kampf gegen den Tod. Von schwerer Gewalteinwirkung spricht die Staatsanwaltschaft am Mittwoch und ordnet die Obduktion der Leiche an. Mehr als 30 Einstiche werden im Körper der jungen Frau gezählt, steht in einem ersten handschriftlichen Protokoll der Untersuchung.

„Das Messer könnte bei der Tat benutzt worden sein.“

Ein Spürhund der Polizei sucht in einem Gebüsch nahe des Tatorts nach Spuren und dem Weg, den der mutmaßliche Täter auf seiner Flucht zurückgelegt haben könnte. (Foto: Jan Möbius)
Ein Spürhund der Polizei sucht in einem Gebüsch nahe des Tatorts nach Spuren und dem Weg, den der mutmaßliche Täter auf seiner Flucht zurückgelegt haben könnte. (Foto: Jan Möbius)

Während die Kriminaltechniker am Mittwochvormittag den mutmaßlichen Tatort unter die Lupe nehmen, beginnen vor dem Wohnblock Hundeführer mit ihrer Arbeit. Gezielt sollen ihre Tiere in Gebüschen und Hausecken nach Spuren suchen. Aber auch anzeigen, welchen Weg der Tatverdächtige Rami D. auf seiner Flucht zurückgelegt hat. „Möglicherweise wurde er ja dabei von Zeugen beobachtet, als er schnellen Schrittes weglief“, so Staatsanwalt Klaus Wiechmann. Der Fluchtweg soll auch Aufschluss darüber geben, ob der mutmaßliche Täter direkt zum Bahnhof rannte oder noch einen Stopp bei einem Bekannten einlegte. Auch nach einer möglichen Waffe wird am Mittwoch fieberhaft gesucht. Und tatsächlich finden Beamte ein Messer. „Das Messer könnte bei der Tat benutzt worden sein und wurde sichergestellt“, so Wiechmann. Wie und wo das Messer gefunden wurde, das sagte er aus ermittlungstaktischen Gründen nicht. Zunächst wolle man den Tatverdächtigen intensiv befragen.

„Bei ihm wurde ein französisches Dokument gefunden.“

Zwei Kriminaltechniker der Polizeiinspektion Halle bringen gesicherte Spuren zu ihrem Wagen. (Foto: Jan Möbius)
Zwei Kriminaltechniker der Polizeiinspektion Halle bringen gesicherte Spuren zu ihrem Wagen. (Foto: Jan Möbius)

Der sitzt inzwischen im Untersuchungsgefängnis. Um 16 Uhr wird er am Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt, nachdem die Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen Rami D. beantragt hatte. Allein die Gefahr, dass der 30-Jährige noch einmal die Flucht ergreift, reicht in diesem Moment wohl für die Verkündung der U‑Haft. Tatvorwurf: Mord. Aus niederen Beweggründen. Staatsanwalt Wiechmann geht von einer brutalen Beziehungstat aus. „Vermutlich wollte sich die Frau vom Mann lossagen.“

Rami D. habe keinen deutschen Pass und sei auch nicht mit einem Wohnsitz in der Bundesrepublik gemeldet. „Bei ihm wurde ein französisches Dokument gefunden, das jetzt auch erst einmal untersucht werden muss“, so Wiechmann gegenüber der Städtischen Zeitung. Dennoch schließen Ermittler nach StäZ-Informationen nicht aus, dass der Mann schon seit Jahren in Deutschland leben könnte – offenbar unerkannt. Genaue Zeiträume sollen jetzt geklärt werden. Dazu gehört laut Wiechmann indes auch, dass man ermittelt, wie lange das Opfer des Verbrechens schon in Deutschland wohnte. „Wir wissen bisher nur, dass sie sehr gut deutsch sprach“, sagte der Staatsanwalt. Der Vater von Nasi A. sei in Afghanistan von den Taliban getötet worden.

Auf die Spur des Täters sind die Ermittler schon am Dienstag gekommen – und das sehr schnell. „Man konnte sein Handy orten und so jede Bewegung verfolgen“, so Wiechmann. Rami D. befolgte offenbar nicht, was jeder Täter im Fernseh-Krimi als erstes macht: Das Handy wegwerfen. Möglicherweise hätte er es so bis nach Frankreich oder an ein anderes Ziel geschafft. Doch stattdessen wartet am Dienstagabend in Frankfurt am Main rund acht Stunden nach der mutmaßlichen Tat die Bundespolizei auf dem Bahnsteig, nimmt den Afghanen fest und bringt ihn am Mittwochvormittag zurück nach Halle. „Das war eine Spitzenarbeit der Polizei“, resümiert Staatsanwalt Wiechmann. In ersten Vernehmungen bestreitet Rami D. die Tat. „Wir stehen aber noch ganz am Anfang der Ermittlungen. Es werden weitere Vernehmungen folgen“, so Wiechmann. Dazu gehöre auch eine Abfrage in Frankreich, ob der 30-Jährige dort bereits einschlägig bei der Polizei bekannt ist.

Beamte der Polizei beginnen mit der Spurensuche vor dem Haus. (Foto: Jan Möbius)
Beamte der Polizei beginnen mit der Spurensuche vor dem Haus. (Foto: Jan Möbius)
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