Wolfgang Aldag: „Parteien nicht permanent schlechtreden“

Im Interview spricht Grünen-Stadtrat Wolfgang Aldag über seinen Weg vom parteilosen OB-Unterstützer in eine der heutzutage vielgescholtenen Parteien. Die, findet er, sind besser als ihr Ruf.

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„Der OB schafft sich ein Machtgefüge jenseits der demokratischen Strukturen.“

Ist etwas zu Bruch gegangen zwischen Ihnen und Hauptsache Halle und dem Oberbürgermeister?
Aldag: Ja.

Warum?
Aldag: Weil aus heutiger Sicht, am Ende der Amtszeit, nicht das eingetreten ist, wofür wir damals angetreten sind. Zu einer Wahl anzutreten und den Menschen Dinge zu versprechen, die ich dann einfach nicht mache, das ist für mich schwer zu akzeptieren. Offenheit und Transparenz sind überhaupt nicht mehr gegeben. Das erleben wir in jeder Stadtratssitzung. Das erleben zahlreiche Bürgerinitiativen. Man wird teilweise offen angelogen. Es laufen ein Haufen Geschäftchen im Hintergrund: mit dem Sparberater, die Vergaben an die Firmen des Herrn Rauschenbach. Es kann durchaus sein, dass die Position als OB einem nur schwer eine andere Wahl lässt in dieser Stadt. Aber trotzdem bleibt es für mich eine Frage der Haltung.

Der Filz in Halle sei unter dem jetzigen OB schlimmer geworden, meint Wolfgang Aldag (Foto: xkn)

Hat sich der sprichwörtliche hallesche Filz unter OB Wiegand einfach fortgesetzt?
Aldag: Ich würde sagen, er ist schlimmer geworden. Denn er findet inzwischen ganz offensichtlich statt. Es ist ja offen und klar, was passiert. Aber das ist eine bittere Form der Transparenz.

Was meinen Sie konkret?
Aldag: Die Verquickungen zwischen Rathaus, Rauschenbach, HFC, Sparkasse, den städtischen Unternehmen sind ja bei weitem kein Geheimnis mehr. Das ist eine schwierige Melange, in der der OB ganz klar mitspielt und sich ein Machtgefüge in dieser Stadt jenseits der demokratischen Strukturen schafft. Insofern ist es schlimmer geworden. Er hätte Nein sagen können. Das meine ich mit Haltung. Er hat aber nicht Nein gesagt. Die Vorstellung, mit einem Unabhängigen dem Filz zu Leibe zu rücken, hat sich jedenfalls als Illusion entpuppt.

In Hannover ist gerade der SPD-Oberbürgermeister zurückgetreten, weil er wegen noch nicht gerichtlich bestätigter Untreue-Vorwürfe angeklagt worden ist. In Halle hat der parteilose OB zwei jahrelange Prozesse überstanden und ist am Ende freigesprochen worden. Übersteht man so etwas als Parteiloser besser?
Aldag: Den Verein Hauptsache Halle, der ihm hätte Druck machen können, gab es ja nicht mehr. Aber man braucht sich ja nur anschauen, wer aus der damaligen Truppe heute noch dabei ist: Das sind Sabine Ernst und Lothar Rochau. Der Rest von damals ist weg oder tritt nicht mehr in Erscheinung. Auch das ist ein Zeichen der Distanzierung.

Aber es gibt neue Leute bei Hauptsache Halle, die in Halle bekannt sind: Matthias Nobel, Manuela Hinniger, Stefan Schirrmeister, Sven Thomas… Was vereint diese Menschen aus Ihrer Sicht?
Aldag: Sie sind alle abhängig beziehungsweise haben eigene Interessen. Aufgrund ihres Berufes oder anderer Aktivitäten wollen sie irgendetwas von der Stadt. Immer wenn es neue Wählervereinigungen gibt, heißt es so schön: „Wir sind unabhängig. Jetzt passiert endlich etwas. Wir bringen die Stadt nach vorn.“ Als ob die ganze Zeit nichts in der Stadt passieren würde und alle anderen bloß blöd rumsitzen würden.

Aber das ist doch ein legitimer Impuls in einer Demokratie: Anzutreten, um es besser zu machen, um neu mitzumachen. 
Aldag: Ja, das ist so, gar keine Frage. Ich wollte nur auf das Schema hinweisen. Entscheidend sollte meiner Ansicht weniger die Rhetorik sein, als die tatsächlichen Inhalte und konkreten Vorschläge. Und da sollte auch der Wähler genau hinschauen: Ist da nur heiße Luft und Personenkult, oder traut man den Menschen auch gute Politik zu, wenn sie dann selbst „im System“ des Stadtrats drin sind.

„Es gibt keine Grenzen für Engagement für unsere Stadt.“

Warum sollte man bei Ihren Befunden nicht politikverdrossen sein?
Aldag: Weil es sich immer lohnt, in der Politik für Sachen und Ideen zu kämpfen, die die Stadt nach vorn bringen. Dazu ist Politik da, ob sie von Parteien oder von Wählervereinigungen gemacht wird. Man muss nur aufpassen, dass man an beide die gleichen Maßstäbe anlegt. Und man darf nicht einer Sprache hinterherlaufen, die die Gremien wie den Stadtrat und die, die in ihnen arbeiten, oder Parteien als Ganzes permanent schlechtredet. Jeder hat in der Kommunalpolitik die Möglichkeit mitzumachen. Ob in Parteien oder in Wahlvereinen. Es gibt keine Grenzen für Engagement für unsere Stadt.

Wie wird der neue Stadtrat aussehen?
Aldag: Abwarten. Ich glaube aber, dass er vielfältiger wird. Die Arbeit wird dadurch schwieriger werden, vor allem falls die AfD mit mehr Leuten einzieht. Wir haben das im Landtag gemerkt und merken es auch im Stadtrat, seit sich die AfD-Fraktion dort im letzten Jahr konstituiert hat: Es ist sehr laut und aggressiv geworden, ohne dass wir sachlichen Lösungen dadurch näherkommen würden. Es werden Regeln bewusst verletzt, nur um rumzuschreien. Das kann es in der Demokratie nicht sein.

Nach der Stadtratswahl ist im Oktober ja noch die OB-Wahl. Wie wichtig ist das Stadtratswahlergebnis für die OB-Wahl?
Aldag: Es wird natürlich ein Vorteil sein, wenn sich bei der Stadtratswahl zeigt, wo es inhaltliche und thematische Mehrheiten gibt in der Stadt. Das bringt Rückhalt, aber letztlich müssen im Oktober die einzelnen Kandidaten überzeugen. Und da ist Hendrik Lange [gemeinsamer rot-rot-grüner Kandidat, Anm. d. Red.] eindeutig der Beste.

Er ist auch der einzige der bisherigen OB-Kandidaten, der für den neuen Stadtrat kandidiert.
Aldag: Das ist wichtig, denn er hat dadurch viel besser die Möglichkeit, mit dem amtierenden OB in die inhaltliche Auseinandersetzung zu kommen. Hendrik Lange ist erfahrener Kommunalpolitiker. Er kann dem OB inhaltlich Paroli bieten, weil er sich als Stadtrat in den Themen bestens auskennt. Es wird darauf ankommen, die Konfrontation noch viel stärker zuzuspitzen, um klar zu machen: Er ist der beste Mann für das Amt.

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