Unibesetzung: Fridays for Future und Students for Future vereinigen sich

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Das besetzte Melanchthonianum mit Fridays for Future davor. (Foto: Luca Schooß Neves)

Halle/StäZ – Ungewöhnliches Bild am Freitagmorgen auf dem Campus der Martin-Luther-Universität: Am Melanchthonianum, einem der zentralen Gebäude des Campus, hängen Transparente. „Klimagerechtigkeit“ oder den „Kohleausstieg“ fordern sie. Aktivisten und Aktivistinnen von „Students for Future“ haben aus Solidariät mit „Fridays for Future“ das Melanchthonianum besetzt. Vor dem Gebäude versammeln sich Studierende. Sie reden miteinander oder verteilen Flyer, andere wirken verwirrt und schauen zu. Etwas abseits stehen drei Polizisten zusammen mit der Versammlungsbehörde und den Verantwortlichen der Universität. Die Stimmung ist entspannt und abwartend. Es ist wieder Fridays-for-Future-Tag in halle, und erstmals steht die Universität im Blickpunkt des Geschehens.[ds_preview]

Laut Markus Leber, Kanzler der Martin-Luther-Universität, habe er morgens um halb acht auf dem Weg zur Universität von der Besetzung erfahren. Bei seiner Ankuft auf dem Gelände habe ein Vermittlungsteam den Kontakt zwischen ihm und den Besetzenden hergestellt. Der Kanzler will räumen lassen. Am Samstag findet der Hochschulinformationstag statt. Externe Dienstleister und auch Mitarbeiter der Universität müssen in das Gebäude, um es dafür herzurichten. Es gehe um mehere tausende Euro, heißt es. Zwischen Unterstützern und der Universitätsleitung läuft immer wieder das Vermittlungsteam hin und her.

Students for Future solidarisieren sich mit Schülerdemo

Hinter der Besetzung stecken „Students for Future“. Schon um drei viertel sieben hatten sie sich getroffen, um für einen Tag das Gebäude zu vereinnahmen. Sie wollen die Fridays-for-Future-Demonstration unterstützen. Diese wird später auch an der Universität vorbeiziehen. Als Aktionsform haben sie die Besetzung gewählt, so Leon, einer ihrer Sprecher, weil sie nur so genügend Aufmerksamkeit für die Sache erhielten. Wenn sie als Studierende „im klassischen Sinne streiken würden“, würde dies niemanden interesieren, ist er sich sicher.

Neben der Solidarität mit Fridays for Future, haben die Studierenden auch Forderungen an ihre Universität. Laut Leon müsse sich diese stärker öffentlich in die Debatte um den Kliamwandel einmischen und deutlich Position beziehen. Als öffentliche Bildungseinrichtung habe diese „eine Verantwortung“, der sie gerecht werden müsse, so der Student. Weiter fordern sie, dass sich die Martin-Luther-Universität kritisch mit sich selbst auseinandersetzt. Denn der Klimawandel sei in der Lehre unterrepräsentiert, genauso wie studentische Initiativen ignoriert werden. Als Beispiel nimmt Leon die Wirtschaftswissenshaften. Dort werde der Klimawandel, so die Kritik von Students for Future, als ein „isoliertes Thema“ betrachtet. Soziale und wirtschaftliche Fragen würden keine Rolle spielen. Deutlicher wird das später in einem Redebeitrag formuliert, der vom Balkon des Melanchthonianums gehalten wird. Grenzenloses Wachstum und eine kapitalistische Wirtschaftsordnung, das sei mit einer nachhaltigen Politik nicht kombinierbar, so die Rednerin.

Auf dem Campus werden Plakate gemalt. (Foto: Luca Schooß Neves)

Mittlerweile ist es früher Mittag. Neben den Unterstützern bauen Arbeiter Zelte für den Hochschulinformationstag auf. Aus dem Melanchthonianum werden Seifenblasen gepustet. Auf dem Platz davor Plakate gemalt. Aus einer kleinen Box läuft Musik. Hier und da sind einige Diskussionen zu sehen, doch die bleiben die Ausnahme. Die meisten Menschen auf dem Campus unterstützen die Aktion. Die Jurastudentinnen Julia und Jana sitzen an der Cafeteria und versuchen herauszufinden, in welchen Raum ihre Veranstaltung verlegt wurde. Sie finden die Besetzung richtig, denn der Klimawandel sei ein großes Thema, wo die Politik endlich eingreifen müsse. Den geplanten Kohleausstieg für 2038 halten sie für zu spät. Auch ein Mitarbeiter der Universität, der anonym bleiben möchte, findet den Anschluss an die Proteste der Schüler „mega korrekt“.

Die Polizei hat sich bereits entfernt. Weder das Vermittlungsteam, noch Verantwortliche der Universität sind lange Zeit zu sehen. Erst als beide Seiten sich auf einen Kompromiss einigen konnten, tauchen sie wieder auf. Die Verhandlungen, so Markus Leber, seien konstruktiv verlaufen. Man werde die vorbeikommende Fridays-for-Future-Demonstration abwarten. Danach könnten Mitarbeiter das Gebäude betreten, um die notwenigen Vorkehrungen für den Hochschulinformationstag zu erledigen. Bis zum Abend werden die Besetzer und Besetzerinnen das Gebäude verlassen, ihre Transparente jedoch bis Sonnabend hängen lassen.

In einer angesetzten Pressekonferenz erklären der Kanzler und der Prorektor Wolfgang Paul ihr Verständnis für die Besorgnis der Studierenden. Auch Wolfgang Paul, selbst Physiker, hält den Klimawandel für besorgniserregend. Die Folgen einer Erderwärmung vom 2 Grad, „treiben auch Wissenschaftler um“, meint er. Er plädiert für einen größeren Dialog der Universität mit den Studierenden. Sofern sich die Besetzer an den Kompromiss halten, werde es von Seiten der Martin-Luther-Universität keine Konsequenzen geben, da die Gespräche konstruktiv gewesen seien und auch keine Straftaten begangen worden sind.

Fridays For Future erreicht Universitätscampus

Fridays for Future auf dem Weg zum Leipziger Turm. (Foto: Luca Schooß Neves)

Gegen halb eins kommt die Fridays-For-Future-Demonstration an der Universität an. 800 Menschen sollen es sein. Schnell ist der ganze Platz gefühlt. Jung und alt, haben sich versammelt. Zwischen Redebeiträgen ertönen immer wieder Sprechchöre wie: „What do we want? Climate Justice! When do we want it?“ Now!“ Viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Demonstration freuen sich über das Engagement der Studierenden. Ein Vater sagt, er sei von der Aktion überrascht worden, doch darüber sehr glücklich. Auch die beiden Schüler Fabian (14) und Clemens (13) finden die Besetzung gut. „Es kann nicht sein, dass sich das Klima ändert“, meinen sie. Peter von Lampe, einer der Organisatoren der Fridays-for-Future-Demonstrationen in Halle, ist ebenso erfreut. Dass die Initiativen um Fridays for Future breiter werden und neue Aktionsformen annehmen, sei schön zu sehen. Ähnlich sieht es Hendrik Lange (Die Linke). Er unterstützt Fridays for Future, weil er das Engament junger Menschen für wichtig hält. Ihm zufolge müsse sich in Sachen Klimaschutz noch viel mehr bewegen, als durch die Regierungen durchgesetzt werde. Auch Stura-Sprecher und Stadtratskandidat  Lukas Wanke (Die Linke) ist persönlich der Meinung, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema sei. Die Proteste könne die Uni als Anlass nehmen, mehr zu tun.

Kritik kommt hingegen von der Liberalen Hochschulgruppe und von Christoph Bernstiel (CDU). Beide haben kein Verständnis für die Aktion. In einer Pressemitteilung spricht die liberale Hochschulgruppe von „kriminellen Hausbesetzern“. Außerdem fragt sie, welches Bild die Studierenden von der Universität abgeben würden. Bernstiel fordert auf Facebook, die Besetzung, die ohnehin nur einen Tag dauern soll, sofort zu beenden. Auch rückt er die Besetzer in die Nähe von Linksextremisten. Es bleiben die einzigen schrillen Töne an diesem Tag.

Nach der Kundgebung auf dem Universitätsgelände zieht die Fridays for Future-Demonstration weiter Richtung Leipziger Turm, wo sie endet. Auf dem Campus bleiben die Unterstützer. Gegen zwei verlassen dann die Besetzer zusammen mit den Mitarbeitern unter Jubel das Gebäude. Gemächlich packen die Leute ihre Sachen zusammen und gehen ihrer Wege.

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