Kommentar: Stadtrat braucht keine Koalitionen

Die vermeintliche Zersplitterung des Stadtrats wird an der Arbeit des Gremiums wenig ändern, denn er arbeitet schon jetzt gemeinwohlorientiert, findet Felix Knothe.

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Felix Knothe ist Gründer der Städtischen Zeitung

Acht Parteien und Gruppierungen ziehen in Fraktionsstärke in den neuen Stadtrat ein. Dazu kommen drei bislang fraktionslose Stadträte. Doch wer jetzt Zersplitterung und Beschlussunfähigkeit befürchtet, irrt gewaltig. Er misst den Stadtrat in Kategorien, in denen er nie funktioniert hat. Fraktionszwang oder gar feste Koalitionen hat es hier in all den Jahren nie gegeben. Und der Stadtrat wird sie auch in der kommenden Legislaturperiode nicht brauchen.[ds_preview]

Daran hat übrigens auch das rot-rot-grüne Bündnis aus Linkspartei, Grünen und SPD (R2G), das sich Anfang 2018 gebildet hatte, nicht viel geändert. Es ist ein loses Bündnis zwischen drei Parteien, die in sozialen und Umweltfragen ohnehin oft auf einer Linie sind. Aber es ist eben auch nicht mehr als das. Dass es für R2G rechnerisch nicht mehr zur absoluten Mehrheit reicht, dürfte sich bei Abstimmungen daher kaum auswirken. Denn die relative Mehrheit ist da, und auf die kommt es bei den meisten Abstimmungen mangels eines einheitlichen Gegenlagers an. Aber R2G stimmt auch jetzt schon bei weitem nicht bei allen Abstimmungen einheitlich ab, oft auch zum wechselseitigen Ärger. Auch vor der OB-Wahl im Oktober wird R2G im Stadtrat – der bis dahin ohnehin nur zu zwei ordentlichen Sitzungen zusammenkommt – keine Einheitsfront bilden, so wie auch CDU und FDP nicht.

Wer von Zersplitterung spricht, verkennt auch, dass der Stadtrat in einem sehr zentralen Aspekt in der vergangenen Legislatur so gut wie immer einer Meinung war: im Verhältnis zum Oberbürgermeister. Mindestens bis Oktober wird sich auch daran kaum etwas ändern. Denn der Einzug des OB-Wahlvereins Hauptsache Halle mit nur vier Stadträten verschiebt hier die Gewichte nicht entscheidend. Der Konflikt war auch nie einer zwischen „den Parteien“ und „dem Parteilosen“. Er hat seine Ursachen in der polarisierenden Persönlichkeit des Oberbürgermeisters und seiner Büroleiterin. Und wenn der OB seine Ankündigung wahr macht, alle Fraktionen im Stadtrat gleich zu behandeln, wird auch bei Hauptsache Halle bald Ernüchterung über den Umgang der Stadtverwaltung mit dem Stadtrat einziehen.

Bleibt das rechtsradikale Sechstel der AfD. So dramatisch es ist, dass der rechte Rand erstmals auch im Stadtrat derart stark ist. Machtpolitisch kann man ihn in den kommenden fünf Jahren dennoch getrost vernachlässigen. Der Stadtrat wird seine Willensbildung auch weiter jenseits der AfD vollziehen. Dazu braucht man kein Prophet sein. Zu absurd ist bisher das Auftreten, zu wirr die Strategie und zu extremistisch das Personal der sogenannten Alternative. Vielleicht wird es den Ausländerhassern und Verschwörungsschwadronierern einmal irgendwann gelingen, einen reinen Sachantrag zu stellen, der Randgruppen nicht über einen Kamm schert, Konflikte in der Stadt nicht weiter zuspitzt oder nicht den Untergang des Deutschen an die Wand malt. Vielleicht wird es dann einmal auch demokratische Räte geben, die bei einem solchen Antrag mit der AfD stimmen. Es werden Einzelfälle bleiben. Wenn sie nicht von Medien oder falsch verstandener Rücksicht anderer Fraktionen stark gemacht wird, wird die AfD im Stadtrat wirkungslos bleiben.

Denn Stadtratsarbeit in Halle war und ist im Wesentlichen gemeinwohlorientiert. Kaum ein Mitglied, das nacktes Eigen- oder Partikularinteresse in den Vordergrund stellt. Die Vielfalt der Meinungen in der Stadt wird hier gut abgebildet und meist zu tragfähigen Kompromissen geformt. Die vielen Sachfragen werden also weiter in den Ausschüssen hin und her gewälzt werden. Bei strittigen Fragen wird auch weiter zuerst der Kompromiss gesucht werden. Und in der einen oder anderen Frage wird auch mal die parteipolitische Konfrontation gesucht werden, um die jeweils eigene Linie hervorzuheben. So funktioniert die kommunale Demokratie. Die neue Vielfalt ist dabei eher zu- als abträglich.

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siggivonderheide@me.com
4 Jahre her

Hoffentlich wird es so geschehen, der kurze Ausbruch einer Profilneurose bei den Grünen, speziell Frau Brock lässt aber ahnen was auch passieren kann…