Verschlusssache Wiegand

OB Bernd Wiegand hat eine Disziplinarstrafe erhalten, gegen die er sich wehren will. Die Unterlagen dazu sind allerdings geheim.

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Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) weist die Ergebnisse des Disziplinarverfahrens gegen sich zurück. (Foto: xkn/Archiv)

Halle/StäZ – Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) ist seit rund einer Woche ein Beamter, der sich nach Ansicht des Landesverwaltungsamts (LVwA) schwerer Dienstvergehen im Amt schuldig gemacht hat. Die Aufsichtsbehörde hatte Ende März das seit Jahren andauernde Disziplinarverfahren gegen den OB vorläufig abgeschlossen und die Stadt zu einer ein halbes Jahr dauernden Kürzung der Bezüge Wiegands um 20 Prozent (rund 2000 Euro im Monat) verpflichtet. Während Wiegand sofort nach dem Verdikt in die Offensive gegangen ist und alle Vorwürfe von sich gewiesen hat, ist man im Stadtrat konsterniert, denn die Räte kennen bis jetzt keinerlei Details. Wiegands harsche Reaktion auf die Entscheidung der Kommunalaufsicht ist nun jedoch gleich wieder ein Fall für dieselbe geworden. Sie prüft, ob es in Ordnung war, dass Wiegand seine Mitteilung per offizieller Pressemitteilung der Stadt verbreitet hat. Eigentlich darf Wiegand in der Sache nicht ohne Weiteres auf Ressourcen der Stadt zurückgreifen.[ds_preview]

In dem Verfahren geht es um drei Vorwürfe: um den 2013 eigenmächtig begonnenen Deichbau am Gimritzer Damm, den durch Wiegand ebenfalls eigenmächtig am Stadtrat vorbei veränderten Haushaltsplan 2013 und um Grundstücksverkäufe im Charlottenviertel, die die Stadt 2016 am Stadtrat vorbei scheibchenweise abgewickelt hatte. In allen drei Fällen habe Wiegand „ein Dienstvergehen realisiert“, so das LVwA. Doch niemand außer Wiegand selbst darf wissen, wie die Entscheidung zustandegekommen ist. Nicht einmal der Stadtrat, der Dienstvorgesetzter des Oberbürgermeisters ist. Die Disziplinarverfügung, die die Vorwürfe, die Beweisführung, Belastendes und Entlastendes sowie die Schlussfolgerungen in dem Verfahren beinhaltet, bleibt bis auf Weiteres unter Verschluss. Das hat das Landesverwaltungsamt auf StäZ-Nachfrage bestätigt. Datenschutz. Denn der Stadtrat hatte seinerzeit das Verfahren an die Kommunalaufsicht abgegeben. Aus Sicht der Behörde ist der Rat damit ganz raus aus dem Verfahren.

OB weist Vorwürfe als „politisch motiviert“ zurück

Wiegand hatte in einer stark vom beginnenden OB-Wahlkampf geprägten Erklärung am Montag, die von der Pressestelle der Stadtverwaltung verbreitet worden war, das Disziplinarverfahren und die Entscheidung der Kommunalaufsicht einmal mehr als „politisch motiviert“ gegeißelt und damit die Nachrichtenlage bestimmt, noch bevor überhaupt der Stadtrat informiert war. Die Vorwürfe wies er zurück und kündigte Widerspruch gegen die LVwA-Entscheidung an. Materieller Schaden sei der Stadt zudem nicht entstanden.

Die Reaktionen aus dem Stadtrat, der sich seit 2013 um die Aufklärung und Aufarbeitung der seinerzeit hochumstrittenen Vorgänge bemüht hatte, blieben zunächst verhalten. Denn vernünftig einschätzen, so der Tenor, lasse sich der Spruch aus dem Landesverwaltungsamt nicht, ohne das gesamte Papier zu kennen. An die gerade neu gewählte Stadtratsvorsitzende Katja Müller (Linke) war jedoch mit zeitlicher Verzögerung lediglich ein gut einseitiges Schreiben von LVwA-Präsident Thomas Pleye gegangen, in dem nur kurz die drei Punkte, in denen Wiegand Verfehlungen begangen haben soll, sowie die festgelegte Strafe genannt waren.

„Für den Stadtrat ist es befremdlich, dass wir die Begründung nicht einsehen können“, sagte Müller am Donnerstag auf StäZ-Anfrage. Der Stadtrat habe seinerzeit das Verfahren eingeleitet, das Landesverwaltungsamt habe es dann nach langem Hin und Her an sich gezogen. „Nun können wir aber nicht nachvollziehen, ob die Beweggründe des Rats überhaupt stichhaltig waren“, so Müller. Sie wolle sich nun mit den Fraktionen gemeinsam beraten, wie es in der Sache weitergehe.

Durfte Wiegand Pressestelle der Stadt nutzen?

Das Landesverwaltungsamt blieb am Donnerstag gegenüber der Städtischen Zeitung zunächst bei seiner Auffassung, ließ aber möglicherweise eine Hintertür offen. „Die Disziplinarverfügung wird dem Stadtrat nicht bekanntgegeben, da das Verfahren vom LVwA durchgeführt wurde“, so Sprecherin Denise Vopel. „Die Disziplinarverfügung selbst kann dem Stadtrat nur aufgrund eines begründeten Antrags zur Verfügung gestellt werden. So sieht es das Verfahren vor.“

Auch die Reaktion des OB mittels städtischer Pressemitteilung könnte noch ein Nachspiel haben, wie die Kommunalaufsicht auf StäZ-Nachfrage mitteilte. „Das Disziplinarverfahren richtet sich gegen den einzelnen Beamten“, so Vopel. „Eine etwaige Rechtsverteidigung ist seine höchstpersönliche Angelegenheit.“ Wiegand kann sich also nicht etwa vom Rechtsamt der Stadt vertreten oder beraten lassen. Ähnliches könnte wohl auch für seine öffentlichen Erklärungen in eigener Sache gelten: Die Pressestelle der Stadt ist nicht das PR-Büro des Beamten Wiegand. „Insofern ist die Verfahrensweise seitens des Oberbürgermeisters zu hinterfragen und wird durch das LVwA derzeit geprüft“, so die Sprecherin mit Bezug auf die umstrittene Pressemitteilung.

Wiegand hatte in seiner Erklärung auch mehrere Vorwürfe erhoben, um seine Sichtweise auf das Verfahren zu stützen. Das Landesverwaltungsamt hat dazu am Donnerstag auf StäZ-Anfrage ebenfalls Stellung genommen:

  • Zum Vorwurf, das Verfahren sei politisch motiviert, heißt es: „Das LVwA handelt im Rahmen der Gesetze und nicht politisch motiviert. Jede Entscheidung muss schließlich einer gerichtlichen Überprüfung standhalten.“
  • Wiegand hatte auch behauptet, der juristische Streit habe sich durch rechtliche Änderungen in der Zwischenzeit erledigt. Dazu das Landesverwaltungsamt: „Zum Zeitpunkt der dem Disziplinarverfahren zugrunde gelegten dienstrechtlichen Verstößen gab es keine die Verstöße rechtfertigenden rechtlichen Änderungen.“
  • Wiegand hatte zudem auf zahlreiche Entscheidungen des Stadtrats verwiesen, die umgekehrt in seine Kompetenzen eingegriffen hätten. Diese seien vom LVwA zwar beanstandet worden, seien „im Übrigen aber folgenlos“ geblieben. Dazu das LVwA: „In der Vergangenheit gab es tatsächlich zahlreiche Widersprüche des Oberbürgermeisters gegen Beschlüsse des Stadtrates, denen ungefähr zur Hälfte stattgegeben wurden. Diese Beschlüsse betrafen aber nicht die dem Disziplinarverfahren zugrunde liegenden Sachverhalte. Im Übrigen bleiben die etwaigen rechtswidrigen Beschlüsse des Stadtrates sanktionslos, da es sich bei den Mandatsträgern nicht um Beamte handelt.“
  • Ein weiteres Argument Wiegands ist, dass die im Disziplinarverfahren monierten Vorgänge von den Juristen der Stadt und anderen unabhängigen Juristen jeweils überprüft worden seien und das LVwA seinerzeit jeweils in die Vorgänge involviert gewesen sei. Auch hier widerspricht das LVwA: „Zu den entsprechenden Sachverhalten gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen den Juristen der Stadt bzw. den vom Oberbürgermeister beauftragten Rechtsanwälten und dem LVwA. Dies wurde bei Bekanntwerden der jeweiligen Vorgänge auch gegenüber der Stadt vertreten. Insofern ist es irreführend, von ‚unabhängigen‘ Juristen zu sprechen.“

Womöglich werden all diese Fragen noch eine Weile die Juristen und letztlich womöglich auch Gerichte beschäftigen. Den angekündigten Widerspruch gegen die Disziplinarstrafe hat der OB indes noch nicht eingereicht. Stand Donnerstag, lag er beim Landesverwaltungsamt noch nicht vor.

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siggivonderheide@me.com
5 Jahre her

Das tut sooo gut! es steht zu hoffen das es Donald T. OB jetzt endöich aus dem Sattel hebt. Hauptsache Wiegand scheint wirklich ein Auslaufmodell zu werden.