Standort Halle? Cyberagentur steckt noch in den Kinderschuhen

Die Bundesregierung hat noch keine Standortentscheidung getroffen. Sachsen plädiert inzwischen für den Flughafen als Behördensitz. Halle hätte dabei vermutlich das Nachsehen.

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Die Cyberagentur des Bundes soll Projekt zur Entwicklung von Technologien in Auftrag geben, mit der Deutschland Internetkriminellen immer einen Schritt voraus ist. (Foto: Bundeswehr)
Die Cyberagentur des Bundes soll Projekt zur Entwicklung von Technologien in Auftrag geben, mit der Deutschland Internetkriminellen immer einen Schritt voraus ist. (Foto: Bundeswehr)

Halle/Berlin/StäZ – Eine Bundesbehörde soll ihren Sitz in der Region Leipzig/Halle bekommen: Das ließ Ende Januar dieses Jahres aufhorchen, als Verteidigungsministerin Ursula von Leyen verkündete, wo die neue Cyberagentur des Bundes ihren Standort aufbauen wird. Drei Monate sind seitdem vergangen. In dieser Zeit ist es still geworden um das anfangs umjubelte Projekt. Der Grund: Die Cyberagentur, die mit Forschungsprojekten im Bereich der Internetsicherheit Deutschland einen technologischen Vorsprung vor Kriminellen und ausländischen Mächten sichern soll, steckt noch in den Kinderschuhen. Bis heute steht noch nicht einmal der genaue Standort fest.[ds_preview]

Arbeitsgruppe hat noch nicht getagt

Die Agentur für Innovation in der Cybersicherheit soll eigentlich im zweiten, also aktuellen Quartal dieses Jahres als GmbH in der Wirtschaftsregion Leipzig/Halle gegründet werden, teilte Bettina Berg vom Aufbaustab im Bundesverteidigungsministerium auf Nachfrage der Städtischen Zeitung mit. Konkreter konnte die Sprecherin aber zu einem möglichen Standort noch nicht werden. Aus gutem Grund: Nachdem in Berlin Anfang dieses Jahres die Entscheidung für den Großraum Leipzig/Halle als Standort der Cyberagentur gefallen war, wurde zunächst eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Die besteht laut Berg aus Mitgliedern des Verteidigungsministeriums, des Innenministeriums sowie der Finanzministerien von Sachsen und Sachsen-Anhalt. Das erste Treffen der Arbeitsgruppe sei derzeit erst für Anfang Mai dieses Jahres geplant, so Berg. Aber auch dabei ist noch nicht mit einer Standortempfehlung an die Bundesregierung zu rechnen. „Ziel der Arbeitsgruppe wird insbesondere die Konkretisierung der infrastrukturellen Anforderungen sein“, sagte Berg zur StäZ.

Standort muss militärische Sicherheitskriterien erfüllen

Dabei gibt der Cyberagentur-Aufbaustab der Arbeitsgruppe aber schon wichtige Eckpunkte mit auf den Weg. Sprecherin Berg. „Neben allgemein guten Infrastrukturbedingungen ist insbesondere eine gute Anbindung an den regionalen Flughafen ein wesentliches Auswahlkriterium.“ Zudem müsse der Standort eine geeignete IT-Infrastruktur bieten, militärische Sicherheitskriterien erfüllen, eine gute Verkehrsanbindung sowie attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen für das gesuchte Spitzenpersonal mit sich bringen. Wegen des zeitlichen Drucks könne man sich im Aufbaustab der Agentur als Unternehmenssitz auch eine Interimslösung vorstellen, bis ein Neubau realisiert ist.

Somit bleibt weiter offen, wer – Leipzig oder Halle – den ganzen Kuchen oder nur ein Stück davon abbekommt. Der ist nicht gerade klein. Die Bundesregierung rechnet mit einem Investitionsvolumen von bis zu 400 Millionen Euro zwischen 2020 und 2023. In dieser Zeit soll nicht nur die nötige Infrastruktur geschaffen werden. Bis zu 100 neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Die wiederum könnten dann nicht nur an einen festen Hauptstandort gebunden sein. „Das flexible Agenturkonzept sieht vor, Programmbüros je nach Schwerpunkt des ausgewählten Programms, dezentral anzusiedeln“, erklärte Agentur-Sprecherin Berg.

Riebeckplatz und Scheiben nicht im Rennen?

Die von der Stadt Halle nach Bekanntwerden der Standortentscheidung angebotenen Flächen am Riebeckplatz oder eine der Scheiben in Neustadt dürften schon wegen der zitierten militärischen Sicherheitskriterien kaum in Frage kommen. Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) hatte diese beiden Varianten ins Spiel gebracht. Der Rathauschef sei im September 2018 vom CDU-Bundestagsabgeordneten Christoph Bernstiel gebeten worden, über ihn beim Bund eine Bewerbung der Stadt Halle zur Ansiedlung der Cyber-Agentur einzureichen. Die Verkündung des Großraums Leipzig/Halle wertete Wiegand Ende Januar als Erfolg dieser Bemühungen.

Auch CDU-Mann Bernstiel titelte damals in einer Pressemitteilung: „Neue Cyberbehörde kommt nach Halle (Saale)“. In derselben Mitteilung verallgemeinerte er aber nur wenige Absätze später das Ansiedlungsvorhaben auf die Metropolregion Halle/Leipzig. Drei Monate danach möchte der Bundestagsabgeordnete nun nicht weiter auf die Cyberagentur und die Frage nach deren Standort eingehen. „Der Prozess zur Ansiedlung der Cyberagentur ist aktuell noch nicht abgeschlossen, und zu nicht abgeschlossenen Prozessen äußert sich Christoph Bernstiel nicht“, ließ er seine Mitarbeiterin in Berlin mitteilen. Und weiter: „Sie können aber davon ausgehen, dass wir selbstverständlich weiterhin für den Standort Halle kämpfen und auch davon ausgehen, dass die Bundesagentur auch hier angesiedelt wird.“

Sachsens Ministerpräsident plädiert für Flughafen als Standort

Das sieht man im Nachbarland Sachsen offenbar anders. Ministerpräsident Michael Kretschmer, Parteifreund von Bernstiel, nannte gegenüber der in Magdeburg erscheinenden „Volksstimme“ seinen Favoriten: Für Kretschmer sei der beste Standort der Flughafen Leipzig–Halle. Der Airport biete Platz, sei gut an das Straßen- und Bahnnetz angebunden und liege an der Grenze beider Bundesländer. Der Flughafen habe zudem auch den Auftrag, ein Ansiedlungskonzept zu erarbeiten. Eine Entscheidung in Berlin für den Airport als Standort der Cyberagentur dürfte aber in Halles Rathaus und in Sachsen-Anhalts Staatskanzlei  in Magdeburg kritisch gesehen werden: Der Flughafen liegt zwar an der Ländergrenze, aber komplett auf sächsischer Seite.

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