Stadtmuseum Halle: Auf der Suche nach neuen Geschichten

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Stadtgefährten im Stadtmuseum. Die Auftaktveranstaltung zu „Geschichten, die fehlen“ am 12. März 2019. (Foto: Thomas Ziegler)

Halle/StäZ – Das Stadtmuseum dokumentiert das Leben von Bürgern in Halle. Sein Auftrag ist es, alltägliche Lebenssituationen einzufangen und wiederzugeben. Indem es mit Hilfe von Gegenständen den Alltag von Hallensern archiviert und ausstellt, prägt das Museum das kollektive Gedächtnis dieser Stadt. Jedoch gelang es dem Museum bisher nicht, die Diversität der Bürger in Halle in seiner Gänze abzubilden. Mit dem neuen Projekt „Geschichten, die fehlen“ soll sich dies nun ändern. Erstmalig widmet sich das Museum den alltäglichen Erfahrungen von Menschen mit Beeinträchtigungen.[ds_preview]

Elke Arnold ist die Koordinatorin des Projekts. Für sie ist es ein „offener Prozess“, an dessen Ende eine Ausstellung konzipiert wird. Es gäbe verschiedene Formate, an denen Menschen mit Beeinträchtigungen eingeladen sind, sich zu beteiligen, sagt sie. Zweimal im Monat organisiere das Museum einen Stammtisch. Neben dem Stammtisch fänden außerdem „Sprechstunden“ statt. Auf der Plattform, ein abgetrennter Bereich in der Dauerausstellung des Standorts Druckerei, sitzt ab dem 17. April jeden Mittwoch zwischen 15 Uhr und 17 Uhr ein Mitarbeiter des Museums. Interessierte können dort Einzelgespräche führen. Wer weder zu den Stammtischen noch zu den Sprechstunden kommen könne, habe auch die Möglichkeit, individuelle Termine zu vereinbaren.

Teilnehmer sollen Ausstellung aktiv mitgestalten

Das Projekt, das eine Kooperation zwischen dem Museum, dem Allgemeinen Behindertenverband Halle und der Inklusionsberaterin Nadine Wettstein ist, soll es den Besuchern und Besucherinnen ermöglichen, sich in die Lebenswelt von Menschen mit Beeinträchtigungen hineinzuversetzen. Hierbei versteht sich das Stadtmuseum selbst als Kommunikationsplattform. Die Teilnehmer des Projekts seien dabei keine „Gäste“. Im Gegenteil, das Museum möchte, dass sie die Konzeption der Ausstellung „aktiv mitgestalten“. Alles, was die Teilnehmer dem Museum zur Verfügung stellen oder überlassen, solle später ausgestellt werden. Sollte dies etwa aus Platzmangel nicht möglich sein, so werde das Museum zusammen mit den Teilnehmern eine Auswahl treffen.

Für viele Menschen, die selber nicht von Beeinträchtigungen betroffen seien, sei es schwer, sich in ein solches Leben hineinzuversetzen, meint Elke Arnold. Vielen Menschen sei auch nicht bewusst wie viele unterschiedliche Formen von Beeinträchtigungen es gebe, findet die Koordinatorin. Andererseits werden die Perspektiven von Menschen mit Beeinträchtigungen häufig nicht gezeigt. Das Projekt möchte daher die unterschiedlichen Lebenswelten von Menschen mit Beeinträchtigungen vorstellen. Indem die Menschen ihre Realität selber darstellen, sollen Clichés und Stereotype aufgebrochen werden. Allein in der Stadtverwaltung würden mehr als 300 Menschen mit „offiziellen Beeinträchtigungen arbeiten“. Viele Menschen mit Beinträchtigungen hätten einen Berufsalltag, doch darüber sei laut Elke Arnold wenig bekannt. Das soll sich nun ändern.

Im Rahmen von „Geschichten, die fehlen – Aus dem Leben von Menschen mit Beinträchtigungen in Halle“ werden nicht nur die Geschichten von Bewohnern von Halle erzählt. In einer Rückschau stellt das Museum außerdem dar, wie in der Vergangenheit Menschen mit Beinträchtigungen in Halle gelebt haben und wie mit ihnen umgegangen worden ist.

Inklusion ist kein Selbstläufer

Für Museen sei Inklusion schon länger ein Thema. Für das Stadtmuseum bleibe es dennoch ein fortlaufender „Lernprozess“, erzählt die Koordinatorin Elke Arnold. Die Kommunikation untereinander sei mitunter „herausfordernd“, wenn alle Beteiligte unterschiedliche Bedürfnisse hätten. Das Museum entwickelt nun einen Leitfaden, um auch zukünftig seine Barrieren weiter zu reduzieren. Denn, das betont Elke Arnold auch: Barrierefreiheit, das wird es nie geben. Höchstens Barrierearmut. Bisher arbeiten sie mit Dolmetschern, Audiodeskription und weiteren Mitteln. Für Elke Arnold sei das ein stetiger Sensibilisierungsprozess. Sie ist der Meinung, dass Barrierarmut vielen Menschen nütze. Rampen beispielsweise, so argumentiert sie, verschaffen nicht nur Menschen mit Rollstühlen freien Zugang zu Orten, sondern sie erleichtern auch Menschen mit Kinderwägen das Leben.

Klar wird, dass Inklusion und Barrierearmut keine Selbstläufer sind und durchaus Geld kosten. Elke Arnold erzählt zum Beispiel von einer blinden Frau, die Bergwanderungen unternehme. Eine solche Teilhabe sei möglich, dafür müssten aber auch Mittel zu Verfügung gestellt werden. Das Museum versteht sich selbst daher auch als einen politischen Raum, der das Leben von Menschen mit Beeinträchtigungen sichtbarer machen und die Stadtgesellschaft zur Diskussion anregen möchte.

Nächtes Treffen: „Rendezvous mit Bierflasche, Henckerbeil & Co“ – 26. März 2019, 17:15 Uhr. 

Stammtische: Dienstags (17:15 Uhr ‑19:15 Uhr) und Donnerstags (13:00 bis 15:00 Uhr). Die genauen Daten finden sie beim Stadtmuseum. 

Die Sprechstunden finden ab dem 17. April jeden Mittwoch zwischen 15 Uhr und 17 Uhr statt.

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