Mieterhöhungen sorgen in Neustadt für Unsicherheit

Etliche Bewohner machen sich Sorgen, weil sie künftig an das Unternehmen "Grand City" mehr Geld zahlen sollen. Indes hat die Politik das Thema für sich entdeckt.

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Am Pfännereck in Halle-Neustadt stehen zwei markante Punkthochhäuser, die optisch den Abschluss des Magistralenverlaufs bilden. Sie gehören der "Grand City". (Foto: Jan Möbius)
Am Pfännereck in Halle-Neustadt stehen zwei markante Punkthochhäuser, die optisch den Abschluss des Magistralenverlaufs bilden. Sie gehören der „Grand City“. (Foto: Jan Möbius)

Halle/StäZ – In Halle-Neustadt haben zahlreiche Mieter des Wohnungsunternehmens „Grand City Property“ (GCP) in den vergangenen Tagen Schreiben mit der Ankündigung einer Mieterhöhung erhalten. Betroffene sprechen von teils stattlichen, sogar drastischen Aufschlägen von bis zu 20 Prozent. Viele von ihnen treibe nach eigenen Worten die Angst um, ihre Wohnungen nicht mehr bezahlen zu  können und am Ende zu verlieren. Die GCP-Schreiben an die Mieter des Unternehmens haben längst auch die kommunale Politik erreicht: Die „Freien Wähler“ nutzten am Mittwoch die Gelegenheit, aktiv in den Wahlkampf mit einer Bürgerversammlung in Neustadt speziell zu den angekündigten Mieterhöhungen  von „Grand City“ einzugreifen. Die SPD machte derweil via Facebook ihren Standpunkt deutlich. Offen blieb jeweils aber, ob bisher überhaupt ein Vertreter der halleschen Kommunalpolitik mit dem Vermieter GCP Kontakt aufgenommen hat. Dort hat man naturgemäß einen anderen Blick auf die aktuelle Situation. Vor allem aber in Bezug auf die Menge der betroffenen Neustädter macht das Unternehmen andere Angaben als etwa die „Freien Wähler“. [ds_preview]

In der Zerbster Straße in Halle-Neustadt steht der zu DDR-Zeiten längste Wohnblock. Auch dort haben Mieter Erhöhungen bekommen. (Foto: Jan Möbius)
In der Zerbster Straße in Halle-Neustadt steht der zu DDR-Zeiten längste Wohnblock. Auch dort haben Mieter Erhöhungen bekommen. (Foto: Jan Möbius)

StäZ-Recherchen haben ergeben, dass Mieter aus dem ehemals längsten Wohnblock  der DDR an der Zerbster Straße, aus den Punkthochhäusern am Pfännereck sowie aus dem  Hochhaus am Bruchsee 12 Mieterhöhungen erhalten haben. Allerdings längst nicht alle. Und die zugestellten „Mieterhöhungsverlangen“, wie die Briefe betitelt sind,  fallen durchaus unterschiedlich aus. So berichten von GCP angeschriebene Mieter gegenüber der Städtischen Zeitung von Steigerungen zwischen bis zu 20 Prozent. Man habe die Höhe der zu zahlenden Miete überprüft und festgestellt, dass diese „unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete“ läge, heißt es in den Schreiben. Das beinhaltet zudem eine Erklärung, wie sich die neue monatliche Zahlung zusammensetzt. Zur Berechnung führt GCP die ortsübliche Vergleichsmiete an. Und nennt auch die gesetzliche Obergrenze für eine mögliche Mieterhöhung. Die liegt bei maximal 20 Prozent – die sogenannte Mietpreisbremse. In einem der StäZ vorliegenden und durchgerechneten Beispiel kommt es aber so weit nicht: Die Steigerung würde eine Mieterhöhung um etwas mehr als vier Prozent ausmachen. Auch in anderen Fällen ergeben sich offenbar selten Mietsteigerungen, die an die 20-Prozent-Grenze gelangen.

Die Erklärung in der Schreiben zu den Mieterhöhungen scheint aber bei vielen Betroffenen Fragen zu hinterlassen. Rund 60 Mieter kamen nach Angaben der „Freien Wähler“ in Halle am Mittwoch zu einer Informationsveranstaltung der Vereinigung parteiloser Kandidaten für den Stadtrat. Deren Vorsitzender Johannes Menke sagte zur StäZ, er schätze, dass rund  400 bis 500 Menschen von den GCP-Mieterhöhungen betroffen sein könnten. Genaue Zahlen kenne aber auch er nicht. Am Mittwochabend informierte er auf seiner Veranstaltung vorwiegend über die Möglichkeiten, rechtlich gegen eine Mieterhöhung vorzugehen. Der praktizierende Rechtsanwalt gehe nach eigenen Worten davon aus, dass die von GCP vorgestellten Vergleichswohnungen nicht heranziehbar seien und die Mieterhöhung „daher mit einem relativ geringen Risiko juristisch angefochten werden könnten“. Konkretes müsste in einem Gutachten, womöglich vor Gericht, festgestellt werden. „Sollten sich genügend Mieter zusammenfinden, sind die individuellen Kosten für ein solches Gutachten verhältnismäßig gering“, sagte Rechtsanwalt Menke, der einen Stapel Visitenkarten gleich parat hatte. 

Die Reaktionen der Mieter waren am Mittwoch durchaus unterschiedlich. Während einige die Erhöhung ihrer Wohnkosten als „normale Entwicklung“ betrachteten, befürchteten andere, mittelfristig ihre Wohnungen, in denen einige schon mehr als dreißig Jahre leben, verlassen zu müssen. Gegenüber der StäZ beklagten einige nicht nur die geplanten Mieterhöhungen. Sie kritisierten auch, dass viele der GCP-Gebäude seit mehr als 20 Jahren nicht mehr saniert worden seien. Eine Betroffene sagt dazu am Mittwochabend: „Ich wohne seit über 20 Jahren in der Wohnung. Wenn man nicht selbst Hand angelegt hat, dann hätte man immer noch Fußbodenbeläge und Türen aus DDR-Zeiten in der Wohnung.“ 

Auch das Hochhaus am Bruchsee gehört Grand City. (Foto: Jan Möbius)
Auch das Hochhaus am Bruchsee gehört Grand City. (Foto: Jan Möbius)

Unterdessen hat sich auch das Unternehmen „Grand City Property“ zu den Mieterhöhungen geäußert. Auf StäZ-Nachfrage sagte Sprecherin Katrin Petersen am Donnerstag, die  bisherige Darstellung der „Freien Wähler“ sei nicht korrekt. „Der weit überwiegende Teil unserer Mieter in Halle hat keine Mieterhöhungsschreiben erhalten.“ Die versendeten Anpassungen würden zudem durchschnittlich elf Prozent der monatlichen Kaltmiete oder 58 Cent pro Quadratmeter umfassen. Somit könne nicht pauschal von einer 20-prozentigen Mieterhöhung ausgegangen werden. Auch eine auf der Veranstaltung der „Freien Wähler“ genannte Behauptung, es handele sich in vielen Fällen nicht um die erste Mieterhöhung sei falsch. „Die große Mehrheit der Empfänger der versendeten Schreiben der letzten Tage, nämlich 88 Prozent, haben nie zuvor eine Mietanpassung von uns erhalten“, so Petersen. Die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete sei zudem gesetzlich geregelt und festgelegt für solche Fälle, in denen eine Stadt oder Gemeinde keinen offiziellen Mietspiegel zur Verfügung stellt. Das ist in Halle seit Jahren der Fall. Die Stadt äußerte sich bisher zu Fragen der Städtischen Zeitung rund um die infrage stehenden Mieterhöhungen in Neustadt nicht.

GCP-Sprecherin Petersen trat auch den Vorwürfen entgegen, man habe nicht in den Gebäudebestand und in den Mieterservice investiert. „GCP hat sich in Halle einer langfristigen Strategie verschrieben. Vom ersten Tag an haben wir nachweislich und in großem Umfang in unsere Wohnhäuser, Wohnungen, Infrastruktur und lokale Mieter-Services investiert.“ Man habe auch ein großes Regionalbüro im Pfännereck eröffnet. Auch künftig soll in Halle kontinuierlich finanziell investiert werden.

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