Hitlergruß an Gutjahrschule: Lob für Lehrer, Kritik für den Staatsanwalt

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Die Berufsschule Gutjahr. (Foto: sn)

Halle/StäZ – Nach der Einstellung des Verfahrens wegen eines Hitlergrußes an der Berufsschule Gutjahr in Halle-Neustadt steht die Staatsanwaltschaft Halle weiter in der Kritik. Politiker und Initiativen gegen Rechtsextremismus äußerten am Donnerstag ihr Unverständnis. Von der Schule forderten sie, nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen. Zwar bestehe an halleschen Schulen grundsätzlich kein gravierendes Problem mit rechtsextremen Schülern, dennoch brauche es jetzt eine umfassende Aufklärung und Prävention, so der Tenor.[ds_preview]

Für Hendrik Lange (Linke), rot-rot-grüner Oberbürgermeister-Kandidat und Bildungspolitiker im Stadtrat, ist die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft „absolut befremdlich“. Eine Schule sei ein öffentliches Gebäude und somit auch ein „öffentlicher Raum“. Andreas Schachtschneider, CDU-Politiker aus Halle-Neustadt und selbst Lehrer an der Gutjahrschule, bezweifelt, dass die Staatsanwaltschaft ihren „kompletten Ermessenspielraum augeschöpft“ habe. Diesen Eindruck teilt Torsten Hahnel von Miteinander e.V.. Ihm zufolge gebe es zudem bei der hiesigen Staatsanwaltschaft eine „auffällig hohe Zahl an Verfahrenseinstellungen im Kontext von Rechtsextremismus“. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft sorgt mittlerweile nicht nur auf kommunaler Ebene für Kritik. Laut einem Beitrag der Mitteldeutschen Zeitung kann auch der sachsen-anhaltische Bildungsminister Marco Tullner (CDU) die Einstellung des Verfahrens nicht nachvollziehen. „Der Lehrer hat genau richtig reagiert und hat meine Unterstützung. Hier gilt der Begriff der wehrhaften Demokratie“, so Tullner zur MZ.

Schachtschneider: Kein Weiter-so

Doch es ist nicht nur das Verhalten der Staatsanwaltschaft, das Fragen aufwirft, sondern auch die Hinweise auf möglicherweise rechtsextreme Hintergründe an der Schule. Laut Schulleiter Rüdiger Bauch habe der Schüler seine Tat bereits direkt danach bereut. Er sei den Tränen nahe gewesen. Dem widerspricht jedoch eine Angabe des Oberstaatsanwalts Ulf Lenzner gegenüber der Städtischen Zeitung, wonach der Schüler in der polizeilichen Vernehmung geleugnet haben soll, den Hitlergruß gezeigt zu haben. Die Staatsanwaltschaft folge zwar den Schilderungen des Lehrers, da aber kein Strafbestand vorliege, sei für sie keine „weitere Aufklärung nötig.“

Für Andreas Schachtschneider ist die Leugnung des Schülers „kein gutes Zeichen“. Nach diesem Vorfall werde es „100-prozentig kein Weiter-so geben“, sagte er. Zusammen mit der Schulsozialarbeit wolle man an der Gutjahrschule Reaktionsmöglichkeiten entwickeln, um in „Zukunft solche Sachen ausschließen“ zu können. Er selber habe auf der Schule einen solchen Vorfall noch nicht erlebt. „Vereinzelt“ sehe man zwar Kleidung der in rechtsextremen Kreisen beliebten Marke „Thor Steinar“, im täglichen Bild falle ihm das aber nicht auf.

In der Politik wie auch bei Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, wird der Vorfall ernst genommen. Maria Wagner von Friedenskreis Halle meint, dass die Motivation und Hintergründe des Schülers bekannt sein müssten, um den Vorfall bewerten zu können. Der Friedenskreis ist die Koordinationsstelle des Netzwerks „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ für Halle. Die Gutjahrschule ist nicht Teil des Netzwerks. Für Torsten Hahnel und Hendrik Lange ist der Vorfall „krass und ungewöhnlich“. Laut Torsten Hahnel brauche es jetzt ein klares Programm und das „Bekenntnis zu einer offenen und demokratischen Gesellschaft“ von Seite der Schule.

Forderung nach präventiven Konzepten

Die Schule hat unterschiedliche Möglichkeiten, um auf den Vorfall zu reagieren. Zum einen kann sie in einer Klassenkonferenz disziplinarische Maßnahmen verhängen. Bisher hat die Schule nicht erklärt, wieso die Klassenkonferenz noch nicht stattgefunden hat, obwohl sich der Vorfall bereits im Oktober ereignet hatte. Neben schulischen Maßnahmen könnte laut Andreas Schachtschneider auch der Betrieb des Schülers eingeschaltet werden.

Neben der Aufklärung des Vorfalls müsse sich die Berufsschule über mögliche präventive Konzepte Gedanken machen, meint Hendrik Lange. Er will die Zusammenarbeit zwischen Schulen und zivilgesellschaftlichen Bildungsträgern stärken. Hier sieht Maria Wagner ein Problem, denn es gebe genügend Angebote von Trägern. Die Schulen müssten diese nur wahrnehmen. Als zivilgesellschaftlicher Bildungsträger sei es „schwierig, in die Schulen reinzukommen“.

Zusätzlich könnten laut Torsten Hahnel Schulen ihre Hausordnungen nutzen, um rechtsextreme Symbole und Kleidungen auf dem Gelände der Schule zu verbieten. Allerdings reiche es nicht aus, die Hausordnung anzupassen. Es müsse ein Prozess zusammen mit den Schülern stattfinden, in dem die Schüler nachvollziehen, wieso Rassismus problematisch sei, meint Torsten Hahnel. Diese Präventionsprogramme richten sich nicht an Schüler mit geschlossen rechten Weltbildern. Sollten diese auftreten, dann müsse die Lehrkraft klarmachen, dass sie den Schüler als „Mensch akzeptiert“, jedoch nicht „seine politischen Einstellungen“. Hier sei eine „Mischung aus Repression und Ausstiegsmöglichkeiten notwendig“, meint er. Um rechtsextremistische Vorfälle zu vemeiden, brauche es außerdem ein demokratisches Klima an Schulen. Mit einem größerem Aufwand könnten Schulen mit Hilfe der Mobilen Opferberatung gegen Rechts ihre schulinternen Abläufe untersuchen und gegebenenfalls verbessern, um ein demokratisches Miteinander zu gewährleisten.

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