Ein Hitlergruß ohne Folgen

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Die Berufsschule Gutjahr mit der Ausländerbehörde im Hintergrund. (Foto: Luca Schooß Neves)

Halle/StäZ – Die Staatsanwaltschaft Halle hat ein Verfahren gegen einen Schüler der Berufsschule Gutjahr eingestellt, der im Klassenraum den Hitlergruß gezeigt und „Sieg heil!“ gerufen haben soll. Bekannt geworden ist der Fall am Dienstag, weil der Lehrer, der den Vorfall zur Anzeige brachte, die Entscheidung der Staatsanwaltschaft per Twitter anonymisiert veröffentlichte. Der Beschluss der Staatsanwaltschaft führte zu Kritik und Unverständnis.[ds_preview]

Laut Oberstaatsanwalt Ulf Lenzer habe kein Straftatbestand vorgelegen, da die Staatsanwaltschaft den Klassenraum als nicht öffentlich einstufe. Für ein „Propagandadelikt“ müsse der Täter sich vorstellen, „auf unbestimmt viele Menschen einwirken zu können“, sagte er. Dies sei nicht der Fall gewesen. Auf Nachfrage bestätigte der Oberstaatsanwalt allerdings, dass die juristische Bewertung, ob es sich bei einem Klassenraum, um einen öffentlichen oder nicht-öffentlichen Raum handle, strittig sei. Eine detaillierte Begründung für die Entscheidung des zuständigen Staatsanwalts konnte er nicht darlegen. Valentin Hacken vom Bündnis gegen Rechts Halle kritisierte die Staatsanwaltschaft dafür, dass sie rechtsextreme Gewalt nicht ernstnehme und sie ihre „juristischen Mittel nicht ausschöpft.“ Ein Vorwurf, den Ulf Lenzer wiederum für unbegründet hält.

Der Lehrer hatte nach eigenen Angaben sofort Schulleiter Bauch und dieser dann die Polizei verständigt. Der Vorfall soll sich laut dem auf Twitter kursierenden Schreiben der Staatsanwaltschaft an den Lehrer ereignet haben, als ein Mitschüler des 18-Jährigen den Unterrichtsraum betrat. Der Beschuldigte soll diesen dann mit dem Nazigruß begrüßt haben. Der Lehrer war unmittelbar Zeuge des Geschehens. Noch im Unterrichtsraum sei die Anzeige aufgenommen worden.

Laut Schulleiter Rüdiger Bauch sei die Gutjahrschule von der Entscheidung der Staatsanwaltschaft, den Hitlergruß zu den Akten zu legen, überrascht gewesen. An der Schule „gibt es keine Toleranz für rechtes Gedankengut“, sagte er. Im Gegenteil, es würden Schüler aus 31 Ländern „weitesgehend friedlich miteinander lernen“. Ohne die Tat relativieren zu wollen, glaube er, dass der Schüler „cool wirken wollte“, als er den Hitlergruß zeigte. Der Vorfall, der im Oktober stattgefunden hat, werde zu entsprechenden Maßnahmen führen. Dafür sei eine Klassenkonferenz und nicht er alleine zuständig. Er findet aber, dass „die Ermahnung schon Strafe genug“ sei.

„AFA BXN“ ist eine in der rechten Szene übliche Abkürzung für „Antifa Boxen“. Das Graffiti prangt gegenüber der Schule. (Foto: Luca Schooß Neves)

Unterdessen gibt es Hinweise, dass die Gutjahrschule gleichwohl ein möglicherweise größeres Problem mit rechtsextremen oder zumindest mit dem Rechtsextremismus liebäugelnden Schülern hat. Im nahen Umfeld der Schule sind rechtsgerichtete Sticker keine Seltenheit. Auch ein rechtes Graffiti ist zu sehen. Laut StäZ-Informationen kommt es darüber hinaus nicht selten vor, dass Schüler Kleidung der Marke Thor Steinar tragen. Auch seien bereits Symbole der Identitären Bewegung aufgetaucht. Die Kleidermarke Thor Steinar gehört zu den bekanntesten Kleidercodes von Neonazis. Ein Schüler der Gutjahrschule sagte zudem gegenüber der Städtischen Zeitung, er habe bisher schon mehrfach Mitschüler den Hitlergruß zeigen sehen. Auch T‑Shirts mit antisemitischen Aufschriften und germanischen Runen kämen bei manchen seiner Mitschüler vor.

Der Fall wird nun auch ein Nachsspiel im Landtag haben. Laut einem Bericht der Mitteldeutschen Zeitung will die Grünen-Fraktion am Freitag im Rechtsausschuss darüber debattieren.

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Stefan Weißhampel
5 Jahre her

Beim Urheberrecht gelten Klassenräume als öffentlich. Ich bin verwirrt.