Stadt verteidigt Abholzung von Wald in Halles Stadtteil Trotha

Aus Sicht des Umweltamtes wird das Haldengebiet im Norden von Halle nach dem Kahlschlag durch die Aufforstung mit Eichen ökologisch aufgewertet. Wiegands Referent misst der Robinie keine Bedeutung bei.

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Geringelt, nicht gefällt: Die Robinien in Trotha sollen langsam absterben. Das Vorgehen der Bahn in dem Wäldchen wird von der Stadtverwaltung in Halle verteidigt. (Foto: Jan Möbius)
Geringelt, nicht gefällt: Die Robinien in Trotha sollen langsam absterben. Das Vorgehen der Bahn in dem Wäldchen wird von der Stadtverwaltung in Halle verteidigt. (Foto: Jan Möbius)

Halle/StäZ – Die Stadt Halle verteidigt das Vorgehen der Deutschen Bahn, die in diesem Jahr in Trotha einen kompletten Wald abholzen lassen lässt. Der Robinien-Bestand sei in schlechtem Zustand. „Es ist gefährlich, sich dort aufzuhalten, weil man immer damit rechnen muss, dass Bäume umstürzen oder Äste abbrechen“, sagte jetzt Halles Umweltamtschefin Kerstin Ruhl-Herpertz. Sie habe Verständnis dafür, dass die Anwohner in Trotha betroffen reagieren und den Eingriff als radikal empfinden. Langfristig werde jedoch ein neuer Wald entstehen, den die Bahn zum Ausgleich für den Bau der Zugbildungsanlage an der Paracelsusstraße anpflanzen müsse. Viele Hallenser aus dem Norden der Stadt hatten sich über den drohenden Kahlschlag in ihrer Nachbarschaft besorgt geäußert. Dort wurden 2.000 Robinien geringelt. Das heißt, ihre Rinde wird einmal um den gesamten Stamm herum abgeschnitten, um die Bäume zum Absterben zu bringen. Oliver Paulsen, Grundsatzreferent bei Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) räumte ein, dass man zu dem Thema früher und besser hätte informieren müssen. „Das Ergebnis wäre  aber in diesem Fall kein anderes gewesen“, so der ehemalige Grünen-Stadtrat.[ds_preview]

Wald hatte nach dem Krieg Pionierfunktion für Rekultivierung

Laut Umweltamtschefin Ruhl-Herpertz sind die Arbeiten im Trothaer Wäldchen, wie das Areal genannt wird, zunächst beendet und sollen erst im Herbst weitergehen. Sie sagte, dass die bisher gelaufenen und noch anstehenden Maßnahmen einen rein ökologischen Hintergrund hätten. Das Gelände in Trotha liege über einem alten Bergbaugebiet. „Dort gibt es tiefe Einbrüche, es handelt sich also um Haldengebiet.“ Schon nach dem Zweiten Weltkrieg sei die Frage aufgekommen, wie man das Areal aufwerten könne. „Man hat sich nach den damaligen wissenschaftlichen Erkenntnissen dafür entschieden, Robinien anzupflanzen“, so Ruhl-Herpertz. Der Baum habe den Vorteil, dass er mit schlechten Böden zurecht kommt und ein Stickstoffsammler ist. „Das heißt, die Robinie ist für einen sogenannten Pionierwald gut geeignet, um später einen hochwertigen Wald anpflanzen zu können.“ Eichen zum Beispiel hätte zum Zeitpunkt der Aufforstung auf der Halde nicht Fuß fassen können. „Deswegen hat man sich dazu entschlossen, in Größenordnungen Robinien anzupflanzen“, sagte Ruhl-Herpertz. Man müsse dabei aber beachten, dass der Baum ein Neophyt ist, der Ende des 17. Jahrhunderts aus Amerika eingeführt wurde. Weil sie nicht heimisch ist, hat die Robinie den Nachteil, dass sie unseren Insekten nur wenig Lebensraum bieten könne. „Auf einer Robinie leben nur ein Bruchteil der Tiere, die etwa auf einer Eiche leben.“

Anfrage von Bahn nach Fläche kam für Stadt zur richtigen Zeit

Inzwischen habe der vergleichsweise kleine Wald in Trotha seine Aufgabe zur Rekultivierung getan. Wegen des schlechten Zustands sei die Anfrage der Bahn nach Kompensationsflächen für den Bau der Zugbildungsanlage für die Stadt gerade recht gekommen, so Ruhl-Herpertz. „Als Alterative stand im Raum, dass das Wäldchen zusammengebrochen wäre.“ Wir sind jetzt aber in der Lage, den schon seit langem angedachten Waldumbau in Trotha mit Hilfe der Bahn durchzuführen. Das Vorgehen ist im Planfeststellungsverfahren zur Zugbildungsanlage festgeschrieben worden. „Dort steht drin, dass der Waldumbau spätestens ein Jahr nach Inbetriebnahme abgeschlossen sein soll.“

Für dieses Frühjahr sind die Arbeiten erst einmal planmäßig abgeschlossen. Erst im Herbst soll es im Trothaer Wäldchen weitergehen. Das Ringeln der Robinien sei Ruhl-Herpertz zufolge nach aktuellen Erkenntnissen die zuverlässigste Methode, um die Bäume zum Absterben zu bringen. Im zweiten Schritt sollen dann alte Pappeln gefällt werden. Ruhl-Herpertz: „Ziel ist, wieder Platz zu schaffen für einheimische Pflanzen. Vor allem für die Traubeneiche.“ Die brauche große Flächen. „Da genügt es nicht, wenn ein oder zwei Bäume aus dem Bestand herausgenommen werden“, sagte die Umweltamtschefin. Außerdem sei die Traubeneiche gegen Trockenheit sehr resistent.

Erst in fünf Jahren trage die Stadt die Verantwortung für den neuen Wald. Bis dahin müsse sich die Bahn um die Pflege kümmern. Erst wenn das gelungen ist, werde das Gebiet an die Stadt übergeben. „Ich möchte daran erinnern, dass vor vielen Förstergenerationen mit Mut Traubeneichen in der Dölauer Heide gepflanzt wurden. Das sind heute unsere wertvollsten Bereiche, die sogar unter europäischem Schutz stehen.“

Kaum Widerstand von Naturschützern

Ungewöhnlich wenig Widerstand kommt aus Reihen der Naturschützer. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Wolfgang Aldag habe Gespräche mit mehreren Verbänden geführt, nachdem er von Anwohnern Trothas auf die Vorgänge in „ihrem“ Wäldchen hingewiesen worden sei. „Die Umweltverbände fanden es nicht so ganz glücklich, in dieser Größenordnung Bäume wegzunehmen, weil die Robinie extreme Trockenheit aushält. Und auch für Bienen bietet die Robinie ein entsprechendes Blütenangebot“, so Aldag. Der Waldumbau werde aber auch von den Verbänden grundsätzlich nicht als falsche Maßnahme angesehen. „Ob man ihn so massiv machen sollte, ist aber fraglich“, meinte Aldag.

Wiegand-Referent misst Robinien wenig Bedeutung bei

Wiegands Grundsatzreferent Oliver Paulsen widersprach der Ansicht der Naturschützer und will den Robinien in Trotha nur wenig Bedeutung beimessen. „Ich finde es in dieser Diskussion wichtig, dass man den Baum nicht auf einen Thron hebt, auf dem er nicht stehen sollte.“ Die Robinie habe keine herausgehobene Funktion als Bienenweide. „Als Pollenspender taugt sie jedenfalls gar nichts.“ Auch ihre Resistenz gegen Trockenheit sei  kein Alleinstellungsmerkmal. „Da gibt es heimische Baumarten, die auf solche Standorte passen. Traubeneiche, Ahorn und Linden passen dort gut hin“, so Paulsen. Es gebe für ihn keinen Fakt, der die Robinie so wertvoll macht, dass „wir sie dort erhalten müssen“. Der Konkurrenzdruck der Robinie sei zudem derart groß, dass es kaum zu schaffen sein werde, im Trothaer Wald so viel Raum und Licht zu bieten, wie er für andere Arten gebraucht wird. „Auch das ist ja der Grund, warum wir dort so offensiv rangehen“, sagte Paulsen. Noch dazu sei die Robinie ein hochgiftiger Baum. „Wenn es hier vor allem auch um die Nutzung des Wäldchens geht, muss man auch das kritisch betrachten.“

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