Papenburgs neue Müllkippe in Halle

Die Firma mit den gelben Fahrzeugen plant nicht nur eine neue Deponie in Ammendorf. Sie will auch eine alte Halde mit zehntausenden Tonnen neuen Bauschutts "stilllegen".

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In diesem Loch will die Firma Papenburg eine neue Bauschuttdeponie errichten. Die Bilder zu diesem Text wurden im Dezember 2018 aufgenommen. (Foto: xkn/Archiv)

Halle/StäZ – Was hat Papenburg in Ammendorf vor? Diese Frage treibt seit Monaten viele Menschen in Halles Süden um, vor allem in der sogenannten Heimstättensiedlung zwischen Brückenstraße und Alfred-Reinhardt-Straße. Denn ungewöhnliche Dinge passieren jenseits des „Waldes“, einer kleinen grünen Hügelkette, die sich im Nordosten der Heimstättensiedlung befindet und ein beliebtes Naherholungsgebiet ist. Mann kann dort gut joggen oder ausgiebig spazieren gehen, mit dem Hund oder ohne, auf großer Runde auch vorbei an einem kleinen Gewässer namens „Das Blaue Auge“ bis hin zum Osendorfer See. Seit einiger Zeit aber hat die große Baufirma mit den gelben Fahrzeugen ein mehrere Fußballfelder großes und mehrere Meter tiefes Loch gebaggert. Bis 2016 war dort eine landwirtschaftliche Fläche, die auch so im Flächennutzungsplan verzeichnet ist. Seit Herbst wird auch eine ehemalige Halde, die bereits seit Jahrzehnten mit Büschen und Bäumen bewachsen war, kahlgeschoren. Schwere Erdarbeiten finden auch dort statt, und an der Nordflanke dieser sogenannten „Bodenkippe Ammendorf“ entleeren schwere Laster täglich neu ihre Ladungen.[ds_preview]

Anwohner befürchten, dass hier mitten in einer der vielgerühmten grünen Ecken von Halle eine neue Mülldeponie entstehen soll.

Und sie haben recht mit ihrer Vermutung.

Nach StäZ-Recherchen hat Papenburg bei der Stadt die Eröffnung einer neuen Deponie für Bauschutt der Kategorie DK0, also für gering belastete Stoffe, beantragt. Derzeit läuft das Beteiligungsverfahren für Träger öffentlicher Belange. Die neue Deponie soll hauptsächlich in dem ausgeschachteten Großloch entstehen, das derzeit bereits an einen Tagebau erinnert. Nun hat die Stadt auf eine Anfrage der Linksfraktion im Stadtrat hin die Pläne auch offiziell bestätigt. Papenburg selbst schweigt.

3800 schwere Kipperladungen Bauschutt, um Deponie abzuschließen.

Seit 2016 oder 2017 ist der Mutterboden des ehemaligen Feldes, das Papenburg dem Vernehmen nach einem Bauern abgekauft hatte, großflächig abgetragen worden. Papenburg hat die Erde aus dem Loch vor allem für die Böschungen der neuen Osttangente genutzt. Dazu hatte die Stadt der Baufirma extra eine Baugenehmigung erteilt. Nun will der Bauriese die Fläche offenbar weiter für sich nutzen: als neue Deponie für Bauschutt und Bodenabfälle.

An der Altdeponie der Firma Hall-Bau sind die Böschungswinkel zu steil. Um sie abzuschließen soll neuer Bauschutt angeschüttet werden. (Foto: xkn/Archiv)

Das ist indes nicht die einzige Terraformingmaßnahme, die am Blauen Auge derzeit stattfindet. Im Herbst waren auf der angrenzenden Halde massiv Bäume und Sträucher gefällt worden. Baufahrzeuge haben begonnen, den Hügel teilweise neu zu modellieren. Dieser Hügel ist eine Altdeponie des Ex-DDR-Baubetriebs Hall-Bau, den Papenburg 1991 von der Treuhandanstalt gekauft hatte. Die Altdeponie, die unter dem Namen Bodenkippe Ammendorf firmiert, lag mehrere Jahre still und soll nun auch ordentlich abgeschlossen werden. Anwohner beobachten jedoch seit Monaten Papenburg-Fahrzeuge, die neuen Bauschutt heranfahren.

Aus der Antwort der Stadt auf die Linken-Anfrage geht nun hervor, dass die genehmigte Stilllegung bedeutet, dass am Hangfuß der Althalde neuer Bauschutt eingelagert werden soll. „Aufgrund des Böschungswinkels der Schüttung ist eine Standsicherheit der Böschung nur durch eine Abflachung des Neigungswinkels zu erreichen“, heißt es da. Die Stadt begründet auch, warum statt einer Abflachung der Winkel durch Verlagerung des alten Deponiematerials nun neues eingelagert wird; die Linksfraktion hatte auch danach gefragt. Demnach würde das Problem des Flächenverbrauchs nicht gelöst, denn das alte Material müsste in eine neue Deponie eingelagert werden, und dazu womöglich mit „großem Transportaufwand“ umgelagert werden. Die nach der Deponieverordnung herzustellende Kubatur der Halde, die das Niederschlagswasser sicher ableiten können müsse, erfordere daher „zusätzliche Mengen an nicht gefährlichen Abfällen“. Warum der alte Bauschutt nicht einfach am Fuß der bisherigen Haldenböschung eingelagert werden kann, erschließt sich aus der Antwort nicht.

Kipper der Firma Papenburg haben schon im Dezember tonnenweise Bauschutt angeliefert. (Foto: xkn/Archiv)

Papenburg kann so allein zur Sanierung der Althalde 73.000 Kubikmeter neuen Bauschutt einlagern. Das sind nach StäZ-Berechnungen rund 3800 schwere Kipperladungen. Hinzu kämen bisher unbekannte Mengen in der neuen Deponie.

Linke und Grüne befürchten, dass sich durch die Pläne nicht nur der Charakter der Landschaft massiv verändert. Sie kritisieren auch, dass für die Genehmigung der Althaldensanierung zwei geschützte Biotope, die an den Berg angrenzen, ihren Schutzstatus verloren haben. Zudem werden rund 3,7 Hektar Wald, die laut Stadt „umgewandelt“, also gefällt werden sollen. „Allerdings gibt es zurzeit noch keine abgestimmten Flächen, die als Ersatzfläche in Frage kommen“, so die Stadt.

Papenburg mauert, Stadt will Anwohner nicht informieren

„Wenn die Schließung der Bodenkippe dazu führt, dass am Ende eine völlig überdimensionierte Bauschutthalde auf Acker und Waldflächen und geschützte Biotope aufgekippt wird, hat irgendwer den Begriff ‚Schließung‘ überhaupt nicht verstanden“, sagt der parteilose Stadtrat in der Linksfraktion Thomas Schied, der sich gemeinsam mit OB-Kandidat Hendrik Lange (Linke) des Themas angenommen hat. Den Ammendorfern und Bewohnern der Heimstättensiedlung werde die Deponie „ungefragt ins lokale Naherholungsgebiet“ gesetzt, und das ohne ausreichende Informationen, so Schied. In der Tat teilt die Stadt in der Antwort ebenfalls mit, dass es keine Anwohnerinformation und ‑beteiligung gegeben habe, da die nächste Wohnbebauung „Luftlinie 800m entfernt“ sei. Unmittelbare Anwohner seien daher nicht vorhanden, eine Informationsveranstaltung sei nicht geplant. Man habe lediglich mündliche Anfragen von Bürgern beantwortet. Im Dezember hatte sich ein Vertreter einer Bürgerinitiative in der Einwohnerfragestunde des Stadtrats zu Wort gemeldet und auf die Problematik aufmerksam gemacht. Die Linke will im Stadtrat erneut nachhaken.

Blick über das Tal zwischen zwei Altdeponien, die bisher zum Teil Naherholungsgebiet waren. Links die Althalde der Hall-Bau, im Hintergrund rechts der Standort der neuen geplanten Deponie. (Foto: xkn/Archiv)

Grünen-Stadtrat Wolfgang Aldag hat ebenfalls kritische Fragen. Auch er hat sich vor Ort ein Bild von der Lage gemacht, wie er gegenüber der StäZ berichtet. Für ihn stelle sich die Frage, „was da abseits vom Radar passiert“. „Da sollen Biotope verschwinden und kein Mensch weiß etwas darüber“, so Aldag. „Es scheint so, als solle das Tal zwischen den beiden bestehenden Althalden praktisch aufgefüllt werden. Das wäre aber nicht Rekultivierung, sondern ein massives Auffüllen.“ Eine weitere Frage sei, wieso die Abfälle, die dort eingelagert werden sollten, nicht recycelt würden. Im Abfallrecht gebe es ein Recyclinggebot.

Die Stadt hat im Dezember auf eine Anfragen der StäZ nur knapp geantwortet. Eine spätere detaillierte Anfrage der Städtischen Zeitung ließ sie unbeantwortet. Die Baufirma Papenburg hat auf eine ähnliche Anfrage gar nicht erst reagiert.

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