Kommentar: Wiegand auf Wählerfang

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War Oberbürgermeister Bernd Wiegand „machtlos“ im halleschen Theaterstreit? (Foto: xkn/Archiv)

Halle/StäZ – Wie heißt es so schön: Es staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich. Man muss jedoch kein Experte sein, um sich einmal mehr über Oberbürgermeister Bernd Wiegand zu wundern. Es reicht ein klarer Blick auf das Vorher und das Nachher. Nachdem der hallesche Theaterstreit vorerst entschieden ist, prescht der Oberbürgermeister mit einem äußerst kritischen Facebook-Statement vor und kritisiert die Entscheidung des TOO-Aufsichtsrats gegen Opernintendant Florian Lutz harsch. An sich ist das kein Problem. Ein OB darf Meinungen haben. Soll er sogar. Im Wahlkampf zumal. Und Wiegand spricht auch noch vielen, die sich über die Entscheidung ärgern, aus dem Herzen. Doch Wiegands Aussagen sind bei näherer Betrachtung wohlfeil. Denn er tut so, als sei die Entscheidung nicht nur gegen seinen Willen gefallen, sondern er stehe ihr geradezu ohnmächtig gegenüber.[ds_preview]

Nach wohlwollender Lesart ist das ein kulturpolitischer Offenbarungseid des Aufsichtsratsvorsitzenden der Bühnen Halle. Nach dem Motto: Ich habe alles versucht, aber die Mehrheiten waren andere. Es wäre das Eingeständnis, dass Wiegand im siebenten Jahr seiner Amtszeit keine politische Mehrheit in einer für ihn wichtigen Personalfrage organisieren kann. War es vielleicht doch ein Fehler, dass Wiegand die TOO seinerzeit zur Chefsache gemacht hat?

Nach realistischerer Einschätzung ist es jedoch einfach nur ein Versuch, noch nachträglich empörte Kulturinteressierte einzusammeln, um sich ihre Wählerstimmen zu sichern. Denn nach allem, was bekannt ist, hat Wiegand vorher, bevor es kam, wie es kam, nie ernsthaft den Versuch unternommen, Florian Lutz in Halle zu halten. Die jours fixes mit dem Theaterleitungskreis: wirkungslose Veranstaltungen. Ernsthafte Bemühungen, die persönlichen Konflikte zu entschärfen, zu moderieren, oder gar – Wiegand ist ausgebildeter Mediator – in ihnen zu vermitteln: Fehlanzeige. Eine Allianz schmieden, um Lutz eine zweite Amtszeit zu ermöglichen: offenkundig gescheitert oder nie in Angriff genommen. In die Debatte öffentlich zugunsten seines nun erklärten Wunschintendanten eingreifen, und zwar bevor die Felle die Saale heruntergeschwommen sind: ausgefallen.

So bleibt Wiegands Geheimnis, was sein Kalkül vor der Aufsichtsratssitzung gewesen ist. Nun hinterher zu erklären, machtlos gewesen zu sein, ist, wie gesagt, verwunderlich.

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