Kommunalwahl: Wiegand-Verein präsentiert Kandidaten und Programm

Die Mitglieder der Wählergruppierung sehen sich nicht als Politiker. Den Schuldenabbau in Halle wollen sie mit fünf Millionen Euro jährlich stemmen.

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Ein Teil der 28 Kandidaten, die der Wiegand-Verein
Ein Teil der 28 Kandidaten, die der Wiegand-Verein „Hauptsache Halle“ an den Start schickt. (Foto: Jan Möbius)

Halle/StäZ – „Hauptsache Halle“, ein Verein mit derzeit 38 Mitgliedern, hat am Samstag seine Kandidaten zur Stadtratswahl am 26. Mai dieses Jahres präsentiert. 28 Mitglieder schickt die Vereinigung, die als von Oberbürgermeister Bernd Wiegand und seinem Umfeld initiierte Wählergruppierung gilt, an den Start. Das Programm, mit dem der Verein vor dem Urnengang überzeugen will, ist umfangreich. Obwohl aber der Vorsitzende der Gruppierung Lothar Rochau am Samstag sagte, dass man sich als parteipolitisch und auch von OB Wiegand unabhängig sehe, hebt sich das Wahlprogramm nicht wirklich von denen der etablierten Parteien im Stadtrat ab. Man wolle im Laufe der Zeit Schwerpunkte herausarbeiten, sagte Vereins-Vize Sabine Ernst, die zugleich Leiterin des OB-Büros im Rathaus ist. [ds_preview]

Als Spitzenkandidaten schickt der Wiegand-Verein in den fünf Wahlbezirken Manuela Hinniger, die gerade erst ein Stadtratsmandat bei der Linken niedergelegt und das Parteibuch abgegeben hat, den Chef der Wasserwacht Sven Thomas, die Geschäftsführerin des Kinder- und Jugendhauses Beate Gellert, den Entwicklungsingenieur Martin Ernst sowie den Vereinsvorsitzenden Lothar Rochau selbst ins Rennen. Auf den Rängen tauchen auch durchaus prominente Namen auf: Der 72-jährige Schauspieler Reinhard Straube etwa und Wasserspringer Andreas Wels. Ex-Schwimmweltmeister Paul Biedermann hatte am Samstag in der hintersten Reihe neben OB Wiegand Platz genommen, scheint aber derzeit keine Ambitionen auf ein politisches Amt zu haben. Wiegand und den Schwimmer verbindet vor allem die erfolglose Debatte um die Umbenennung der Robert-Koch-Schwimmhalle nach dem Sportler. Ob Biedermann inzwischen Vereinsmitglied ist oder als Beobachter neben Wiegand saß, blieb offen.

Wahlkampfspenden: Verein fällt nicht unter Parteiengesetz

Dafür überraschte, dass sich die Kandidaten für die Stadtratswahl nicht als Politiker sehen wollen. „Die verdienen mit einer Kandidatur Geld und Diäten, wollen später in Magdeburg Minister werden. All das wollen wir hier nicht. Wir konzentrieren uns auf Halle“, sagte DRK-Wasserwacht-Chef Sven Thomas. Den Unterschied zur etablierten Politik könne man im Wahlkampf erkennen. Der werde bei „Hauptsache Halle“ von jedem Kandidaten selbst finanziert und nicht aus der Vereinskasse, so Vorsitzender Rochau. Auf Nachfrage räumte er ein, dass die Gruppierung Spenden erhalte und annehme. In welchen Größenordnungen, das ließ Rochau wie Namen offen. Sein Verein hat freilich gegenüber den Parteien einen Vorteil: Diese müssen nach dem 2002 verabschiedeten Parteiengesetz Wahlkampfspenden ab 10.000 Euro veröffentlichen. Für Wählervereinigungen wie „Hauptsache Halle“ gilt diese Rechenschaftspflicht aber nicht. Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, dass sich die Mitglieder des Wiegand-Vereins nicht als Politiker sehen wollen.

In die Ecke einer Abhängigkeit vom Rathauschef wolle man sich trotz der Nähe zum OB-Büro aber nicht schieben lassen. Von sich selbst sagen die Vereinsmitglieder, keine Mitläufer zu sein, wie es Thomas ausdrückte. Rochau sagte, dass jedes Mitglieder oder perspektivisch jeder Stadtrat von „Hauptsache Halle“ für sich entscheiden könne. Wenngleich es freilich grundlegende Abstimmungen geben werde.

Langes Programm, wenig Details

Das Wahlkampfprogramm des Vereins offenbarte hingegen wenig, was die Gruppierung von den Inhalten der konkurierenden Parteien abhebt. Allerdings verlässt „Hauptsache Halle“ gleich in einem zentralen Punkt kommunales Terrain und wandert in die Landespolitik ab. Man werden für eine kostenfreie Kita-Nutzung eintreten, heißt es in dem Vereins-Programm. Ein Thema, über das der Stadtrat nicht zu befinden hat. Im Wahlprogramm wird aber auch klar: Mit der beschworenen Unabhängigkeit von der Stadtverwaltung ist es nicht weit her: In vielen Punkten werden Vorhaben und Pläne Wiegands begrüßt und hervorgehoben. Die Einzelthemen sind jedoch wie bei den Parteien nicht untersetzt. So bleibt offen, wie einzelne Projekte tatsächlich unterstützt oder begleitet werden sollen.

Ganz klar scheint das auch noch nicht beim Thema Schuldenabbau zu sein. Halle hatte mit der Genehmigung des Haushalts 2019 vom Landesverwaltungsamt die Auflage bekommen, bis September dieses Jahres ein Konsolidierungsprogramm aufzustellen. Die Stadt kann sich nach Auffassung der Kommunalaufsicht seit Jahren nur mit Krediten über Wasser halten und wurde als finanzschwach eingestuft. Für Wiegand freilich ein vom Stadtrat gemachtes Problem und nicht zuletzt das Erbe seiner Vorgängerin Dagmar Szabados. Sparbemühungen vermisst aber das Landesamt auch in seiner Amtszeit. Der OB-Verein hat sich hingegen ein erstes Sparziel gesetzt: Laut Rochau sollen bei den Liquiditätskrediten künftig fünf Millionen Euro pro Jahr abgebaut werden. Wie, darüber hat man sich offenbar noch nicht konkret unterhalten, fügte Rochau hinzu, bevor Stellvertreterin Ernst abkürzte und sagte, man werde das dann betrachten, wenn es konkret um das Haushaltsjahr 2020 gehe.

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siggivonderheide@me.com
5 Jahre her

Ein bisschen schwanger gibt es nicht. Politik amchen wollen ohne Politiker zu sein? Häh! Dilettanten aller Lobbies vereinigt euch wäre passender. Verein statt Partei damit man Spenden in ungebremster Höhe einheimsen kann. Dieser Wiegand Wahlverein stinkt nach Korruption- wie kann soetwas eigentlich zu einer demokratischen Wahl zugelassen werden? Fremdschämen hilft da auch nicht mehr.

TNi
5 Jahre her

Der Verein verlässt kommunales Terrain?

„von den Eltern [können !] Kostenbeiträge erhoben werden.“ (KiFöG § 13 (1))
„Der Kostenbeitrag wird durch die Gemeinde […] festgelegt.“ (KiFöG § 13 (2))

In Halle würde eine (für Eltern) kostenfreie Nutzung ca. € 25 Mio. p.a. kosten (Betreuungsquote laut Bedarfs- und Entwicklungsplanung 2018; Gebühren für wöchentlich 50 h bzw. 30 h für Hort).

Bei der Ausgestaltung der Kita-Nutzung bleiben den Gemeinden reichlich Spielräume. Ob und wie eine solche Forderung finanziell umsetzbar ist steht dabei auf einem anderen Blatt.

Ich hoffe, der Rest des Beitrages ist besser recherchiert.