Manchmal braucht es eben Zeit: Frohe Weihnachten

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Am Riesenrad drehen. Weihnachtsmarkt in Halle (Foto: xkn/Archiv)

Es sind oft kleine Episoden am Rande. Eigentlich kaum bemerkenswert. Manchmal lassen sie uns aber aufhorchen. Und nachdenken. Über das, was tatsächlich dahinter steckt, oder ob der Satz eben nur dahin gemurmelt war. „Das wird wohl nichts“, sagte mein Kollege. Am Freitag habe ich mich von ihm aus dem Büro verabschiedet mit den Worten, dass ich ihm und seiner Familie ein „paar ruhige  Tage“ wünsche. Er hat das scherzhaft gesagt, aber die Antwort geht mir seitdem nicht aus dem Kopf. Ist der Advent, ist das Weihnachtsfest, ist die Zeit zwischen den Jahren, immer wieder als so ruhig und so besinnlich gepriesen und besungen, nur noch laut, schrill und hektisch? Sind wir Sklaven einer dahin rasenden Zeit? Und machen wir uns selbst damit zu unseren eigenen Opfern? Es hat den Anschein – in vielerlei Hinsicht. Davon, mir etwas für das neue Jahr vorzunehmen, bin ich kein Freund. Hier mache ich eine Ausnahme: Ich weigere mich zu glauben, dass die Zeit rast!

Freilich hat es den Anschein, die Zeit, unsere Zeit, würde schneller an uns vorbei fliegen, als sie es früher gemacht hat. Da war doch alles viel besinnlicher, hört man oft, so unbekümmert eben. Das mag stimmen, kann ich antworten. Wir waren jünger, hatten weniger Verantwortung. Jetzt, ja jetzt müssen wir uns um alles und um jeden kümmern –  meinen wir zumindest. Wenn es geht, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Früh, gleich nach dem Aufstehen, müssen die ersten Posts auf Facebook in die Welt gejagt werden. Twitter checken, Instagram mit neuen Bildern bestücken. Beim Frühstück  werden die Nachrichten im Netz gelesen und mit denen aus dem Radio verglichen. Für die Papierzeitung ist schon lange keine Zeit mehr. Kein Platz am Tisch zwischen Handy und Tablet. Zu umständlich morgens der Weg sieben Treppen hinab, um dann eine nasse Zeitung nach oben zu tragen. Wir sind digital. Und das erst ganz am Anfang. So geht es schließlich weiter. Den gesamten Tag über. Und mündet erst im letzten Post auf Facebook am späten Abend – kurz bevor die völlig überlasteten Augen zufallen.

Das läuft so in vielen Berufen. Möglicherweise bei uns Journalisten tatsächlich im Besonderen. Wir sind offenbar Opfer unseres eigenen Handelns – jeder für sich selbst. Abschalten? Warten? Fehlanzeige. Wir sind Getriebene und treiben dabei selbst. Die Ergebnisse können wir jeden Tag aufs Neue im Internet, im Fernsehen, im Radio oder in der noch gedruckten Zeitung bestaunen. Wer möchte, sogar direkt bis Heiligabend.

Kaum ein Thema hat in diesem Jahr derart in Halle polarisiert wie die Debatte um das alternative Zentrum „Hasi“. Nutzungsvertrag, Klage, Gerichtsverfahren, Zwangsräumung, Auszug aus der Hafenstraße 7, Umzug zum Galgenberg kurz vor Weihnachten. Beinahe hätte das medial gleichermaßen wohlwollend, neutral und kritisch begleitete Thema ein gutes Ende gefunden. Im Jagen und Gejagdwerden um die nächste Schlagzeile, um den vermeintlich wichtigen Hintergrund, der zur schnellen Nachricht taugen könnte, sorgte das Thema schließlich noch Heiligabend für Aufregung. Eine durch eine hallesche Tageszeitung verbreitete Meldung war aus Sicht der Stadt eine Falschinformation gewesen. Die Folge: Hektik erst in der Pressestelle des Rathauses, dann in mancher Redaktion. Eine Richtigstellung, neue Nachrichten, hoffentlich nun die richtigen.

Dieser jüngste Fall zeigt, dass wir es selbst sind, die am Rad drehen und dafür sorgen, dass die Zeit vermeintlich an uns vorbei rast. Wir müssen lernen, zu warten. Zu warten, bis wir zum Beispiel mit Bestimmtheit eine Behauptung aufstellen können. Freilich: Das braucht Geduld. Die zu finden, ist zwischen zwei Nachrichten auf Facebook oder Twitter unter dem Druck von Chefs, die ja selbst erheblich unter Druck stehen, nicht einfach.

Ich weigere mich also zu glauben, dass die Zeit rast. Wir jagen sie schlicht vor uns her. Gut ist das für niemanden. Die StäZ hat die Hasi-Meldung nicht weiterverbreitet, und auch die Richtigstellung nicht, wie wir auch manches Andere übers Jahr auch mal weglassen, weil wir nicht alles schaffen oder einfach glauben, dass nicht jede Information es wert ist, weiterverbreitet zu werden. Wenn Sie diesen Beitrag der Städtischen Zeitung gelesen haben, rate ich Ihnen, Ihr Handy, Ihr Tablet für den Rest der Feiertage auch mal zur Seite zu legen, den Computer auszuschalten und die Zeit mit Ihrer Familie, Ihren Freunden und Bekannten zu nutzen und zu genießen. Sie verpassen nichts, die Welt wird sich weiterdrehen.

Die Städtische Zeitung wird es auch nach den Weihnachtsfeiertagen geben und auch im kommenden Jahr. Wir werden für Sie Themen aufspüren und über das berichten, von dem wir glauben, dass es die Hallenser interessiert. Entgegen all unserer Gewohnheit nehmen wir uns für Sie vor, ausgeruht an die Arbeit zu gehen und ohne Druck von außen oder oben zu recherchieren. Vielleicht gelingt es uns ja ab und an, für Sie die Zeit einen kurzen Augenblick lang anzuhalten.

Frohe Weihnachten wünscht Ihre Städtische Zeitung.

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