Vorerst doch keine Wahl für Kinder und Jugendliche

Der Hauptausschuss streitet sich so lange um Details der Einführung eines Jugendparlaments, bis am Ende gar nichts mehr davon übrig ist. Zum Schrecken der beteiligten Jugendlichen.

0
Jessica Strauß vom Kinder- und Jugendrat sowie Willi Preuk vom Stadtschülerrat sprechen im Hauptausschuss des Stadtrates. (Foto: xkn)

Halle/StäZ – Betretene, ja erschrockene Mienen am Mittwochabend vor dem Stadthaus. Noch eine halbe Stunde nach der Sitzung können die Jugendlichen, die im Hauptausschuss zum Thema Jugendparlament vorstellig geworden waren, nicht fassen, was gerade passiert ist. Sie stehen auf dem kühlen Marktplatz und diskutieren und überlegen. Warum sie so böse ausgerutscht waren auf dem schlüpfrigen Parkett der halleschen Stadtpolitik. Warum sie geradezu zerrieben worden waren zwischen den an diesem Tag besonders eisig, ja unversöhnlich auftretenden beiden Seiten, hier der Oberbürgermeister Bernd Wiegand (Hauptsache Halle) und dort die versammelten Stadträte in ihren Fraktionen. Wie sie sich von ersterem so hatten herumwirbeln lassen und warum in der Konsequenz aus dieser Sitzung das Jugendparlament, jener kühne Plan, demnächst auch Kinder ab sieben Jahren in Halle eine eigene politische Vertretung wählen zu lassen, nun in weite Ferne gerückt ist. Es war einfach zum Verzweifeln. [ds_preview]

Was war passiert? Zwei Vertreter der schon jetzt existierenden Jugendbeteiligungsgremien, Willi Preuk vom Stadtschülerrat und Jessica Strauß vom Kinder- und Jugendrat, hatten sich in der Sitzung des Hauptausschusses hinter einen Änderungsantrag der Mitte-Links-Fraktionen, also aller außer der CDU und der AfD, gestellt, wonach die Stadt ihr bereits im Oktober vorgestelltes Konzept noch einmal bis Ende des Jahres überarbeiten solle. Das würde bedeuten, dass die von der Stadt angestrebte Wahl parallel zur Stadtratswahl im kommenden Mai nicht mehr zu halten wäre. Weitere Forderungen waren ein Rede- und Antragsrecht im Stadtrat für Vertreter des Jugendparlaments, ein niedrigschwelliger Wahlmodus per Onlinewahl und ein eigenes Budget für die mit dem Jugendparlament verbundene Verwaltungs- und Öffentlichkeitsarbeit in Höhe von 10.000 Euro. Soweit, so unspektakulär.

Sitzung des Hauptausschusses am Mittwoch. 8Foto: xkn)

Doch der Teufel lag im rechtlichen Detail. Wiegands Grundsatzreferent Oliver Paulsen, der den Grundsatzbeschluss zum Jugendparlament für die Stadtverwaltung vorangetrieben hatte, teilte mit, dass ein Antragsrecht im Stadtrat aufgrund der Kommunalverfassung nicht in Frage komme. Auch trat er für den herkömmlichen Wahlmodus parallel zur Stadtratswahl ein, mit dem Argument, dass um Demokratie zu lernen, auch der kleine Aufwand zumutbar sei, die Wahl mit Wahlzettel, Stift und Wahlurne durchzuführen. Eine Onlinewahl sei außerdem nicht fälschungssicher. Das mit dem Budget hatte er anders verstanden, als es wohl gemeint war, nämlich als ob neben Kinder- und Jugendrat nun noch ein weiteres Gremium Projekte finanzieren solle. Das würde ja, so Paulsen, bedeuten, dass das Jugendparlament die bereits bestehenden Gremien schwächen würde – was man ja nicht wolle.

So ging es hin und her: Die Räte verteidigten ihre Änderungswünsche, die mit den Jugendlichen abgesprochen waren, ohne Boden preiszugeben. Auch Jessica Strauß und Willi Preuk argumentierten für ihre Vorstellungen – bis sich Bernd Wiegand einschaltete. Er kritisierte, dass die Einwände der Fraktionen zu einer Verzögerung „bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag“ führten. Er wollte von den Jugendlichen wissen, ob ihnen, wenn es aus den bekannten rechtlichen Gründen kein Antragsrecht geben könne, nicht lieber wäre, ihre jetzigen Gremien zu stärken, statt ein Jugendparlament zu gründen. Die Antwort: Man sehe im Jugendparlament schon eine große Chance, allerdings nur wenn es wirklich einen Mehrwert gegenüber den jetzigen Gremien hätte. Und da sei eben das Antragsrecht entscheidend. Wiegand verstand das als Zustimmung zu dem Plan, den er jetzt verkündete: Die Stadtverwaltung werde nun den Stadtschülerrat und den Kinder- und Jugendrat stärken und ziehe hiermit die Vorlage zum Jugendparlament komplett zurück. Das hieß, es lag ganz plötzlich gar kein Beschluss mehr auf dem Tisch. Diskussion und Änderungsanträge waren obsolet.

Fassungslosigkeit bei Hendrik Lange (Linke) ob des Verlaufs der Debatte zum Jugendparlament. (Foto: xkn)

Es war ein typischer Wiegand. Ein bisschen falsch verstehen, ein bisschen falsch verstehen wollen, und dann kraft seines Amtes einen Ausweg wählen, der die andere Seite überrumpelt und mit leeren Händen dastehen lässt. Nur, dass diesmal eben Jugendliche mit am Tisch gesessen hatten. Entsprechend empört reagierten die Räte. Hendrik Lange (Linke) griff sich an die Stirn. Der gesamte Beteiligungsprozess sei ad absurdum geführt. „So produziert man Politikverdrossenheit.“ Johannes Krause (SPD) sagte zu Wiegand: „Dass Sie so mit den Jugendlichen umgehen und ihnen das Wort im Mund herumdrehen, hätte ich nicht gedacht.“ auch Tom Wolter (Mitbürger) kritisierte Wiegand. Christian Feigl (Grüne) sagte: „Das ist Demokratie, wie sie nicht funktionieren sollte.“ Er versuchte als letzter Redner zwar noch versöhnliche Töne anzustimmen, aber es war zu spät.

Jessice Strauß und Willi Preuk waren gescheitert, und mit ihnen vorerst das Jugendparlament der Stadt Halle.

Lesen Sie auch einen Kommentar zum Thema.

0 0 votes
Article Rating
Subscribe
Benachrichtigen Sie mich zu:
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments