Kommentar: CDU im Land legt Axt an die Zivilgesellschaft

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Felix Knothe ist Gründer der Städtischen Zeitung

Halle/StäZ – Was ist der Verein Miteinander? Ist er eine „Marscheinheit der Linken“, wie es Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) findet, oder leistet er wichtige zivilgesellschaftliche Arbeit? Die Frage kann schnell beantworten, wer bereit ist, sich mit der Arbeit des Vereins wirklich auseinanderzusetzen. Viele Menschen wenden sich jedes Jahr an die Mitarbeiter des Vereins. Das sind Menschen, die sich und andere im sich radikalisierenden gesellschaftlichen Klima in ihren Freiheitsrechten bedroht sehen, die sich gegen die Aushöhlung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wie sie die AfD und ihre rechtsradikalen Ausleger und Verbündeten betreiben, stemmen wollen oder die einfach bereits Opfer rechtsradikaler Umtriebe geworden sind – einfach weil sie anders aussahen, sich anders benommen oder eine andere Meinung vertreten haben, als radikale Schlägerbanden es in Ordnung fanden.[ds_preview]

Vereine wie Miteinander sind wichtige Werkzeuge im Handwerkskasten der wehrhaften Demokratie. Ihre Arbeit ist grundlegend. Wenn es Miteinander nicht gäbe, müsste man den Verein schleunigst gründen. Niemand wird zur Zusammenarbeit mit Miteinander gezwungen. Den Verein in die Nähe staatlicher Zwangsbeglückung zu rücken, wie es die AfD tut, ist daher absurd. Miteinander wird zwar zu wesentlichen Teilen vom Staat finanziert. Das wird aber auch jedes Frauenhaus oder jede Suchtberatungsstelle. Ein Staat, der die Menschen gegenüber dem Rechtsextremismus allein lässt, ist ein leerer Staat.

Den Kampf dagegen reflexhaft in die linke Ecke zu rücken, ist dabei ein gefährliches und einfältiges Muster. Es geht in dieser Frage nicht um links oder rechts. Es geht auch nicht darum, auf dem linken Auge blind zu sein. Wenn Rechts- und Linksextremismus wirklich immer gemeinsam betrachtet werden müssten, dann müsste sich auch Innenminister Stahlknecht selbst Versäumnisse ankreiden. Sein eigener Verfassungsschutz hält die Beobachtung beider nämlich wohlweislich sauber auseinander – in getrennten Abteilungen.

Nein, es geht nicht um links oder rechts. Es geht um Deutschland als demokratische Republik. Es geht um das Verständnis von Demokratie, das wir miteinander pflegen wollen. Und es geht um den grundlegenden bundesrepublikanischen Konsens, dass Grundrechte unveräußerlich sind und Menschenrechte für alle Menschen gelten; dass die Würde des Menschen unantastbar ist; dass Minderheiten geschützt werden; dass die staatliche Ordnung all das zu garantieren hat; und dass Deutschland aus seiner Geschichte heraus friedlich mit seinen Nachbarn zusammenlebt und an der Einigung Europas mitwirkt. All das und noch mehr sollte immer mit dazugehören, wenn man in Deutschland von Demokratie redet.

Das Demokratieverständnis der AfD kennt diese Dimensionen nicht. Es ist ein entkerntes Demokratieverständnis. Die Partei berauscht sich an ihren Wahl- und Umfrageergebnissen und hält sich für den legitimen Vertreter von Volkes Wille. Noch schlimmer: Für den einzigen. Wer sich die Pressekonferenz von letzter Woche anschaut, wird den Moment bemerken, als der Fraktionsvorsitzende Oliver Kirchner von den „anderen demokratischen Parteien“ spricht. Da können seine Nebenleute das Grinsen kaum unterdrücken. Man weiß nicht, ob sie froh sind, sich erfolgreich in diesen Kreis gemogelt zu haben, oder ob sie Kirchner wegen der nächsten gelungenen Provokation feiern. Es ist ein unterdrücktes gehässiges „#Ironieoff“-Zwinkersmiley-Grinsen, das die zur Schau gestellte vermeintliche Seriösität dieser Landtagsfraktion entlarvt. Die AfD sitzt nicht im Landtag, um demokratisch Politik zu machen, sondern um demokratische Politik vorzuführen. Beispiele dafür gibt es genug.

Die AfD muss daher zuerst ihr eigenes Verhältnis zur Demokratie klären, bevor sie andere darüber belehren kann. Dass die CDU, die einst stolze Partei der Nachkriegs-Bundesrepublik und der Deutschen Einheit in Freiheit, den gleichen Denkmustern auf den Leim geht und die Axt an die Zivilgesellschaft legt, ist aber das wohl beachtlichste Indiz für den gesellschaftlichen Rechtsruck, der sich gerade vollzieht.

Es gibt in diesen Tagen auch jenseits der AfD viele Feinde dieser Republik. Sie haben in Chemnitz Ausländer gejagt und den Hitlergruß gezeigt. Sie veranstalten im Saalekreis Seminare und haben am Unicampus in Halle ein Haus. Sie trollen sich bei Facebook und Co. und ergehen sich in schlimmsten Hetzereien. Staat und Teile der Gesellschaft sprechen zunehmend nicht mehr die gleiche Sprache. Geht diese Drift weiter, steht die Demokratie am Ende ohne Demokraten da. Es sind Vereine wie „Miteinander“, die mit dafür sorgen, die freiheitlich-demokratische Ordnung und die Bevölkerung beieinander zu halten. Sie können es nicht allein tun, und sie können es nicht tun ohne die Unterstützung der demokratischen Parteien, ob links oder rechts.

Die CDU darf die Äußerungen ihres Spitzenpersonals gegen den Verein daher nicht stehenlassen. Sie würde ihr Verhältnis zur Zivilgesellschaft in diesem Land schwer beschädigen. Dass an dieser auf dem Weg zu einem friedlichen und freiheitlichen Miteinander kein Weg vorbeiführt, das steht nicht nur in jedem Demokratielehrbuch. Es ist auch eine Lehre aus der friedlichen Revolution in diesem Land.

Anmerkung: In einer früheren Version des Beitrags hieß´es, Innenminister Stahlknecht habe von einer „Marschkolonne der Linken“ gesprochen. Tatsächlich sagte er „Marscheinheit der Linken“. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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Dirk Dirot
5 Jahre her

Vielleicht will sich die Braut CDU als Juniorpartner den gemeinen Aftlern empfehlen

siggivonderheide@me.com
5 Jahre her

ja, diesen Kommentar unterstütze ich voll und ganz.

U. Geiß
5 Jahre her

Es ist bitter, dass im Jahr 2018 solche Kommentare nötig sind. Umso wichtiger ist es, dass es sie gibt! Danke!