Interview mit Uwe Stäglin: „Es war absolut schön und intensiv.“

Uwe Stäglin ist dann mal weg. Nicht aus Halle, aber aus dem Rathaus. Im langen StäZ-Abschiedsinterview gibt der scheidende Beigeordnete noch einmal einen Rundumblick auf seine Amtszeit und die vielen oft kontroversen Projekte. Er erklärt sich zum ÖPNV-Mann und streift auch das Verhältnis zum OB, die Rolle der Firma Papenburg und die unterschiedlichen -- und gemeinsamen -- Auffassungen zum Riebeckplatz.

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Der Baustellenmann: Uwe Stäglin, hier in der Großen Steinstraße, geht als Baubeigeordneter auf einem Höhepunkt der städtischen Bautätigkeit. (Foto: Jan Möbius)

Halle/StäZ – Sieben Jahren lang war Uwe Stäglin Beigeordneter für Stadtentwicklung und Umwelt. Am Freitag war sein letzter Arbeitstag. Stäglin hat noch Resturlaub. Im Interview mit der Städtischen Zeitung zieht er Bilanz und gibt zumindest einen kleinen Einblick in die Gründe, warum er überraschend nicht für eine zweite Amtszeit kandidiert hat. Es ist ein langes Gespräch, in dem noch einmal viele der Themen gestreift werden, die Stäglins Amtszeit geprägt haben: der Streit um die Merseburger Straße, das Integrierte Stadtentwicklungskonzept und die vielen Bauprojekte, ob am Riebeckplatz oder das Stadtbahnprogramm. Nicht von ungefähr hat sich der 47-Jährige das Steintor als Treffpunkt ausgesucht. Hier, nicht weit entfernt von der nächsten Großbaustelle in der Großen Ulrichstraße, habe sich am besten gezeigt, wie Bürgerbeteiligung zu gelungener Stadtgestaltung beitragen könne. Das Gespräch mit Uwe Stäglin führte Felix Knothe:[ds_preview]

Herr Stäglin, es gibt eine schöne Karikatur unseres Zeichners aus der Zeit, kurz nachdem Sie im vergangenen Dezember verkündet hatten, nicht für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Darauf ist ein verzweifelter Oberbürgermeister Bernd Wiegand zu sehen und ein Beigeordneter Stäglin, der geht, „wenn’s am besten ist“. Hat der Zeichner die Situation gut erfasst?
Ich finde die Karikatur sehr witzig, aber ich würde es trotzdem nicht so sehen. Ich sehe beim Oberbürgermeister nicht das, was der Zeichner gesehen hat: Verzweiflung.

Was sehen Sie stattdessen bei Bernd Wiegand?
Lassen Sie es mich so sagen: Der Oberbürgermeister hat für sich viele Projekte definiert, die er selbst vorantreibt.

Das ist vielsagend. Stimmt noch irgendetwas nicht an dem Bild?
Auch die Passage „wenn’s am besten ist“ würde ja bedeuten, dass die sieben Jahre davor nicht „am schönsten“ gewesen seien. Sie waren aber absolut schön und intensiv. Vieles ist während dieser Jahre angeschoben worden. Wir sitzen ja hier am Steintor: Dazu ist der Startschuss weitestgehend in meiner Amtszeit gefallen, und das Projekt ist auch in meiner Amtszeit realisiert worden. 

Die Karikatur „Man soll gehen, wenn’s am besten ist“ erschien am 7. Dezember 2017 in der Städtischen Zeitung (© Spatz)

Sie haben ja im Dezember davon gesprochen, Auslöser für Ihren Verzicht sei ein bunter Strauß an Gründen. Fächern Sie uns doch bitte den Strauß einmal auf.
Wenn ich sage, ein bunter Strauß, dann sind das sowohl politische als auch dienstliche bis hin zu privaten Gründen. Es ist aber müßig, jetzt jede einzelne Blume zu benennen.

Dann lassen wir das mit den Blumen und fragen konkret: Wie würden Sie ihr Verhältnis zum Oberbürgermeister beschreiben, der, wie Sie sagen, viele Projekte selbst vorantreibt, statt es seinen Beigeordneten machen zu lassen.
Es ist ein sachliches, dienstliches Verhältnis.

Nicht mehr und nicht weniger?
Ein sachliches, dienstliches Arbeitsverhältnis.

Es ist zwar Spekulation, aber wir lehnen uns sicher nicht zu weit aus dem Fenster, wenn wir sagen: Sie hätten zur Wiederwahl im Stadtrat sicherlich breite Unterstützung bekommen. War Ihnen das nicht genug?
Ich habe vorher nicht überlegt, welche Mehrheiten zustande kommen. Sieben Jahre in Halle sind ja nicht die einzige Zeit als Kommunalpolitiker, die ich hinter mir habe. Mit meiner Zeit davor in Berlin sind es 16 ½ Jahre hauptamtlich. Addiert man die ehrenamtliche Zeit als gewählter Bezirksverordneter noch dazu, dann sind es über 25 Jahre in gewählter Position. Also habe ich entschieden, dass es auch einmal gut ist durchzuatmen nach so langer Zeit, sich neu zu orientieren und dann vielleicht auch einmal etwas völlig Neues zu beginnen. Das ist der private Anteil am Strauß.

„Im ‚Kaufmannsladen‘ konnte man sonntags bei Kaffee und Kuchen wunderbar Bebauungsplanvorlagen lesen.“

Kann man schon sagen, was Sie Neues beginnen wollen?
Nein, weil ich erst einmal durchatmen möchte, und die Entscheidung auch nicht überstürze. Viele Hallenserinnen und Hallenser fragen, wann ich denn wegziehen würde. Das überrascht mich, denn ich habe gar keine andere Wohnung als die in Halle. Und ich habe ja nur gesagt, dass ich nicht wieder kandidiere. Alles andere ist offen, und ich werde sehen, was kommt.

Wir werden uns also womöglich noch viele Jahre in Halle über den Weg laufen?
Da die Stadt schön ist und man hier auch gut leben kann, ist es nicht so, dass ich von hier flüchten müsste. Ich hatte mich vor sieben Jahren ein gutes Stück weit spontan als Beigeordneter beworben und bin es dann ja geworden. Ich kannte [die damalige Oberbürgermeisterin, Anm. d. Red.] Dagmar Szabados aus meiner Arbeit für die Silberhöhe und ich konnte mir vorstellen, hierher zu ziehen. Ich hätte mich nicht bei jeder Stadt beworben.

Was hat sie damals an Halle gereizt und was macht Halle auch nach sieben Jahren für Sie noch lebenswert?
Halle ist eine unheimlich vielfältige Stadt, auch, aber nicht nur baulich. Halle ist spannend. Das Image, das in vielen alten Bundesländern besteht – triste Platte in Halle-Neustadt und marode Altstadt – das ist heute ja falscher denn je. Hier gibt es alles: Gründerzeit, sozialistischen Wohnungsbau, Siedlungsbau, Dorfstrukturen. Es gibt verschiedene charmante Kieze. Halle ist außerdem zentral gelegen. Man kommt ganz gut auch woanders hin, wenn man möchte. Die Nachbarschaft zu Leipzig ist manchmal Vorteil und manchmal Nachteil. Ich gebe zu: Vor sieben Jahren war das Partyleben in der schwullesbischen Szene noch ein bisschen intensiver als jetzt. Aber ich bin ja auch sieben Jahre älter geworden. Was ich sehr vermisse, ist das Café „Kaufmannsladen“ in der Ludwig-Wucherer-Straße. Dort konnte man sonntags bei Kaffee und Kuchen wunderbar Bebauungsplanvorlagen lesen. Das ist ein großer Verlust.

Aber Sie wohnen doch in der südlichen Innenstadt…
Na und? Ich habe ein Monatsticket der Havag. Und für mich als Berliner ist das doch keine Entfernung. Dagmar Szabados hatte mich, als ich herkam, gefragt, wo ich denn hinziehen würde. Als ich sagte „Pfännerhöhe“, hieß es nur: „Wie, so weit?“ Ich finde es vom Markt bis dahin überhaupt nicht weit. Das kann man locker laufen, aber oft siegt auch die Bequemlichkeit, und dann fahre ich Straßenbahn.

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