Selbstversuch: Durch das Wilde Saalistan

Die Wilde Saale ist jetzt für Paddler geöffnet. Damit kann man zum ersten Mal einen Rundkurs in Halle befahren. Die StäZ hat es ausprobiert.

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Die Wilde Saale ist ein wenig berührter Saalearm mitten in Halle. Nun kann er mit dem Paddelboot befahren werden. (Foto: xkn)

Halle/StäZ – Plötzlich sind die Geräusche der Stadt wie verschluckt. Eben noch dröhnte ein LKW hinter Büschen die Talstraße entlang. Vom Riveufer röhren Baumaschinen über die Saale. Nun ist alles, was der einsame Paddler hört, Vogelgezwitscher. Vogelgezwitscher im Surround Sound. Unterwegs auf der Wilden Saale, dem Nebenarm zwischen Peißnitzinsel und der Neustädter Saaleseite, der bisher für Wassersportler tabu war. Am Mittwoch hat die Stadt die Schilder am Fluss aktualisiert. Jetzt ist der Weg frei. Zeit für einen Selbstversuch.

Letzte Einweisung, bevor es losgeht: Bootsverleiher Thoralf Schwade (r.) und StäZ-Reporter Felix Knothe. (Foto: Jan Möbus)

Und der beginnt direkt an der Brücke der Freundschaft auf der Ziegelwiese beim Bootsverleih Halle. „Natürlich bin auch ich froh, dass man nun endlich dort lang paddeln kann“, sagt Thoralf Schwade. Über zehn Jahre habe er mit der Stadt verhandelt, habe geworben und diskutiert, damit die Wilde Saale an der Peißnitz für kleine Boote geöffnet wird. „Viele, die kommen, fragen, welche Runde sie denn paddeln können. Endlich gibt es nun auch eine richtige Runde, und die ist spektakulär.“ Für Schwade ist es ein weiterer Standortvorteil für seinen zentral gelegenen Bootsverleih. Aber natürlich kann man sich auch woanders ein Boot ausleihen. Am Riveufer etwas weiter nördlich, unterhalb der Giebichensteinbrücke, bietet zum Beispiel die Wassertouristik Saaletal ebenfalls Paddelboote zur Miete an. Und immer mehr Paddler sind in Halle auch mit dem eigenen Boot unterwegs. Mit der Eröffnung der Wilden Saale könnte es nun also tatsächlich auch mit dem sanften Wassertourismus bergauf gehen, wie es die Stadtverwaltung sich vorstellt.

Abfahrt an der Brücke zur Freundschaft (Foto: Jan Möbius)

Man muss absolut kein Paddelprofi sein, um die Strecke zu bewältigen. Auch der Reporter ist das nicht. Der Selbstversuch findet im Kanadier mit Stechpaddel statt. Das Boot ist eigentlich für zwei bis drei Personen ausgelegt, lässt sich aber auch von einer Person gut steuern. Wenn man den Dreh mit den Steuerschlägen einmal raushat, muss man auch nicht mehr so oft mit dem Paddel die Seite wechseln. Es genügt, das Paddel bei jedem Schlag zum Schluss ein wenig zu drehen und vom Boot wegzudrücken. Die Frage ob die Peißnitz im Uhrzeigersinn oder entgegen dem Uhrzeigersinn umrundet wird, ist schnell entschieden: Letzteres gilt als die leichtere Variante, weil man auf dem Hauptstrom mit der Strömung fährt.

Saalestrand auf der Ziegelwiese rechts und Riveufer voraus. (Foto: xkn)

So folgt man also zunächst der Saale entlang der Ziegelwiese. Der Fluss hat hier wirklich nur eine sehr leichte Strömung und einen sommerlichen Wasserstand. Man kann es also auch hier gemütlich angehen lassen und muss nur aufpassen, nicht vor die Bojen am Badestrand zu fahren. Dort ist vormittags bei praller Sonne schon ordentlich Betrieb. Ein Mann will gerade ein Bad nehmen, die Temperatur der Saale ist perfekt dafür. Also fährt das StäZ-Testboot eher am linken Ufer. Vom Strand ruft eine Gruppe Kinder herüber und will, dass man winkt. „Er hat zurückgewinkt“, freuen sich die Kleinen.

Ruhiger Saalestrom am Riveufer. Die Ruderboote kommen natürlich wesentlich schneller voran als der StäZ-Reporter im Kanadier. (Foto: xkn)

Die Fahrt entlang des Riveufers dauert bei gemütlichem Tempo knappe 20 Minuten. Die Profi-Ruderboote, die entgegenkommen, schaffen die Strecke natürlich deutlich schneller. Dafür kann man sich im Kanadier die Zeit nehmen und ein bisschen im Wasser treibenden Müll an Bord nehmen. Spraydosen, eine Dose Bremsenfett inklusive ölverschmierten Lappens, Silikonkartuschen: Es sind nur knapp zwei Kilometer, aber bei dem, was da an einem vorbei treibt, bekommt man einen Eindruck, woher die Müllprobleme in den Weltmeeren kommen. Sie kommen offensichtlich auch aus der Saale, in die manche Leute nach wie vor alles mögliche entsorgen. Auch wenn es nicht der eigene ist: Zur Paddlerehre sollte gehören, den Müll, dem man begegnet, wieder einzusammeln.

Wenn links der Amselgrund in Sicht kommt, heißt es, das Boot für die Einfahrt in die Wilde Saale umzuschwenken. Gerade kommt eine leichte Nordbrise auf, die das Boot fast von selbst herum und in die Wilde Saale drückt. Man muss, wie gesagt, kein Profi sein. Die Einfahrt ist breit und der Saalearm liegt still voraus. Pappelpollen schwimmen auf glatter Oberfläche. Die Wilde Saale hat hier so gut wie gar keine Strömung. Hier zu paddeln ist, obwohl man theoretisch jetzt gegen die Fließrichtung fährt, wie durch einen verwunschenen See zu treiben. Gleich an der Einfahrt steht rechts ein knorriger Baumstumpf. Ein klein bisschen Zauberland mitten in Halle.

Rechts verschwindet das neue Schild, das den Verkehr regelt. Von 9 bis 19 Uhr ist die Einfahrt erlaubt. Motor- und Tretboote sind weiter tabu. Man muss sich, trotz der Öffnung des Saalearms, immer wieder klar machen, dass man sich hier mitten in Halle in einem Naturschutzgebiet bewegt, das zu erhalten auch im Interesse aller Wassertouristen liegen sollte. Naturschutzgruppen waren nicht erfreut, als der Plan zur Öffnung publik wurde. Die Stadt hat versucht, die verschiedenen Belange abzuwägen. An der Wilden Saale sollen zum Beispiel Biber wohnen. Sie sind nachtaktiv, würden aber zu viel Tageslärm auch nicht gerade heimelig finden. Dass man als Paddler die Saale also nicht in grölender Horde befährt, sondern das Naturerlebnis möglichst leise genießt, versteht sich also von selbst. Auch das Anlanden an den Ufern ist tabu.

Dort tummeln sich an diesem sonnigen Vormittag vor allem Amselpaare. Man weiß nun also, warum der Amselgrund seinen Namen trägt. Dass die Wilde Saale dagegen ganz und gar kein Wildwasser ist, wird klar, je weiter man in sie hineinfährt. Ruhig und ohne Probleme gleitet das Boot dahin. Lichtdurchflutete Bäume, die vom Ufer aus leicht über das Wasser ragen. Man ist hier mitten in der Stadt und im nächsten Moment, hinter der nächsten Biegung, in der Natur.

Beinahe Spreewaldatmosphäre. Augenblick auf der Wilden Saale. (Foto: Jan Möbius)

Die Wilde Saale ist jedoch nicht vollends naturbelassen. Die Ufer sind an manchen Stellen mit Steinen befestigt. In Vorbereitung der Öffnung für den Paddelverkehr hat die Stadt außerdem etliche Bäume, die in den Saalearm hineinragten, entfernen lassen. Abgesägte Stümpfe am Ufer zeugen davon. Doch wer den für Paddler immer reizvollen Weg unter Zweigen entlang sucht, findet ab und zu noch ein paar Stellen. Hier eine Eiche, dort eine Silberweide, die quer übers Wasser ragt. An manchen Stellen liegt auch Treibholz und Geäst mitten im Fluss, so dass man drumherum paddeln muss. Es macht Spaß auf der Wilden Saale. Libellen schwirren übers Wasser, eine blaue jagt eine grüne. Ein einsames, dickes Nutria kreuzt schwimmend die Bahn und verkrümelt sich dann im Uferdickicht. Ab und zu schnappt ein Fisch sich etwas von der Wasseroberfläche.

Auch im eigentlich wilden Saalearm finden sich Flaschen und anderer Müll. Paddlerehre, ihn einzusammeln. (Foto: Jan Möbius)

Als Paddler fischt man jedoch auch hier ab und zu eine Plaste- oder Glasflasche aus dem Wasser. Eine Erinnerung, dass man eben doch mitten durch die Stadt fährt – und rücksichtslose Menschen gibt es eben leider überall. Streckenweise kann man sich aber doch ganz weit weg fühlen. Eine gute Stunde nach Beginn der Tour ist der Erholungsfaktor schon sehr groß. Das Paddeln strengt nicht an, das Wetter stimmt, man kann die Arme auch mal im Wasser baumeln lassen, und die Seele sowieso.

Der Weg führt weiter unter den verschiedenen Brücken entlang. An der ersten, der Schwanenbrücke, hat man rund die Hälfte der Runde geschafft. Danach kommen noch die Bürgerbrücke an der früheren Eissporthalle, die Gimritzer Gutsbrücke und die Schafbrücke. Kurz vorher kommt man an die seichteste Stelle der ganzen Fahrt. Eine Sand- und Kiesbank liegt mitten im Flussarm, das Wasser ist an den meisten Stellen nur wenige Zentimeter tief, und man muss sich eine kleine Fahrrinne suchen, um überhaupt die Stelle passieren zu können. Da ist sie dann doch noch, die kleine paddlerische Herausforderung. Kurz danach öffnet sich hinter der Schafbrücke die breite Elisabethsaale und das Panorama des Sophienhafens mit den sanierten und neu gebauten Häusern der Hafenstraße. Nun ist es noch ein knapper Kilometer die Saale hinunter, entlang am Gut Gimritz, bis zurück zur Brücke der Freundschaft.

Die Tour dauert knapp zwei Stunden, in gemütlicher Fahrt mit kleinen Ausruhpausen dazwischen. Wer sportlich paddelt, kann es also sicher auch deutlich schneller schaffen. Die Öffnung der Wilden Saale bietet also nicht nur für Wasserrtouristen, die Halle passieren eine interessante Abwechslung. Sie ist auch ideal geeignet, noch kurz nach Feierabend oder schnell einmal am Vormittag eine Runde zu drehen und dabei Halle und seine grüne Mitte vom Wasser aus zu erleben. Die Natur, und ihr Schutz, sollte dabei allerdings immer im Mittelpunkt stehen.

Die Einfahrt zur Wilden Saale ist zwischen 1. April und 31. Oktober zwischen 9 und 19 Uhr gestattet. Sie beginnt in der Elisabethsaale gegenüber dem Sophienhafen und endet am Amselgrund, von der Giebichensteinbrücke aus rund 200 Meter flussaufwärts. Oder umgekehrt.
Paddelboote gibt es bei verschiedenen Anbietern, zum Beispiel beim Bootsverleih Halle und bei der Wassertouristik Saaletal. Ein Kanadier kostet pro Stunde jeweils 10 Euro.

Offenlegung: Für die Reportage hat der Bootsverleih Halle der Städtischen Zeitung ein Paddelboot freundlicherweise kostenlos zur Verfügung gestellt. Die StäZ achtet generell auf ihre redaktionelle Unabhängigkeit, auch bei Berichten über lokale Wirtschaftsunternehmen. Um den Leserinnen und Lesern dennoch eine Einordnung zu ermöglichen, erfolgt dieser Hinweis.

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