Kontrollen in Shisha-Bars: Weiß das Ordnungsamt, wo es hinfahren muss?

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Halle/StäZ – Shisha-Bars in Halle sollen stärker von der Stadtverwaltung kontrolliert werden. Außerdem plant die Rathausspitze der Saalestadt, Gaststätten, die das Rauchen von Shish-Pfeifen erlauben, die Installation von Geräten vorzuschreiben, die vor lebensgefährlichen Mengen Kohlenmonoxid warnen. Hintergrund der Initiative ist ein Vorfall vor wenigen Tagen, bei dem sechs Menschen in einer Shisha-Bar am Joliot-Curie-Platz eine Kohlenmonoxid-Vergiftung erlitten hatten. Ein Mann war sogar bewusstlos geworden. Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) kündigte an, über die eigenen Maßnahmen hinaus politischen Druck ausüben zu wollen, damit auf Landesebene eine entsprechende Verordnung zum Betrieb von Shisha-Bars auf den Weg gebracht wird. Der Vorstoß aus Halle sorgt aber in den Magdeburger Ministerien für Erstaunen. Wirklich klar ist dort nämlich nicht, wer für dieses Thema überhaupt zuständig sein soll. Konkrete Anregungen, das ergaben StäZ-Anfragen unter anderem im Innen- und im Sozialministerium, lägen aus Halle nicht vor.[ds_preview]

Welchen Wert hat der Richt-Wert?

Shish-Pfeifen werden mit Kohle betrieben, deshalb muss für frische Luft im Zimmer gesorgt werden. (Foto: OTS)

Tobias Teschner, Sicherheitschef im Rathaus, soll aber zumindest in Halle rasch handeln. Wie er sagte, werde auf der Grundlage des Gaststättengesetzes eine Verordnung erlassen, die in Shisha-Bars ein Warngerät vorschreibt, das ab einem bestimmten Wert Kohlenmonoxid Alarm schlägt. Wird diese Grenze überschritten, müssen die Inhaber der Bars für ausreichend Belüftung sorgen. „Das kann schon durch das Ankippen eines Fensters passieren“, so Teschner. Warum der von der Stadtverwaltung ins Auge gefasste Grenzwert von 30 ppm (parts per million) für die Verordnung der richtige Wert ist und was er bedeutet, das ließ Teschner in der Konferenz der halleschen Beigeordneten am vergangenen Dienstag offen.

Zumindest aus Kreisen des Rettungsdienstes ist dazu zu erfahren, dass für Einsatzleiter dieser Wert als jener gilt, bei dem besondere Maßnahmen eingeleitet werden müssen, sobald Warngeräte an Schutzanzügen oder an Material-Rucksäcken von Rettungsdienstmitarbeitern anschlagen. Fenster und Türen müssen geöffnet und Einsätze in diesen Bereichen ohne Unterbrechung durchgeführt werden. Von gefährlichen Konzentrationen spricht man ab 200 ppm, eine akute Gefahr für Einsatzkräfte liegt ab 500 ppm vor. In den beiden letzteren Fällen darf ein Einsatz nur noch mit Atemschutzgeräten erfolgen – die Feuerwehr muss ran.

Kanarienvogel als Kohlenmonoxidwarner?

Eine Shisha ist eine Wasserpfeife, die ihren Ursprung in der arabischen Region hat. In ihr wird meist Tabak mit Fruchtaroma oder ähnlichen Geschmacksrichtungen geraucht. Der Rauch wird durch ein mit Wasser gefülltes Gefäß gezogen. Dadurch wird er gekühlt. Schwebstoffe und wasserlösliche Substanzen werden im Wasserpfeifenrauch bei der Passage durch das Wasser teilweise gefiltert. Bei der Verbrennung der Wasserpfeifenkohle entsteht auch das gefährliche Kohlenmonoxid.

Das Gas ist tückisch: Es ist farb‑, geruch- und geschmacklos. So kann es sich unbemerkt ausbreiten. Treten erste Symptome auf, die auf eine zu hohe Konzentration an Kohlenstoffmonoxid in der Luft schließen lassen, ist häufig bereits eine mehr oder minder starke Vergiftung aufgetreten.

Schon zu früheren Zeiten gab es Kohlenmonoxid-Warner. Freilich längst nicht so technisiert, wie sie heute bekannt sind. Es waren gefiederte Retter: Kanarienvögel wurden etwa im Ruhrgebiet eingesetzt, um giftige Grubengase wie eben das Kohlenmonoxid auszumachen. Die Vögel reagieren nämlich 16 Mal empfindlicher als Menschen. Bergleute nahmen sie mit in 800 Meter Tiefe, weil die Tiere auch im Dunkeln sangen. Wenn sie damit aufhörten und unruhig wurden, wussten die Arbeiter, dass der Sauerstoff knapp wurde und sie raus mussten. (Foto: hemlep/AdobeStock)

Wie hoch die Konzentration in der Shisha-Bar am Curie-Platz in Halle war, ist bisher nicht öffentlich bekannt geworden. Zumindest aber muss von dem Gas derart viel in dem Raum gewesen sein, dass die Warngeräte des Rettungsdienstes Alarm schlugen. Um derlei Vorfälle künftig zu verhindern, kündigten Teschner und Verwaltungschef Wiegand unisono stärkere Kontrollen an. Warn-Geräte und eine von den Inhabern zu führende Liste über die Einhaltung der Grenzwerte sollen dabei inspiziert werden. Wo genau die Kontrollen ablaufen sollen, das steht noch nicht wirklich fest. Unter dem Strich kenne man in Halle 20 Einrichtungen, in denen Shish-Pfeifen geraucht werden, so Sicherheitschef Teschner. Die Dunkelziffer dürfte aber deutlich höher liegen.

Ämter fehlen konkrete Zahlen 

Der Shisha-Kohlenmonoxid-Unfall in Halle ist in Sachsen-Anhalt in dieser Form bisher erst- und einmalig. Vielleicht stammt auch daher das Staunen in den Magdeburger Ministerien nach dem plötzlichen Ruf, das Land möge zügig eine Verordnung erlassen. Schnellschuss oder Wahlkampfgetöse des Oberbürgermeisters? Für Wiegand steht fest: „Selbst das Nichtraucherschutzgesetz ist unkonkret und es ist schwer, gegen Verstöße vorzugehen.“ Halles Oberbürgermeister rennt mit seinem Ruf nach landespolitischem Handeln bei Rüdiger Erben, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalt und für diese auch innenpolitischer Sprecher, zwar offene Türen ein. Doch muss der Rathauschef dabei selbst Kritik einstecken. Denn nach Erbens Auffassung würden die kommunalen Ordnungsämter nicht genug Augenmerk auf die Gefahren in Shisha-Bars legen. Erbens Kleine Anfrage im Landtag vom 13. Dezember vergangenen Jahres habe ergeben, dass es nach der Statistik des halleschen Rathauses  in der Saalestadt nicht eine einzige dieser Lokalitäten geben würde. Offenbar hat man aber nach dem Vorfall in der vergangenen Woche noch einmal nachgezählt, zumindest aber hochgerechnet, um eine Zahl zu kontrollierender Bars nennen zu können.

Erben: Land muss Warnsysteme vorschreiben

Wiegand und Erben verfolgen dennoch gleiche Ziele. Der SPD-Politiker fordert, dass Shisha-Bars einheitlich behördlich erfasst und dann auch von den Ordnungsämtern kontrolliert werden. Zudem soll nach seiner Vorstellung im Gaststättengesetz des Landes ein Belüftungs-und Warnsystem für Shisha-Bars zwingend vorgeschrieben werden. Erben: „Shisha-Rauchen ist längst nicht so harmlos, wie es häufig dargestellt wird. Zugleich sind Auflagen und Kontrollen bei Shisha-Bars viel zu lasch. Manche Ordnungsämter wissen nicht einmal, ob und wo sich bei ihnen solche Lokale befinden. Am Beginn muss deren Erfassung stehen, dann müssen strenge behördliche Auflagen und Kontrollen folgen“, so Erben.

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