Der letzte Mohikaner

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Halle/StäZ – Roland Mey ist jetzt in Sachen Länderfusion Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen allein. Nach dem Tod des Hauptprotagonisten der Initiative für eine Neugliederung der drei Länder, des früheren halleschen Stadtrats und Landtagsabgeordneten Bernward Rothe in der vorigen Woche, ist es der Physiker im Ruhestand und ehemalige Stadtrat aus Leipzig, der die Fahne noch hochhalten muss und will. Allein: Roland Mey ist nicht nur der einzige, der nach seinen Angaben noch übrig ist. Er macht sich auch Sorgen, dass die ganze Initiative, die von 2013 bis 2015 im Raum Halle/Leipzig tausende Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt hatte, vor dem Aus steht – wenn nicht neue Kräfte die Idee weiter tragen.

Verfahren liegt beim Bundesverfassungsgericht

Roland Mey, früherer Stadtrat aus Leipzig (Foto: Thomas Mey)

„Ich bin auch schon 76 Jahre alt,“ hat Mey vorige Woche elektronisch an das Bundesverfassungsgericht geschrieben. Er bitte daher um zeitnahe Bearbeitung der Beschwerde, so Mey in der E‑Mail an das höchste deutsche Gericht. Die Beschwerde, von der die Rede ist, hatte der verstorbene Bernward Rothe im Namen der Unterzeichner seines Volksbegehrens bereits im November 2015 in Karlsruhe eingereicht, nachdem das Bundesinnenministerium die Initiative für ein Volksbegehren, die sich auf Artikel 29 Absatz 4 des Grundgesetzes beruft, wonach in einem Länderübergreifenden Ballungsraum (hier Halle/Leipzig) ein Volksbegehren über eine Neugliederung gestartet werden könne, abgelehnt hatte.

Dabei waren nach Rothes damaliger Meinung genug Unterschriften zusammen, um den nächsten rechtlichen Schritt einzuleiten. Der hätte vorgesehen, dass tatsächlich alle Bürger in Halle, Leipzig und den umliegenden Landkreisen aufgerufen gewesen wären, innerhalb von 14 Tagen in die Einwohnermeldeämter zu gehen und per Unterschrift das Volksbegehren zu unterstützen. Wären dabei zehn Prozent der Wahlberechtigten zusammengekommen – eine hohe Hürde –, hätte es nach den Plänen Rothes und Meys danach zu Volksbefragungen in allen drei Ländern und abschließend zu getrennten Volksentscheiden kommen können, jeweils mit monatelangem Vorlauf für Diskussionen und die Organisation der Abstimmungen. Wie der letztliche Zuschnitt und der Name des neuen Landes aussehen würden, ob also auch Randgebiete anderen Bundesländern zugeschlagen werden könnten, all das hätte im Laufe der Debatte noch diskutiert werden können.

Doch soweit hat es das Bundesinnenministerium erst gar nicht kommen lassen. In dem Ablehnungsbescheid, den Rothe auf seiner Homepage dokumentiert hatte, argumentierten die Beamten des damaligen Innenministers Thomas de Maizière (CDU), dass das Ansinnen der Unterzeichner unzulässig und unbegründet sei, unter anderem da lediglich im Raum Halle/Leipzig Unterschriften gesammelt wurden, jedoch eine Neugliederung aller drei Länder beabsichtigt werde. Rothe legt den Grundgesetzartikel 29 jedoch so aus, dass es doch möglich wäre.

Bernward Rothe und Roland Mey im Jahr 2015 mit den Unterschriften für ein Volksbegehren zur Länderfusion in Mitteldeutschland. (Foto: Ralf Julke/l‑iz.de)

Hoffen auf Unterstützung

Nun hat es das höchste deutsche Gericht seit zweieinhalb Jahren in der Hand, ob der Weg zur Länderfusion weitergeht oder nicht. Und es lässt sich weiter Zeit. Mey, der bei der Unterschriftensammlung als stellvertretender Vertrauensmann fungiert hat, hat bisher selbst keinen Anwalt, den man in Karlsruhe aber wohl bräuchte, um überhaupt erfolgreich zu sein. Bernward Rothe war Anwalt und Vertrauensmann der Initiative in Personalunion. Mey muss jetzt auf ehrenamtliche Unterstützung oder auf edle Spender hoffen, um einen Anwalt engagieren zu können.

So wird das, was sich schon zu Lebzeiten Bernward Rothes abgezeichnet hatte, nach seinem Tod zum großen Problem: Der Initiative für die Länderfusion fehlt es an einer Organisation. Es gibt keinen Verein, keine Struktur, schon gar keine Bündnispartner oder eine große Unterstützerschar. Und trotzdem ist die Initiative dank Rothe und Mey konkreter als viele andere politische Ideen: Die Unterschriften sind gesammelt, und es gibt ein Verfahren am Bundesverfassungsgericht dazu. Mit der Kraft zweier Bürger sind sie weit gekommen. Auch deshalb will Mey auch noch nicht aufgeben, schon allein um auch den über 8000 Menschen gerecht zu werden, die seinerzeit für das Ziel Länderfusion unterschrieben hätten. „Wenn es mir jetzt nicht gelingt, viele Unterstützer zu gewinnen und zu aktivieren, um öffentlichen Druck auszuüben, dann habe ich jedoch wenig Hoffnung, dass ich das Volksbegehren Mitteldeutschland allein erfolgreich beenden kann“, sagt er und ruft Interessierte auf, sich bei ihm zu melden.

Auch Haseloff hielt Fusionen einst „grundsätzlich für sinnvoll“

Auf Rückenwind aus der Politik wagt Mey indes nicht zu hoffen. Er und Rothe hätten sich bisher nur Körbe eingehandelt. Die Länderfusion ist daher nicht mehr als eine utopische Idee, die allerdings auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) schon einmal im Interview mit der Zeitung Die Welt 2013 nicht vollends verworfen hatte: Zusammenlegungen von Ländern seien unter anderem angesichts der Schuldenbremse, die ab 2019 wirkt, grundsätzlich sinnvoll, sagte er damals, allerdings gebe es dafür keine Mehrheiten. Auch seien die Länder historisch gewachsen und es gebe jeweils eine eigenständige regionale Identität.

„Herr Rothe war als altruistischer Landtagsabgeordneter eine totale Ausnahme“, sagt Mey heute. So gut wie alle Landespolitiker wollten mit den kleinen Ländern nur ihre eigenen Besitzstände – heißt: ihre Mandate – wahren, so Mey. Der Tod Rothes berge nun die Gefahr, dass die Initiative zur Länderfusion von der Politik „eingetrocknet“ werde.

Das Bundesverfassungsgericht könnte statt dessen mit einer Entscheidung im Sinne der Initiative dem Interesse der Politiker und auch der Bürger auf die Sprünge helfen. Die Länderfusion wäre plötzlich ein aktuellen politisches Thema, mit dem sich auch PArteien und Parlamente auseinandersetzen müssten. Die höchsten Richter könnten das Thema aber auch für lange Zeit begraben; es würde dann als Kuriosum in die Geschichte eingehen. Wohin das Gericht tendiert, ist unklar, und offen ist bislang auch die Frage, ob nach dem Tod Bernward Rothes das Verfahren in Karlsruhe überhaupt weitergeht.

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