Gimritzer Damm: Hochwasserwand ist Favorit

0

Halle/StäZ - Seriös können die Verantwortlichen noch nicht sagen, wann die lang ersehnte Sanierung des Gimritzer Damms losgeht und auch vollendet ist. Doch dass der Gimritzer Damm kommt, ist seit Dienstagabend wieder ein Stück weit klarer geworden. Der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) hat bei einer Informationsveranstaltung in der Ulrichskirche seine Planungen vorgestellt, die nun öffentlich bis zum 19. März unter anderem im Technischen Rathaus am Hansering ausliegen. Und geht alles seinen Gang, dann kann es vergleichsweise schnell gehen. Aber seine Hand dafür ins Feuer legen will zur Zeit noch niemand.[ds_preview]

Infoveranstaltung des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) am 20. Februar in der Ulrichskirche in Halle, Fachbereichsleiter Frank Friedrich (r.) erläutert die Pläne. (Foto: xkn)

Es geht, wohlgemerkt, nicht um die Straße, die derzeit schon gebaut wird, sondern um die Hochwasseranlage, die Halle-Neustadt im Katastrophenfall vor den Saalefluten schützt und die Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) kurz nach dem Hochwasser 2013 wegen Verschlissenheit im Eilverfahren erneuern lassen wollte. Das, wie auch der zweite Anlauf des eigentlich zuständigen LHW, wurde seinerzeit gerichtlich gestoppt, denn es hatte kein ordnungsgemäßes Planfeststellungsverfahren gegeben. Das ist nun mit der öffentlichen Auslegung der Unterlagen in den letzten Zügen. Der LHW hat die seinerzeit geforderten hydrologischen Untersuchungen durchgeführt und die Umweltverträglichkeit der verschiedenen Verlaufs- und Bauvarianten durch Fachleute überprüfen lassen. Ergebnis: Es wird, wenn nicht alle Stricke reißen, eine Stahlbetonwand auf Bohrpfählen entlang des jetzigen Verlaufs des Damms gebaut.

Asphaltierter Rad- und Fußweg auf der Deichkrone

Die seinerzeit durch den Oberbürgermeister und den LHW vorangetriebene Variante entlang der Halle-Saale-Schleife kann damit endgültig als ad acta gelegt bezeichnet werden. Sie schneidet in beinahe allen Untersuchungsfeldern als die schlechteste aller Varianten ab, vor allem aber unter Umweltverträglichkeitsaspekten. Zwar war Bernd Wiegand bei der Veranstaltung anwesend, blieb aber nicht bis zum Ende. Aus dem LHW war jedoch zu erfahren, dass auch die Stadt die Wandvariante mitträgt. Man sei in engem Austausch mit den städtischen Behörden, so der Tenor.

Die genauen Details des geplanten Deichbaus stellte Frank Friedrich, Fachbereichsleiter im LHW, den zahlreich erschienenen Hallensern vor: Die jetzt bevorzugte Variante ist danach die schonendste von allen untersuchten. Entlang des jetzigen Verlaufs des Deichs soll, leicht versetzt, auf bis zu sieben Meter tief reichenden Bohrpfählen eine Stahlbetonwand errichtet werden, die an der Oberkannte noch ungefähr 0,6 bis 1,1 Meter hoch heraussteht. Kosten: rund 3,3 Millionen Euro. Die Wand berühre auch nicht die im Deich teilweise verlaufene Gasleitung, so Friedrich. Diese war oft als ein Argument gegen den alten Deichverlauf genannt worden. Auf der saaleabgewandten Seite soll auf der Deichkrone entlang der Mauer ein asphaltierter Rad- und Fußweg entstehen. Auf der Saaleseite wiederum soll die Mauer leicht angeschüttet werden. Der Deich selbst soll an vier Stellen mit behindertengerechten Übergängen versehen werden, die im Hochwasserfall mit mobilen Wandelementen geschlossen werden können. Eine auf der Veranstaltung präsentierte Animation zeigt das idealisierte Erscheinungsbild des Deiches:

An der Stelle der ehemaligen Eissporthalle soll zudem das rund 18.000 Quadratmeter große Geländeplateau abgetragen werden, um mehr Raumvolumen im Überschwemmungsgebiet zu gewinnen. Auch der bereits 2013 begonnene kurze Deichabschnitt auf der nun verworfenen Route soll abgetragen und für die Anschüttungen am neuen Deich verwendet werden. Das Erdreich wird dann für die Böschungsanschüttung auf der Flusseite des neuen Deiches verwendet werden.

„Wiegandwall“ bekäme schlechte Umweltnoten

Für die Bauarbeiten muss allerdings ein Großteil der auf der Saaleseite des Deichs stehenden Gehölze weichen, damit die schweren Bau- und Bohrfahrzeuge Arbeitsfreiheit haben. Es soll aber Ausgleichsmaßnahmen in größerem Umfang als die Abholzungen geben, wie die Landschaftsarchitektin Berit Kleine, die für die Umweltplanungen verantwortlich ist, sagte. Kleine stellte auch die Ergebnisse der Umweltuntersuchungen für die verschiedenen Varianten dar. Danach ist die nun gewählte Variante mit Abstand die beste. Die geschwungene Variante entlang der Halle-Saale-Schleife erhält dagegen mit Abstand die schlechtesten Noten, was die Auswirkungen auf Wohnumwelt aber auch auf Flora und Fauna entlang der innerstädtischen Saaleaue betrifft.

Eindeutiger Variantenvergleich: Die Betonwand (Variante 2) schneidet in allen Belangen besser ab, als der geschwungene Verlauf entlang der Halle-Saale-Schleife (Variante 4). (Foto: LHW/Repro: StäZ)

Es sind für die allermeisten im Saal überzeugende Argumente, das zeigt die anschließende Diskussion. Und auch von den damaligen bürgerschaftlichen Kontrahenten in der Deichbaudiskussion kamen am Dienstag vor allem versöhnliche Töne. Einwohner Halle-Neustadts hatten stets einen zügigen Bau des Deichs angemahnt. Bewohner von Gut Gimritz, des Sophienhafens und der Klaustorvorstadt hatten dagegen die damaligen Baumaßnahmen angefochten, weil sie befürchteten, dass ihre Häuser im Hochwasserfall eher überflutet worden wären. Denn der im Volksmund auch Wiegandwall genannte neue Deichverlauf hätte aus Sicht der Gegner Retentionsfläche gekostet, weil er näher am Fluss verläuft und somit die Pegelstände tendenziell erhöht. Wiegand und der LHW hatten damals die Größenordnung des Effekts jedoch als vernachlässigbar bezeichnet.

Mit der neuen Variante entlang des alten Deichs muss diese Diskussion nun nicht mehr geführt werden. Auch deshalb rechnen die Beteiligten nun mit einem zügigen Gang des Verfahrens. Nachdem der LHW seine Pläne vorgestellt hatte, sagte zum Beispiel ein Bewohner von Gut Gimritz: „Ich bin sehr angetan von dem Ergebnis, denn es sieht ganz anders aus als die konfliktreiche frühere Variante.“ Ein Bewohner Halle-Neustadts wiederum lobte die LHW-Planungnen als „guten Kompromiss“. Eine Anwohnerin des Sophienhafens sagte wiederum, sie könne die planerischen Grundlagen jetzt gut verstehen, habe jedoch immer noch Befürchtungen. „Warum wird als Schutzziel nicht die ganze Stadt betrachtet? Was wird konkret für die Altstadt getan?“ LHW-Chef Burkhard Henning hatte hier keine konkreten neuen Deichpläne und schon gar keine kurzfristigen parat, sondern verwies stattdessen auf ein Paket langfristig angelegter Maßnahmen flussaufwärts: So würde nach wie vor versucht, vor Halle Retentionsraum, also zusätzliche Überflutungsfläche, zu gewinnen, neue Polder würden bereits gebaut, und auch die Talsperrensteuerung in Thüringen müsse weiter verbessert werden. Er denke, „dass wir in zehn oder zwanzig Jahren diese Maßnahmen haben und dass sich die Hallenser dann keine Sorgen zu machen brauchen“, so Henning. Das ist zwar für Altstädter potenziell unbefriedigend, der Streit um die Verlegung des Gimritzer Damms hat mit dieser Debatte jedoch kaum noch etwas zu tun.

Dass vor allem auch in der länderübergreifenden Zusammenarbeit viel zu tun bleibt, das machte auch LHW-Chef Henning wiederholt deutlich. „Hochwasserschutz ist eine Aufgabe von der Quelle bis zur Mündung.“ Als dann doch noch einmal jemand wissen wollte, wann genau denn nun der Gimritzer Damm fertig ist, versprach Henning, wie gesagt, nichts: „Wenn ich sagen würde, dass wir Weihnachten 2019 fertig sind, wäre das unredlich.“ Denn man wisse nicht, welche Einwände und Anregungen während des laufenden Auslegungsverfahrens noch kommen. Diese müssten dann geprüft und gegebenenfalls in die Pläne eingearbeitet werden. Das letzte Wort hat dann das Landesverwaltungsamt, und gegen dessen Entscheidung kann dann wiederum von Betroffenen geklagt werden. Doch LHW-Mitarbeiter schätzten im Anschluss an die Veranstaltung gegenüber der Städtischen Zeitung ein, dass der neue Entwurf wesentlich weniger konfliktträchtig ist, wenn überhaupt. Vielleicht, vielleicht könnte auch schon ab kommendem Spätsommer gebaut werde, heißt es unter der Hand.

Die Bauzeit ab dem Startschuss beträgt zehn Monate.

[ds_preview]
0 0 votes
Article Rating
Subscribe
Benachrichtigen Sie mich zu:
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments