Uni Halle streicht Musik-Studiengänge

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Händel am Galgen: So sehen es symbolisch die Demonstranten am Mittwoch auf dem Uniplatz. Sie protestieren gegen die Schließung mehrerer musikalischer Bachelorstudiengänge an der Uni Halle. Nötiger und lange mit der Landespolitik vereinbarter Schritt: Das ist dagegen die Position einer knappen Mehrheit des Akademischen Senats der Uni Halle, die am Mittwochnachmittag für die Schließung der Studiengänge votierte. Mit zwölf zu elf Stimmen war damit nach zweistündiger Debatte besiegelt, dass ab dem kommenden Semester keine Studierenden mehr in die betroffenen Studiengänge immatrikuliert werden. Betroffen sind die Fächer der Instrumental- und Gesangspädagogik, die die Uni Halle 2006 im Rahmen landesweiter Hochschulkürzungen und Umstrukturierungen von der Uni Magdeburg übernommen hatte. Im Gegenzug wurde damals die Ingenieurausbildung in die Landeshauptstadt verlagert.[ds_preview]

Protest gegen die Schließung musikpädagogischer Studiengänge an der Uni Halle (Foto: xkn)

Es sind die sogenannten Orchideenfächer, also Fächer mit auch bei voller Auslastung geringen Studierendenzahlen, die es zudem nicht an jeder Uni gibt, die derzeit wieder einmal im Kürzungsfokus stehen. Die Musikpädagogik ist in ihrer Art einzigartig im Land. Wie in Sachsen-Anhalt in Zukunft Musikschullehrer ausgebildet werden sollen, ist mit der Schließung der Studiengänge unklar.

Dass die drei betreffenden Professuren überhaupt zur Disposition stehen, hängt mit der Auslegung von über zwölf Jahre alten Vereinbarungen zusammen, die die Unis damals mit dem zuständigen Kultusministerium getroffen hatten. In den Zielvereinbarungen war 2005 der Fächertausch zwischen Magdeburg und Halle beschlossen worden. Die Musikpädagogik-Professoren stehen seitdem zwar in Halle in den Hörsälen und Proberäumen, gelten aber dem Vernehmen nach haushalterisch immer noch zur Uni Magdeburg und sitzen auf gesperrten Stellen. Das heißt, wenn die Inhaber in den Ruhestand gehen, fallen auch die Stellen weg. Vor diesem Hintergrund stoppt die Uni die Einschreibung. Dem Vernehmen nach soll es im Musikinstitut der Uni zudem fortwährend Zwist zwischen Hallensern und Ex-Magdeburgern gegeben haben. So gingen die Unimusiker nicht geeint in die Abwehrschlacht gegen die Schließung.

Protest gegen die Schließung musikpädagogischer Studiengänge an der Uni Halle (Foto: xkn)

Personalrat, Gewerkschaften und Studierendenvertreter haben zudem eine völlig andere Auffassung als Universitäts- und Fakultätsleitung. Sie lehnen die Kürzungen ab. So heißt es in einem der Städtischen Zeitung vorliegenden Statement von Uni-Senator Bertolt Marquardt, der auch Vorsitzender des Uni-Personalrats ist, dass die Zielvereinbarungen von 2005 ausdrücklich eine Fortführung der Musikpädagogik in Halle vorsähen. Die Uni suche zudem, so Marquardts Vorwurf, nicht aktiv nach Lösungsmöglichkeiten, um für die Musikpädagogik ordentliche Uni-Stellen zu schaffen. Zudem rechnet der Personalrat in einem Schreiben an Uni-Rektor Udo Sträter vor, dass die Uni im Haushaltsjahr 2017 Millionensummen nicht verbraucht habe, unter anderem weil bis zu 200 Stellen an der Uni fortlaufend unbesetzt seien. Es soll sich um 23,5 Millionen Euro Haushaltsmittel handeln sowie um 30,3 Millionen Euro aus dem Hochschulpakt zwischen Bund und Ländern. Letztere Mittel sind indes zweckgebunden und können nicht ohne Weiteres für neue Stellen in der Musik verwendet werden, heißt es aus der Uni.

Auch Stadtpolitiker, die am Protest auf dem Uniplatz teilgenommen hatten, äußerten sich entsetzt über die Pläne der Uni. SPD-Stadtrat Fabian Borggrefe, selbst Orchestermusiker an den Bühnen Halle, sagte der Städtischen Zeitung: „Das wäre ein Standortverlust für Halle, denn es schwächt erstens die breit aufgestellte Universität und damit, zweitens, die Kulturstadt und die Wissenschaftsstadt Halle.“ FDP-Stadtvorstandsmitglied und Opernsänger Olaf Schöder, ebenfalls am Mittwoch vor Ort, postete auf Facebook: „Wir brauchen Instrumentallehrerinnen und Lehrer in jedem Landesteil für unsere Kinder und Jugendlichen.“

Vertreter der Universitäts- oder der Fakultätsleitung wollen sich nach Angaben einer Uni-Sprecherin erst in den kommenden Tagen gegenüber der Städtischen Zeitung zur Thematik äußern.

Daher bleibt bislang offen, wie es nun tatsächlich weitergeht. Der Senat hat nämlich zwar den Einschreibestopp für die Musikpädagogischen Studiengänge beschlossen, gleichzeitig aber der für Musik zuständigen Philosophischen Fakultät II den Auftrag gegeben, ein neues Konzepts für die musikpädagogische Ausbildung von Musikschullehrern zu erarbeiten. Händel könnte also womöglich doch noch, bildlich gesprochen, rechtzeitig dem Galgen entkommen.

Die nächste Schließung von Orchideen-Studiengängen kündigt sich indes bereits an: Auch in der Japanologie soll an der Uni Halle der Bachelor-Studiengang eingestellt werden. Die Abstimmung hierüber soll im April im Hochschulsenat stattfinden.

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siggivonderheide@me.com
6 Jahre her

So läuft sie ab, die Durchkapitalisierung einer Gesellschaft, so hat es Ludwig Beck in seiner „Risikogesellschaft“ genannt. Alles muss sich selbst und sofort rechnen. Etwas wofür sich nur wenige interessieren, dass ist nicht wichtig. Schauen wir mal nach früheren Orchideenfächern wie Islamistik: wie gut das es noch ein paar Menschen gibt die uns den Islam erklären können damit wir nicht auf die Interpretationen von Islamisten angewiesen sind und uns mit dem Thema noch vielschichtiger auseinandersetzen können. Wie stünde es denn wenn wir keine neuen Musiklehrer mehr an den Schulen hätten? (Ganz nebenbei, es fehlen schon seit Jahrzehnten Musiklehrer in Sachsen-Anhalt)… mehr lesen »