Schülersprecher über Jugendparlament: „Kein Konzept ohne uns!“

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Der Schüler Timon Fruchert ist Vorsitzender des Stadtschülerrats Halle. (Foto: privat)

Die Jugend für die Demokratie und ihre Prozesse interessieren, gewinnen oder gar begeistern – das ist ein Ziel, das immer wieder beschworen wird. Im Februar soll der Stadtrat nun über den Vorschlag zur Einrichtung eines Jugendparlaments entscheiden. Es ist ein altes Wahlversprechen von Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos), es ist jedoch die Fraktion der Mitbürger, die den Antrag eingebracht hat. Was aber halten die Jugendlichen selbst von der Idee? Die Städtische Zeitung sprach mit Timon Furchert, dem Vorsitzenden des Stadtschülerrats, über die Idee. Der 17-Jährige ist Schüler am Gerog-Cantor-Gymnasium und wurde im Herbst zum neuen Sprecher der halleschen Schülerschaft gewählt. Im Gespräch mit der StäZ fordert er unter anderem ein Antragsrecht für Kinder und Jugendliche im Stadtrat. [ds_preview]

Herr Furchert, im Februar soll der Stadtrat über die Einführung eines Jugendparlaments befinden. Ist das eine gute Idee?
In dem Antrag der Mitbürger-Fraktion geht es ja zunächst einmal darum, ein Konzept zu erstellen. Das finden wir gut. Denn es gibt hier aus unserer Sicht viele offene Fragen. Entscheidend wird also sein, was am Ende dabei für ein Parlament herauskommt. Einfach nur ein weiteres Gremium für Kinder und Jugendliche neben denen, die es jetzt schon gibt, oder ein wirksames Beteiligungsinstrument – das ist die Frage.

„Wenn man Kinder und Jugendliche wirklich ernst nehmen will, dann muss man ihren Gremien auch Rechte geben.“

Was wäre ihr Vorschlag?
Es gib bereits uns als Stadtschülerrat, ein Gremium, das gesetzlich vorgesehen ist. Und es gibt den Kinder- und Jugendrat, wo ebenfalls schon viel und gute Arbeit geleistet wird. Das Problem ist: Es kommt zu selten bei den Entscheidern in der Kommunalpolitik an. Man muss also genau überlegen, ob ein Jugendparlament das besser machen kann. In Leipzig gibt es dazu bereits gute Erfahrungen. Es lauern aber auch viele Probleme: Die Aufgaben der dann drei Gremien würden sich extrem überschneiden. Für die Außenwahrnehmung und die erfolgreiche Arbeit wäre das nicht gut.

Also keine gute Idee?
Das habe ich nicht gesagt. Ein Parlament ist immer eine gute Idee, wenn es darum geht, Demokratie zu lernen. Ich sage: Es muss geklärt werden, welche genaue Form und welche Kompetenz so ein Parlament hätte und was mit den Gremien passiert, die es jetzt schon gibt. Da ist vieles vorstellbar. Eine Forderung ist für uns aber schonmal selbstverständlich: Sowohl Stadtschülerrat als auch Kinder- und Jugendrat sollten bei der Erstellung des Konzepts wirksam beteiligt werden. Kein Konzept ohne uns!

„Ein eigenes Antragsrecht würde unsere Arbeit aufwerten.“

Welche Kompetenzen müsste denn ein Jugendparlament haben, damit es nicht eine reine Quasselbude unter vielen ist?
Wenn man Kinder und Jugendliche mit ihren Interessen in der Stadt wirklich ernst nehmen will, dann muss man ihnen und ihren Gremien auch Rechte geben. Es macht einen großen Unterschied, ob wir als Stadtschülerrat nur beratend in einem Ausschuss sitzen wie derzeit oder ob es beispielsweise ein Antragsrecht an den Stadtrat gibt. Dann könnte man seine Interessen viel besser und wirksamer artikulieren, denn alle müssten sich damit auseinandersetzen. Und Kinder und Jugendliche würden so auch erfahren, wie die Parteien und Fraktionen zu ihren Interessen stehen. Ein Jugendparlament würde also vor allem dann Sinn ergeben, wenn es mehr Rechte hat als die Gremien jetzt. Das Antragsrecht ist entscheidend.

Übergeht die Stadtpolitik die Interessen von Kindern und Jugendlichen bisher?
Wir haben auch jetzt schon Möglichkeiten, uns einzubringen. Wir werden von Mitarbeitern der Stadt in unserer Gremienarbeit unterstützt, was sehr gut ist. Wir können jederzeit zur Beigeordneten Katharina Brederlow gehen oder zu den Stadtratsfraktionen und werden auch ab und zu um Stellungnahmen gebeten. Dennoch: Die Willensbildung und auch die Kommunikation in die Schülerschaft zurück würde wesentlich besser funktionieren, wenn alle wissen, dass das, was Kinder und Jugendliche in ihren Gremien machen, auch Bedeutung hat. Ein eigenes Antragsrecht würde unsere Arbeit aufwerten, und wir hätten dann auch im Stadtrat Rederecht. Das würde schon einiges verändern.

Was wäre denn zum Beispiel ein Thema, zu dem sie jetzt sofort einen Antrag stellen würden?
Kostenlose Schülerzeitkarten auch nach Klasse 10. Nur als Beispiel. Bisher müssen Schüler bzw. ihre Eltern ab Klasse 11 die Zeitkarten selbst bezahlen.

Wie ausgeprägt ist überhaupt die Bereitschaft unter Kindern und Jugendlichen, sich die Mühen der Demokratie anzutun?
Für viele ist die Klassen- und Schulsprecherwahl die erste demokratische Erfahrung. Danach hält sich das Interesse oft in Grenzen. Umso wichtiger wäre es daher, dass all diese Wahlen auch einen Effekt hätten, dass man also damit etwas bewegen kann. Derzeit ist es oft schwierig, das Interesse zu wecken, weil bei vielen Schülern von unserer Arbeit wenig ankommt.

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siggivonderheide@me.com
6 Jahre her

Soweit so gut. Als zweite Meinung in diesem Interview hätte ich gern einen Durchschnittsjugendlichen gehört bzw. gelesen.