Sie haben mir ein Denkmal gebaut

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StäZ-Kolumnistin Laura Lütt, Foto: privat.

Als ich von der Aktion des „Zentrums für Politische Schönheit“ (ZPS) auf dem Nachbargrundstück von Björn Höcke erfuhr, feixte ich zunächst ein bisschen in mich hinein. Die Aktivisten hatten sich dort eingemietet und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion neben dem Haus des thüringischen AfD-Chefs eine kleine Ausgabe des Berliner Holocaust-Mahnmals errichtet. Dieser hatte das Original im Herzen unserer Hauptstadt einmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet, weil er sich daran stört, dass an so prominenter Stelle an die dunklen Jahre der deutschen Geschichte erinnert wird.[ds_preview]

Im Netz wird diese Aktion gehypt, und die Organisation erhält zahlreiche Spenden. Es ist schon belustigend, dass der Stein des Anstoßes nun fast im tatsächlichen Sinne zu ihm nach Hause kommt. Die Aussagen Höckes laden dazu ein, rechtfertigen vielleicht sogar, sich zumindest ein bisschen darüber zu amüsieren, wie dieser wohl aus der Wäsche geschaut haben mag, als er am Mittwochmorgen die Betonstelen nebenan erblickte.

Aber irgendwie störte mich die übermäßige Freude – insbesondere im Netz – an diesem politisch-künstlerischen, aber doch bloß symbolischen Akt. Nach dem Lesen weiterer Berichte musste ich feststellen, dass die Künstler es nicht allein beim Aufstellen von Beton belassen hatten. Man habe den umstrittenen Politiker über zehn Monate hinweg beobachtet. Es ist anzunehmen, dass ein solcher Eingriff in die Privatsphäre nicht nur das primäre Ziel der Aktion, also Björn Höcke selbst, trifft, sondern auch Frau und Kinder, die mit ihm zusammenwohnen. Zumindest letztere können wohl nichts für ihren Vater und seine Äußerungen.

Der thüringische Landtagspräsident Christian Carius (CDU) rief die Errichter der Stelen dazu auf, die Privatsphäre Höckes im politischen Diskurs außen vor zu lassen. Der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Reinhard Schramm äußerte ebenso, dass die Aktion zwar „gut gemeint“ sei, aber Familie und Privatsphäre Höckes Tabu seien. Auch ein Björn Höcke hat nun einmal Grundrechte. Die Polizei ermittelt nun wegen Nötigung, da das ZPS Höcke klargemacht hat, dass es das bei der Beobachtung entstandene Material nur dann nicht veröffentlicht, wenn dieser sich zu einem Kniefall vor dem Miniatur-Denkmal bewegen kann.

Soweit die juristische Bewertung. Nun zur moralischen Betrachtung – und jetzt kommen wir auch dem Grund näher, weshalb die ganze Sache mir Bauchschmerzen bereitet. Das Mahnmal in Berlin ist geschaffen worden, um an die durch die Nationalsozialisten ermordeten Juden Europas zu erinnern und ihrer zu gedenken. Es ist ein Ort der Stille in unserer Hauptstadt; stellt einen Kontrast dar zum ganzen touristischen Trubel und dem politischen Pipapo, das sich nur ein paar Meter weiter abspielt. Der einigermaßen vernunftbegabte Bürger schämt sich fremd, wenn dort Besucher darauf hingewiesen werden müssen, dass man doch bitte nicht oben auf den Betonblöcken herumlaufen soll; das tun sie meist, weil das ach so tolle Facebook-Fotos ergibt.

Was war aber nun der Zweck der Miniausgabe in Höckes Heimat? Hat irgendjemand seit Beginn der Berichterstattung an diejenigen gedacht, wegen derer das Denkmal geschaffen wurde? Davon habe ich nichts mitbekommen.

Stattdessen rauscht ein wütender Mob an, der sich auf die Seite Höckes stellt und gegen die Künstler und Aktivisten vorgehen will, die wiederum natürlich ihr Kunstwerk beschützen wollen. Bei den Auseinandersetzungen geht eine Kamera kaputt; die Polizei muss den Ort des Geschehens überwachen. Und so stehen sie dort alle, hassen einander oder zumindest die jeweils andere politische Anschauung, und tun was genau nicht? Richtig!, sich mit dem Zweck des Original-Denkmals befassen.

Ob eine solche Situation vorhersehbar war? Ich meine, man musste zumindest mit Widerstand des Höcke-Lagers rechnen. Man nahm es wohl in Kauf. Presse ist natürlich auch zuhauf angerückt, das erhöht die Reichweite des Ganzen. Und gegen die Rechten zu sein ist ja sowieso immer gut, da ist man auf der sicheren Seite. Da ist es natürlich auch legitim, den Effekt, der in der deutschen Gesellschaft ausgelöst wird, sobald man jemanden auch nur in Verbindung mit dem Nationalsozialismus bringt, auszunutzen, um Björn Höcke durch den Kakao zu ziehen.

Kurz gesagt: Man holt die Nazikeule heraus. Doch ist Björn Höcke das? Ein Nazi?

Glauben Sie mir, ich mag den Mann nicht: Weiter möchte ich gar nicht ausholen – allein weil ich dann abwägen müsste, mit welchen Attributen ich seine Aussagen adäquat charakterisieren kann, ohne auf allzu unfeine Ausdrücke zurückzugreifen. Worauf ich hinaus will: Die Einmaligkeit des Holocausts gebietet es, keine Vergleiche anzustellen, die keine sind. Höcke und die Taten der Nazis in Verbindung zu setzen, relativiert das Unrecht, das im Dritten Reich geschah.

Wenn man Vorsatz unterstellt, dann lässt die Beton-Aktion neben Höckes Haus eigentlich nur einen Schluss zu: Man instrumentalisiert hier das Gedenken der Holocaust-Opfer, um gegen den politischen Gegner vorzugehen. Und das ist geschmacklos.

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Juliane Uhl
6 Jahre her

Wow, mutiger Text.

Albrecht Pohlmann
6 Jahre her
Reply to  Juliane Uhl

Gern stimme ich Ihnen zu, Frau Uhl. Aber warum ist der Text denn eigentlich „mutig“? Weil er für extreme politische Haltungen auch dann die Einhaltung von Verhältnismäßigkeit und Rechtstaatlichkeit einfordert, wenn man sie selbst verabscheut? Ich habe es hier schon erwähnt: Als radikaler Pazifist bin ich nicht daran interessiert, daß meine Grundrechte eingeschränkt werden. Diese Uneingeschränktheit muß also auch für meine Gegner gelten. – Wer erinnert sich noch an den Fall, als deutsche Hooligans eine französischen Polizisten derart verletzten, daß er seitdem gelähmt ist? Daraufhin wurde ein Gesetz verabschiedet, mit dem potentiellen Gewalttätern die Ausreise aus Deutschland verweigert werden konnte.… mehr lesen »

Juliane Uhl
6 Jahre her

Lieber Herr Pohlmann, der Text ist mutig, weil ich in meiner Filterblase nicht viele sehe, die für die Rechtsstaatlichkeit eintreten, wenn es gegen politische Gegner geht.

Dirk Dirot
6 Jahre her

Was mir bei dieser Form der Aktionskunst fehlt, ist die inhaltliche Auseinandersetzung. Sehr richtig das ein Mahnmal nicht für Klamauk, der er nun mal ist, taugt. Wenn die Form über den Sinn geht verfehlt Kunst ihren Anspruch. Andererseits ist jede Form des gewaltfreien Protests besser, als in seinem Info Ghetto vor sich hin zu wettern. Es wäre wichtig jeden Kanal zu nutzen um diesen Leuten zu sagen, IHR seit nicht das Volk. Und ist es nicht das, was die AfD mit ihrer Politik betreibt: Stigmatisierung! Auch wenn die Hoffnung vergebens ist: vielleicht antizipiert der gemeine Afdler, wohin es führt, mit… mehr lesen »

Albrecht Pohlmann
6 Jahre her

In der Hoffnung, nicht ganz vom Thema abzukommen: Der hier verlinkte Beitrag widmet sich unverhältnismäßigen Polizeieinsätzen gegen Personen, welche der Exekutive offenbar als „gefährlich“ gelten – diesmal allerdings in der linken Szene: http://www.nachdenkseiten.de/?p=41494#more-41494. Hier werden häufig Gesetze, Verordnungen usw. angewandt, die ursprünglich einmal als Mittel gegen „Terrorismus“ installiert worden waren.