Rechts abbiegen für 180.000 Euro

Eine Rechtsabbiegespur für Autos am Glauchaer Platz soll ausgerechnet mit Geldern gebaut werden, die für den Nahverkehr vorgesehen sind.

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Der Glauchaer Platz ist eines der großen Fluthilfeprojekte, die derzeit in den Stadtratsgremien verhandelt werden. Beim Hochwasser 2013 war er zum Teil überflutet worden, und alsbald soll für insgesamt rund 1,1 Millionen Euro der südliche Teil des Platzes saniert werden. Soweit, so normal, seit der milliardenschwere Bund-Länder-Fonds zur Bewältigung der Flutfolgen in Halle ein Bauprojekt nach dem anderen ermöglicht. Ein Detail könnte jedoch nun für Kontroversen sorgen: Die Stadt plant zusätzlich, für 180.000 Euro eine neue Rechtsabbiegespur für die notorisch überlastete Glauchaer Straße zu bauen – und will dafür Fördermittel einsetzen, die eigentlich für den Nahverkehr gedacht sind. [ds_preview]

Am Glauchaer Platz soll eine neue Rechtsabbiegespur entstehen, für 180.000 Euro und aus Mitteln, die für den Nahverkehr vorgesehen sind. Foto: StäZ

In der Vorlage ist als Deckungsquelle für die zusätzlichen 180.000 Euro der Topf „ÖPNVG-Mittel“ angegeben. Das sind Mittel des Landes, die gemäß dem „Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr“ (ÖPNVG) allgemein zur Unterstützung des Nahverkehrs in Halle gezahlt werden. Gilt das auch für eine Rechtsabbiegespur, auf der keine Busse fahren und die auch für die über den Nordteil des Platzes fahrende Straßenbahn praktisch keine Relevanz hat?

Aus Sicht der Stadt und auch vieler Anwohner im Viertel ist die Rechtsabbiegespur dringend nötig. In Stoßzeiten staut sich der Verkehr ein ganzes Stück die Glauchaer Straße hinauf, auch weil bisher Geradeaus- und Rechtsabbiegespur vereint sind. Macht man hier aus einer Spur zwei, könnten Rechtsabbieger, die auf Fußgänger und Radfahrer warten müssen, nicht die Geradeausfahrer blockieren, so das Kalkül der Stadt. Der Verkehr könnte schneller abfließen. Doch es ist offen, ob die neue rechte Spur wirklich spürbar für Entlastung sorgen wird. Im Entwurf bietet sie gerade einmal Platz für drei bis vier Rechtsabbieger. Werden es mehr, ist auch für Geradeausfahrer wieder warten angesagt. Weiterer Nachteil: Durch die veränderten Ampelphasen verlängern sich für Radfahrer und Fußgänger die ohnehin schon langen Rotphasen am südlichen Glauchaer Platz weiter.

Und es bleibt das Kuriosum, dass ausgerechnet Nahverkehrsmittel für die 180.000 Euro herhalten sollen. Einen Hinweis, warum das so sein könnte, gibt die Stadt in ihrer Vorlage: Der Stau reiche oft bis in Höhe der Kreuzung Böllberger Weg/Torstraße zurück. Und da fährt die Straßenbahn und werde durch Staus blockiert. Vom Glauchaer Platz bis zur Torstraße sind es allerdings 700 Meter.

180.000 Euro sind gemessen an den jährlichen Investitionen der Stadt nicht viel. Es ist aber ein Großteil der jährlich für Investitionen verfügbaren Nahverkehrsmittel aus dem ÖPNVG, die dann nicht für andere Nahverkehrsprojekte zur Verfügung stünden. 2017 betrug die ÖPNVG-Investitionssumme in Halle rund 335.000. Insgesamt überwies das Land zwar 11,1 Millionen Euro ÖPNVG-Mittel. Der allergrößte Teil dieser Millionen fließt aber in Zuschüsse zum Nahverkehr selbst. Die Maßnahme am Glauchaer Platz soll erst im Jahr 2020 haushaltswirksam werden. Wie viel ÖPNVG-Mittel dann überhaupt zur Verfügung stehen, ist offen.

Die Stadt will im Planungsausschuss am Dienstag ihre Beweggründe erläutern. Eine Anfrage der Städtischen Zeitung von Anfang letzter Woche ließ sie in der Sache unbeantwortet. Aus Stadtratskreisen ist zu hören, dass es auf jeden Fall kritische Nachfragen zu der Vorlage geben dürfte. Ob am Ende das Geld tatsächlich aus ÖPNVG-Mitteln fließt, ist ebenfalls offen. Bis zum Haushalt 2020 fließt noch viel Saalewasser am Glauchaer Platz vorbei.

Variantenskizze mit Rechtsabbiegespur für den südlichen Glauchaer Platz, Quelle: Stadt Halle
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