Ran an die Besen!

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StäZ-Kolumnistin Juliane Uhl, Foto: Knut Mueller

Schüler und Schülerinnen sollen ihre Klassenzimmer zweimal in der Woche selbst auskehren. Das sei ein absurder Vorschlag, äußert sich Ralf-Jürgen Kneissl, Leiter der Sekundarschule Halle-Süd in der Mitteldeutschen Zeitung.  Ja es sei sogar „eine Bankrotterklärung“ und „verklärte DDR-Romantik“. Das kann sogar sein, denn auch ich habe noch so romantische Erinnerungen an die guten alten Zeiten: Meine Eltern haben ein Gartenhaus gebaut, obwohl sie sagen, dass es eigentlich kein Baumaterial gab. Was es aber scheinbar gab, war Handlungswillen, Geschicktheit und sicher auch unheimlich viel Geklüngel, um an Holz und Stein zu kommen. Am Ende stand die Hütte. [ds_preview]Auch heute noch beobachte ich ehemalige DDR-Bürger, die ein Problem durch gekonnte Improvisation lösen, die etwas tun, statt zu verharren. Wenn nun eine Schule schmutzig ist, weil die berechtigten Mittel im Moment nicht vorhanden sind, dann ist ein Besen in der Hand etwas Aktives, während das Murren im dreckigen Klassenzimmer ein passives Warten auf bessere Zeiten ist.

Ist denn nicht eine verschmutzte Schule gepaart mit Passivität der Schüler viel mehr eine Bankrotterklärung? Was ist daran falsch, wenn man selbst die Missstände beseitigt, mit denen man bisher leben muss? Natürlich muss über die Finanzierung von Schulen grundsätzlich gesprochen werden. Es ist schlichtweg unerträglich, dass die Bildungsstätten unserer Kinder zum Teil in einem Zustand sind, der an das Grau sozialistischer Innenstädte erinnert. Dennoch ist es nicht verwerflich, wenn Kinder und Jugendliche sich auch um diese Häuser kümmern. Es redet, soweit ich das verstanden habe, niemand davon, dass die Kids zukünftig die Toiletten putzen müssen. Im Übrigen kenne ich die sanitären Anlagen in Hort und Schule, und ich habe mich schon des Öfteren gefragt, ob die Kinder mehr Sauberkeit leben würden, wenn sie selbst ein wenig mehr Verantwortung hätten. Eine Frage, die sich mir auch stellt, wenn ich über die Peißnitz laufe, die ein weiteres Partywochenende überstanden hat oder wenn ich auf dem Spielplatz bei uns im Viertel wieder mal Glasflaschen und Bonbontüten aufsammle. Es ist ein altbekanntes Prinzip: Räume ich meinen Kindern alles hinterher, werden sie nicht lernen, selbst Ordnung zu halten. Sie werden damit aufwachsen, dass Sauberkeit eine Selbstverständlichkeit ist, zu der sie nichts beizutragen haben. Wenn nun Jugendliche ein bisschen in der Schule helfen müssen, wenn sie vielleicht sogar das Saubermachen selbst organisieren müssen, dann lernen sie nicht nur Verantwortung, sondern auch etwas darüber, wie man zusammen arbeitet.

Also ran an die Besen und gleich auch noch die Schrubber, damit die Kids lernen, dass Wischen nicht nur eine Technik auf dem Smartphone ist. Und wenn dann das Geld wieder fließt, kann es ja vielleicht für einen neuen Basketballplatz genutzt werden, weil das Saubermachen doch gar nicht so schlimm ist.

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Albrecht Pohlmann
6 Jahre her

Liebe Frau Uhl, da haben Sie recht. Bin in der DDR zur Schule gegangen: wir Schüler mußten tatsächlich unsere Schule fegen, wischen, bohnern. Klar, daß wir das gehaßt und unter all die Schlechtigkeiten dieses „Roten Klosters“ (es war tatsächlich eines) subsummiert haben. Im Nachhinein finde ich freilich, daß dies die geringste Zumutung war (etwa gegenüber den monatlichen Erpressungen, uns Jungs partout zu Offiziersanwärtern machen zu wollen). Im Gegenteil, so haben wir schon als Jugendliche die Scheu vor Wischwasser und Scheuerlappen verloren … was dann für das weitere Leben sehr nützlich war. – Unter heutigen Verhältnissen stelle ich mir sogar vor,… mehr lesen »