„Nebelkerzen“ aus dem Rathaus

Zutaten für den nächsten Zoff im Stadtrat: Ein bisher geheimer Rechnungsprüfungshofbericht über zu hoch bezahltes Personal und eine städtische Reaktion, die manche als Ablenkungsversuch empfinden.

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Die Deutungsschlacht ums Personal, die seit dem Amtsantritt von Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) im Jahr 2012 tobt, geht unvermindert weiter. Diesmal ist ein bislang geheimer Bericht des Landesrechnungshofs der Aufhänger, in dem die unabhängige Landesbehörde die Personalwirtschaft der Stadtverwaltung geprüft hat und dem Vernehmen nach deutliche Kritik übt. Der Bericht ist bisher nicht öffentlich zugänglich. Die Stadt soll laut Prüfergebnis in vielen Fällen und seit Jahren zu hohe Gehälter an viele städtische Mitarbeiter und Beamte gezahlt haben beziehungsweise in den Personalakten keine ausreichenden Unterlagen führen, die die Eingruppierung – und damit die Bezahlung – vieler Mitarbeiter ausreichend nachvollziehbar machen. 239 von 280 Personalakten einer Stichprobe sollen fehlerhaft gewesen sein. Eine Summe von 6,1 Millionen zu hoch gezahlter Gehälter steht im Raum. In welchem Zeitraum die Summe aufgelaufen ist und wer dafür verantwortlich ist, das alles kann zur Zeit noch nicht überprüft werden. Die Stadt weist einige der Vorwürfe zurück, akzeptiert manche, hüllt sich zu anderen aber in Schweigen. Am Nachmittag verbreitete sie eine Stellungnahme, die aber nach Meinung von einigen Stadträten, die den Bericht bisher einsehen konnten, selektiv ist.[ds_preview]

Ums Personal im Ratshof wird seit dem Amtsantritt von Oberbürgermeister Bernd Wiegand heftig gestritten. Foto: StäZ

Andere sprechen gar von „Nebelkerzen“, die das Rathaus am Mittwoch gezündet habe, als es mit der Stellungnahme auf die Akteneinsicht der Stadträte reagiert habe. So heißt es in der Mitteilung der Stadt, die Stichprobe des Landesrechnungshofs umfasse einen Zeitraum von 45 Jahren und damit die Amtszeiten von acht Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern. Stadträte, die Akteneinsicht hatten, beteuern jedoch, dass es in dem Bericht vor allem und im Wesentlichen um die Jahre 2010 bis 2015 und damit zu einem Großteil um die Amtszeit Bernd Wiegands gehe. Dass in der Stichprobe auch Akten von Mitarbeitern geprüft wurden, die bereits viel länger im Rathaus beschäftigt waren, wollen sie aber auch nicht ausschließen.

Ein anderer wesentlicher Punkt in dem Prüfbericht, der von der Stadtverwaltung ihrerseits indes nur mit einem knappen Satz angesprochen wird, ist laut übereinstimmenden Berichten die Einstufung der bei Wiegands Amtsantritt neu eingestellten persönlichen Mitarbeiter. Deswegen stand er bereits  zweimal vor Gericht. Erst Anfang Oktober war er von den strafrechtlichen Vorwürfen der Untreue freigesprochen worden, worauf eben jener Satz in der städtischen Stellungnahme noch einmal ausdrücklich hinweist. Ausgestanden ist die Sache aber noch nicht, denn die Staatsanwaltschaft hat Revision angekündigt. Die schriftliche Urteilsbegründung steht noch aus. In der reinen Sachfrage legt sich der Rechnungshof offenbar deutlicher fest als die Richter: Stadträte, die am Mittwoch Akteneinsicht genommen haben, berichten, dass allein die Passage zu den vier Mitarbeitern ein großes Kapitel des ungefähr 150 Seiten starken Berichts einnehme und deutliche Kritik an der Höherstufung der Mitarbeiter übe. Daher hatte die Staatsanwaltschaft den Bericht auch als Beweismittel in den Prozess eingebracht – nicht-öffentlich.

Auch zu einem weiteren kontroversen Punkt macht zwar der Rechnungshofbericht dem Vernehmen nach deutlich kritische Aussagen, während die Stellungnahme der Stadt diesbezüglich eine Leerstelle habe: Es geht um den Haushalt des Jahres 2013, den Wiegand anders bei der Kommunalaufsicht eingereicht hatte, als er vom Stadtrat beschlossen worden war. Auch hier ging es um zum Teil hoch dotierte Stellen, die Wiegand anders besetzt hatte, als es der damalige Stellenplan hergab. Auch diesen Fall wollen die Stadträte immer noch geklärt haben, denn das Disziplinarverfahren des Stadtrats gegen Wiegand wegen verschiedenster Vorwürfe ist immer noch anhängig, wird aber inzwischen vom Landesverwaltungsamt geführt.

Die Angaben zu dem, was im Rechnungshofbericht steht, lassen sich, wie gesagt, nicht unabhängig überprüfen. Die Berichte von Stadträten, die Akteneinsicht genommen haben, stimmen aber unabhängig voneinander überein. Für die Einsicht des Berichts im Wortlaut hatten die Stadträte am Mittwoch allerdings nur anderthalb Stunden Zeit.

Um die Möglichkeit zur Akteneinsicht war erst vorige Woche im Stadtrat heftig gerungen worden. Erst auf scharfe Interventionen hin – es soll einmal mehr ein Protestschreiben der Stadtratsfraktionen an die Kommunalaufsicht gegeben haben – räumte die Stadtverwaltung den Räten Akteneinsicht ein, und eine Sondersitzung des Rechnungsprüfungsausschusses wurde anberaumt.

Auf dieser berichtete Bürgermeister Egbert Geier am Mittwoch fast im Wortlaut, was im Pressestatement der Stadt ohnehin schon zu lesen war: Die Stadt habe bereits im Frühjahr mit der Aufarbeitung der Mängel begonnen und danke den Prüfern des Landesrechnungshofs für die umfangreiche Arbeit. Man habe jedoch in einer Vielzahl von Fällen möglicherweise eine andere rechtliche Bewertung, was derzeit geprüft werde. Auch müsse, so Geier, jeder Einzelfall geprüft werden. Eine Aufarbeitung könne nur Stück für Stück bei Neueinstellungen passieren. „Eine ordentliche tarifliche Eingruppierung kann man nicht so nebenbei machen. Das dauert jeweils drei bis vier Tage“, so Geier.

Fehler durch Überlastung der Verwaltung? Auch dazu hat der Rechnungshof übrigens dem Vernehmen nach der Stadt Hinweise gegeben. Dergleichen könne vermieden oder verringert werden, wenn im Finanzbereich der Stadt mehr Personal eingestellt würde, soll sinngemäß im Bericht stehen. Auch auf diesen Aspekt ging die Stadt am Mittwoch in keiner Weise ein.

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