Matthias Brenner: „Die Feigheit besiegen“

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Matthias Brenner, der Intendant des Neuen Theaters, hatte rund um das Reformationsjubiläum die Hallenser aufgerufen, angesichts der Lage in der Welt und in der Stadt eigene Thesen für das Zusammenleben zu entwickeln. Die Veranstaltung „Auf Anschlag“ am Montagabend war rege besucht, und neben den Thesen entstanden auch zwei große Bilder, die Mut machen sollen zur Einmischung für positive Werte. Die Städtische Zeitung dokumentiert die Thesen hier. Felix Knothe sprach mit Matthias Brenner darüber, was sie bedeuten könnten.

nt-Intendant Matthias Brenner (Mitte) mit den Malern Uwe Pfeifer und Frank Hauptvogel bei der Veranstaltung „Auf Anschlag“ am 30. Oktober im nt. Fotos: StäZ

[ds_preview]Herr Brenner, sind sie zufrieden mit den Thesen, die zusammengekommen sind? 56 sind es geworden.
Es kann sein, dass es noch ein wenig mehr werden, denn bei uns liegen noch irgendwo welche, die auch am Dienstag noch aufgeschrieben worden sind. Ich bin sehr froh über die Thesen. Der Ansatz war ja, Vorschläge zu machen, wie man miteinander zusammenleben kann. Und da ist viel Gutes zusammengekommen. Eine These ist ja an sich keine Wahrheit, sondern das, was man für erstrebenswert hält, ein Vorschlag, den man in eine Diskussion einführt. Diese Diskussion wollten wir anregen.

Die Thesenwand des Neuen Theaters. Foto: StäZ

Welche der neuen Thesen halten Sie für besonders wichtig?
Es sind viele sehr schöne dabei, eigentlich fast alle. Es gibt eine, die lautet: „Mut macht Mut.“ Die finde ich besonders wichtig, denn Mut ist das, was wir heute brauchen. Mut denkt aber immer auch die Feigheit mit, ohne Feigheit kein Mut. Wir alle sind immer auch irgendwie feige. Aber wenn wir mutig sind, besiegen wir die Feigheit.

Was heißt das konkret?
Konkret heißt das Zivilcourage. Daran fehlt es doch heute vor allem. Das einzige, was im letzten Wahlkampf an sogenannter Courage stattgefunden hat, war eigentlich nicht Mut, sondern eine Massenhysterie. Da wurden in kleineren Städten Trillerpfeifenkonzerte veranstaltet gegen die Mächtigen mit der gefühlten Maßgabe: Hängt sie auf. Das ist ein demokratisches Armutszeugnis. Wirkliche Zivilcourage ist viel zu selten, es muss aber mehr davon geben. Wir müssen diesen Pöbeleien im Kleinen und im Großen entgegentreten. Ich bin da selbst nicht frei von Feigheit. Ich kann selbst ein paar Momente im letzten Jahr aufzählen, wo ich meine Klappe gehalten habe, anstatt zu widersprechen. Mut macht Mut heißt daher für mich, sich die Stärke immer wieder bewusst zu machen, die man hat. Das ist wichtig, damit Pegida und so weiter nicht das Gefühl haben, sie seien die Mehrheit. Das sind sie nämlich nicht.

Auch in Halle ringt die Stadtgesellschaft gerade mit sich, wie sie mit dem Auftreten zum Beispiel der Identitären aber auch der AfD umgehen soll. Ausgrenzen oder reden – was ist ihre Meinung?
Da gibt es keinen einzig richtigen Weg. Es wäre der falsche Umgang zu schweigen, und es wäre genauso der falsche Umgang, a priori auszugrenzen. Eine gewisse Auseinandersetzungsbereitschaft muss schon da sein. Allerdings würde ich mir einen Mann wie [den AfD-Landtagsabgeordneten, Anm. d. Red.] Tillschneider nicht ins Haus und auf ein Podium einladen. Denn für ein Streitgespräch braucht man auch einen Partner, dem man offen begegnen kann, den man als Gesprächspartner schätzt, auch wenn er anderer Meinung ist. Und das tue ich in dem Fall nicht. Die Identitären sind Staats- und Demokratiegegner. Denen und denen, die sich mit ihnen gemein machen, muss eine Stadt entgegentreten. Bei der AfD ist das anders. Die ist demokratisch gewählt, und deshalb muss man mit den Wählern auch reden und sie zum Beispiel fragen, was sie sich dabei gedacht haben, was sie erreichen wollten.

Welche Rolle kann und soll die Kultur hier spielen?
Alles der Kunst zu überlassen, reicht nicht. Das würde außerdem zu dem Missverständnis einladen, die Kunst wolle Einfluss auf die Politik nehmen, das dann wieder instrumentalisiert wird. Die Gesellschaft muss insgesamt Flagge zeigen gegenüber den Verfassungsfeinden, und vor allem die Politik einer Stadt muss das vorleben.

Einige der neuen Thesen sind ernsthaft und haben Tiefgang, andere fordern Schokolade oder Kuscheln. Wie ernsthaft ist das Ganze überhaupt?
Es war ein Abend, der beides vereint hat: Nachdenklichkeit und Partystimmung. Insofern finde ich alle Thesen dem Abend angemessen. Viele haben Thesen geschrieben, einige haben gemalt oder etwas vorgetragen. Das waren alles kleine Geschenke an die Feier, und in all dem, ob das Schokolade ist, mehr Liebe oder mehr Sinnlichkeit, stecken ja auch auch einfache Wahrheiten. Es ist immer wichtig, nicht emotional abgewandt oder zynisch zu sein, sondern, im Gegenteil, positiv und zugewandt. Das spiegeln die Thesen wunderbar wider.

Maler Uwe Pfeifer bei Malen am Thesenbild für gutes Zusammenleben.
Ein zweites Bild, das am 30. Oktober im Hof des nt entstanden ist.
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