Kurt-Wabbel-Haus: Der Dornröschenschlaf ist vorbei

Ab Freitag gibt es im ehemaligen Kulturhaus "Kurt Wabbel" am Holzplatz wieder Kultur. Halles freie Theaterszene hat großes mit dem Haus vor.

0

Die Ideen der Studierenden jedenfalls sind am Mittwoch erst einmal wieder in den Schubladen verschwunden. Aber trotz der ganzen Vagheit, die hinter diesen Zukunftsplänen noch steckt – interessant sind sie doch allemal.  Einerseits, weil es immer auch ein bisschen gut tut, wenn Menschen über schöne Dinge nachdenken, ohne sich gleich daran zu stören, was alles (noch) nicht geht. Der Zeitgeist in Halle, mit all den sprudelnden Fluthilfen und Steuereinnahmen, ermöglicht ja gerade an vielen Stellen, dass aus einem Geht-nicht manchmal schon nach wenigen Jahren ein Wann-geht-es-los wird. Auch die freie Kultur hat in den letzten Jahren in Halle Mittel locker gemacht, von denen sie lange nicht zu träumen wagte, und gerade am Holzplatz werden derzeit ja auch auf anderen Feldern und in anderen Dimensionen konkrete und auch noch unkonkrete Pläne geschmiedet. Das Planetarium im Gasometer, das ist konkret. Nächstes Jahr soll es losgehen. Eine neue Schule direkt daneben, das ist noch unkonkret. Das wird gerade erst geprüft von der Stadt. Der Bedarf dafür sei da, sagt die Stadt. Der Bedarf für einen Spielort der freien Szene ist freilich auch irgendwie da.

Und andererseits war der Abend am Mittwoch interessant, weil man den freien Theaterhaus-Träumern dabei zusehen und ‑hören konnte, wie ihnen das Kopfzerbrechen macht: Was bedeutet es denn eigentlich für freies Theater, wenn da jetzt ein fester Ort entsteht, den sie perspektivisch ganz für sich alleine haben. Was bedeutet es, wenn man gar Aus- und Umbaupläne schmiedet, die es in Deutschland so für das freie Theater nur ganz wenige – wenn überhaupt – gibt? Dorothea Becker, die Professorin aus Leipzig, die die utopische Fingerübung der Studierenden geleitet hat, rät dazu, den irgendwann vielleicht realisierbaren Wabbel-Haus-Umbau gleich überregional zu denken und hier ein über Halle hinausstrahlendes Zentrum der freien Theaterszene zu entwickeln. Tom Wolter und auch die Vereinsvorsitzende Nicole Tröger belassen es am Mittwoch bei diesen Thesen. Konkret, wie gesagt, ist die zukunft nicht.

„Paare in Zeiten der Hysterie“ ist die erste Theaterpremiere im neuen WUK Theater Quartier, Foto: WUK.

Konkret ist das Jetzt. Denn was WUK und Wolter am Holzplatz haben, ist ein altes Kulturhaus, in das nun am Freitag wieder Zuschauer strömen können. In drei Kapiteln wollen sie die erste Saison in diesem Haus bestreiten. Eben „in Prozessen denken“, statt in fertigen Repertoirestrukturen. Das erste Kapitel, das von Freitag bis Mitte Januar geht, steht unter dem Titel „Hysterie“. Aufgeschlagen werden soll es mit insgesamt vier Demonstrationen an vier Tagen, in denen das Wabbel-Haus diese und nächste Woche jeweils am Freitag und Sonnabend zwischen 20 und 22 Uhr zu einer „medizinischen Fabrik“ umgebaut wird, aus der es kein Entkommen gebe, wie es in der Ankündigung heißt. Mehr werde noch nicht verraten“, sagt WUK-Vorsitzende Nicole Tröger. Laut Tom Wolter werde das Wabbel-Haus an diesen Abenden zur begehbaren Installation, in der Begegnung und offener Austausch möglich werden. „Wir versuchen wegzukommen vom statischen Spielbetrieb und Anschluss zu halten an die künstlerische Entwicklungen, die außerhalb Halles bereits an vielen Orten stattfinden“, so Wolter.

Zum ersten Saisonkapitel gehören zwei WUK-Eigenproduktionen – die Stücke „Paare in Zeiten der Hysterie“ (Premiere am 2. Dezember) und „Finistere“ (Premiere am 9. Dezember). Ergänzt werden sie durch mehrere Gastspiele, unter anderem das Stück „Der Weg zum Glück“ mit Jonas Schütte oder die Buchpremiere „So viel“ der halleschen Autorin Juliane Blech. (Hier geht es zum ganzen Programm.) Kapitel zwei und drei (Arbeitstitel: „Moskau, Moskau“ und „Kafkas Schloss“) sollen dann im neuen Jahr beziehungsweise ab März folgen.

Das Kurt-Wabbel-Haus wurde in den 1960er Jahren als Kulturhaus für das Energiekombinat Halle gebaut, das auf dem gesamten Areal am Holzplatz vertreten war. Heute ist es im Besitz der Stadt. Foto: StäZ.

Neben den Stücken selbst dürfte dabei für Hallenser auch spannend sein, das Wabbel-Haus selbst überhaupt erst einmal wieder – oder zum allerersten Mal – zu betreten. Es ist nicht mehr viel zu erkennen vom alten Charme eines niedrigen aber relativ großen Saales mit einst 600 Plätzen. Nach der Wende wurden Wände eingezogen. eine Sauna im Keller soll noch aus alten Zeiten existieren, ebenso eine urige Bar im Obergeschoss. Auch das Parkett im größten der Räume atmet noch die DDR, hinter den einfach verglasten Fenstern ranken sich verwunschen die Brombeeren durchs Fenstergitter. Natürlich muss man da, so kitschig das auch ist, an den Dornröschenschlaf denken, aus dem das Haus nun wieder erwachen soll. Das Licht, das so lange aus war im Kulturhaus „Kurt Wabbel“, geht jedenfalls erstmal wieder an.

0 0 votes
Article Rating
Subscribe
Benachrichtigen Sie mich zu:
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments