Maritim: Spatz in der Hand oder Taube auf dem Dach?

Der Stadtrat entscheidet sich für eine gewagte Lösung: Die Verwaltung soll bis Juni 2018 einen Investor finden, der ein Tagungszentrum an Stelle des früheren Hotels bauen soll. Das könnte zum Konflikt mit dem jetzigen Eigentümer führen.

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Ehemaliges Maritim-Hotel

Fast wäre es wieder einmal zum Eklat gekommen, und das ohne Not. Denn es sah doch schon nach einer klaren Mehrheit aus bei der wohl wichtigsten Frage dieser Stadtratssitzung am Mittwoch: Wie weiter mit dem Maritim? Es wäre eine Mehrheit für den Vorschlag von Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) gewesen, die Pläne des jetzigen Besitzers und der Firma Bankimmobilien Halle – in dem ehemaligen Hotel und späteren Flüchtlingsaufnahmezentrum Studentenwohnungen einzurichten und dafür einiges zu investieren – mittels eines Bebauungsplans für das Maritim-Areal zu durchkreuzen. Denn die Stadt plant eigentlich ein Hotel- und Kongresszentrum an der Stelle errichten zu lassen. Doch mehr als Pläne gibt es dafür bisher noch nicht.[ds_preview]

Es sah danach aus, dass Wiegand trotzdem eine Mehrheit dafür bekommen könnte. CDU und SPD schienen sich einig, den Plan trotz einiger Bedenken wegen einer fehlenden Zahlenbasis zu unterstützen. Es wäre eine knappe Mehrheit geworden. Doch dann ging Bernhard Bönisch (CDU) als letzter ans Mikro und wollte doch noch einmal genau wissen, was vorher im Rat schon für leichte Verwunderung gesorgt hatte. War Wiegand selbst nun eigentlich für den von seiner eigenen Verwaltung vorgelegten Plan? Wiegand hatte in der vorausgegangenen Diskussion eine Bemerkung fallen gelassen, die daran zweifeln ließ. Der Plan ein Hotel- und Kongresszentrum zu bauen sei nicht sein Konzept, sondern der Stadtrat müsse entscheiden, hatte Wiegand sinngemäß gesagt. „Wessen Plan ist es denn dann, wenn es nicht Ihrer ist?“, wollte Bönisch nun wissen. Wiegand antwortete kryptisch: „Lehnen Sie ihn doch ab! Wir sind damit zufrieden. Ihre Entscheidung. Wir haben die Vorlage eingebracht.“

Früher wäre aus so etwas, wie gesagt, leicht ein Eklat entstanden, und Wiegands knappe Mehrheit durch die ungeliebten Fraktionen wäre dahin gewesen. Da war es gut, dass direkt nach Wiegands Satz der Stadtrat in eine Pause ging. Bei Kaffee und Wiener Wurst konnten sich die Gemüter dann ausführlich beruhigen, und bei der Abstimmung stand die Mehrheit für Wiegands Plan. Es wird ein Bebauungsplan aufgestellt, Studentenwohnungen im Maritim sind damit erst einmal verhindert. Mit einer wesentlichen Einschränkung.

Die hatte die CDU-Fraktion in der Sitzung als ad-hoc-Änderungsantrag eingebracht, nachdem die Gegner des Wiegandplans, Linke, Mitbürger und Grüne, ihre Bedenken schon ausführlich ausgebreitet hatten. Der Bebauungsplan, der das studentische Wohnen verhindern soll, bekommt so etwas wie ein Verfallsdatum. Findet Wiegand bis Ende Juni 2018 nicht verbindlich einen Investor, soll der B‑Plan rückabgewickelt werden.

Die Vorsicht scheint angebracht, denn im Prinzip ist es die Wahl zwischen einem Spatz in der Hand und einer Taube auf dem Dach, vor der der Stadtrat stand. Das Maritim hat einen Besitzer, der daraus auch etwas machen lassen möchte, nämlich Studentenwohnungen. Das ist der Spatz. Dem gegenüber ist das Kongresszentrum die Taube. Eine sehr hoch fliegende Taube, denn bisher ist weder ein Investor für das Tagungszentrum in Sicht, noch ist klar, woher das nötige Geld für den Bau oder die später als nötig erwarteten Zuschüsse zu den Betriebskosten aufkommen soll. Noch, wie man den jetzigen Eigentümer dazu bewegen soll, sein Grundstück für ein Tagungszentrum herzugeben. Verhindert man die Studentenwohnungen, und die Taube fliegt davon, könnte hingegen auch der Spatz verloren sein.

„Ich sehe die große Gefahr, dass es eine Ruine auf dem Riebeckplatz geben könnte, und das möchte ich nicht erleben“, sagte Mitbürger-Fraktionsvorsitzender Tom Wolter. Ähnlich äußerten sich Linken-Fraktionschef Bodo Meerheim und Grünen-Stadtrat Christian Feigl.

CDU und SPD hielten dagegen. Ulrich Peinhardt (CDU): „Wir würden gerne dafür stimmen, aber der Verwaltung ein Ziel setzen, so dass es in einem Dreivierteljahr eben keine Ruine gibt.“ „Wenn es dort Studentenwohnungen gibt, dann sind alle anderen Perspektiven obsolet“, argumentierte SPD-Fraktionschef Johannes Krause. Die SPD fände Studentenwohnungen gut, würde aber gerne die Chance für die bestmögliche Variante – das Tagungszentrum – nutzen, assistierte SPD-Stadtrat Eric Eigendorf.

Das Ergebnis steht: Bis Juni 2018 hat die Stadtverwaltung nun Zeit, einen Investor zu suchen und zu finden und dem Stadtrat eine tragfähige Kostenkalkulation zu unterbreiten. Ob der Spatz dann noch als Plan B zur Verfügung steht, ist offen.

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