Eine neue Lokalzeitung – Rettung aus der Filterblase

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Juliane Uhl, Foto: Knut Mueller

In den Medien geistert nun die Meldung herum, dass ein V‑Mann Anis Amri, den Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, zumindest angestachelt haben soll. So richtig überrascht ist niemand mehr. Es scheint, als sei das Vertrauen in die Institutionen der Demokratie immens erschüttert. Auch die Medien selbst kämpfen seit den beginnenden Unruhen in der Ukraine mit enormen Anfeindungen. Sie seien nicht objektiv, parteiisch, vielleicht sogar gelenkt. Immer mehr Menschen sind, um Informationen zu finden, auf alternative Medien und soziale Netzwerke ausgewichen. Und nun stecken wir in unseren Filterblasen und konsumieren täglich unser eigenes Weltbild. [ds_preview]

Das funktioniert im Großen wie auch im Kleinen, global und lokal. Wenn es News aus meiner Heimatstadt Halle gibt, dann erhalte ich die meist über mein Facebookkonto, bereits kommentiert und bewertet durch den Menschen, der sie verbreitet. Jede Nachricht hat schon ein Etikett, von Neutralität ist das weit entfernt. Das kann ich dem Sender nicht vorwerfen, da ich mir die Nachrichten gar nicht an erster Stelle hole, sondern sie mir von denen präsentieren lasse, die bestenfalls die Tageszeitung schon mal in der Hand hatten. Objektivität ist ein Begriff, den ich zuletzt im Studium ernst genommen habe. Und dabei ist das die Tugend, die ich seriösem Journalismus abverlange. Gibt es den noch? Und was soll das eigentlich sein? Was benötige ich als Bürgerin, um gut informiert zu sein?

Seit gut zwei Jahren meide ich Nachrichtensendungen und Zeitungen, die mir die Geschicke der Welt nahe bringen wollen. Denn an den meisten Begebenheiten kann ich nicht viel ändern, und das Wissen um Tropenstürme oder politische Auswüchse in aller Welt wird mein Verhalten nicht maßgeblich verändern, allenfalls meine Stimmung verschlechtern. Ich glaube tatsächlich daran, dass man nur lokal agieren kann, in Echtzeit an einem echten Ort; in der eigenen Lebenswelt, in der Heimatstadt. Aus diesem Grund ist ein ernsthaftes Medium, dass lokale Zusammenhänge, aktuelle Geschehnisse in und um die Stadt und meinetwegen auch ein wenig Gossip zur Unterhaltung, thematisiert, unterstützenswert. Das Experiment Online-Zeitung ist spannend, denn es wird aufzeigen, ob Menschen auch bereit sind, für die Arbeit von Journalisten zu bezahlen. Eine freie professionelle Presse, mit Journalisten, die selbst recherchieren und nicht einfach nur die News der Presseagenturen veröffentlichen, ist das Aushängeschild einer demokratischen Gesellschaft. In Zeiten, in denen scheinbar an allen Fronten gegeneinander gekämpft, aber selten ernsthaft debattiert wird, sind Initiativen wie die Städtische Zeitung Gold wert und ich freue mich, dabei zu sein.

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Karoline Makosch
6 Jahre her

Liebe Frau Uhl, ich freue mich auf Ihre Kolumne!

Albrecht Pohlmann
6 Jahre her

Danke für diesen sympathischen Auftakt! – Die gemeinplätzige Maxime „Global denken, lokal handeln“ kommt mir dennoch in den Sinn, und so sinnvoll mir das lokale Engagement erscheint, hoffe ich doch, daß das verantwortungsvolle Handeln der Vielen (nicht der wenigen Mächtigen) an ihrem jeweiligen Ort schließlich auch eine globale Umwälzung bewirken wird. – Ich bin also gespannt auf die „Städtische Zeitung“ und besonders Ihre Kolumnen.

lichtsubjekt_papierkunst@email.de
6 Jahre her

Guten Tag,

ich werde wohl nicht jeden Tag dazu kommen, die Zeitung zu lesen, dafür dann am Wochenende ausgewählte Beiträge – wie den obigen. Ich freue mich, dass die StäZ nun Wirklichkeit ist und sehe es ähnlich wie die Juliane Uhl. Nachrichtensendungen und Zeitungen meide ich. Unterstützenswert, weil objektiv und sorgfältig hintergrundrecherchiert sind für mich unabhängige Projekte wie z.B. Krautreporter oder eben vorliegendes Format.
Danke und Gutes Gelingen an die MacherInnen!

Albrecht Pohlmann
6 Jahre her

Hier ein Vorschlag für Herrn Knothe ebenso wie für Frau Uhl: Auch wenn es bis jetzt nur wenige journalistische Mitstreiter gibt, wäre zu überlegen, ob sich das Angebot der StäZ nicht durch „Laien“ erweitern ließe – also durch eine Rubrik „Leserreportagen“ o. ä., in denen Hallenserinnen und Hallenser von ihren Erlebnissen in der Stadt berichten können. Als lohnendes Beispiel möchte ich einen Aspekt herausgreifen: Halle hat eine sehr lebendige Musikszene: an mehreren mittlerweile etablierten Auftrittsorten (Objekt 5, Peißnitzhaus, La Bim, Brohmers usw.) spielen oft ausgezeichnete Bands, ohne daß dies bisher irgendeinen Widerhall in den hallischen Print- und Onlinemedien fände. Dies… mehr lesen »